Jesus Christus – König Polens ?
- Theo Mechtenberg
- 12. Apr. 2017
- 4 Min. Lesezeit
Jesus Christus – König Polens ?
Am 19. November 2016, dem Vortag des Christkönigsfestes, vollzogen Polens Bischöfe in Gegenwart von Staatspräsident Andrzej Duda und Ministerpräsidentin Beata Szydło im Krakauer Sanktuarium Łagiewniki im Gedenken an die „Taufe Polens“ vor 1050 Jahren sowie zum Abschluss des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit einen feierlichen „Jubiläumsakt der Annahme Jesu Christi als König und Herrn“, womit sich Polen „seiner göttlichen Herrschaft“ unterwarf. Sie machten damit wahr, was sie genau ein Jahr zuvor in einem Hirtenwort angekündigt hatten. Und dies, obwohl sie noch am 25. Oktober 2012 in ihrem Pastoralschreiben „Über die Königsherrschaft Jesu Christi“ erklärt hatten, dass „es nicht erforderlich ist, Jesus Christus zum König auszurufen“. Polens Bischöfe sind eigentlich nicht dafür bekannt, einmal getroffene Entscheidungen zurückzunehmen. Dass sie dies in diesem Fall dennoch taten, zeigt, unter welchem Druck sie standen, den die verschiedenen, eine Inthronisation Jesu Christi einfordernden kirchlichen Gruppierungen seit geraumer Zeit auf den Episkopat ausüben. Wenngleich er in seinem Weiheakt den Begriff „Inthronisation“ bewusst vermieden hat, so dürften sich doch diese Gruppierungen bestätigt fühlen und den Weiheakt in ihrem, auch stark politischen Sinn auslegen.
Der feierliche Akt der Hingabe an die Königsherrschaft Christi
Zu einer über sein innerkirchliches Verständnis hinausgehenden Deutung bietet der Weiheakt denn auch durchaus Anhaltspunkte. So lautet der entscheidende Weihepassus: „Wir Polen stehen vor Dir (gemeinsam mit geistlichen und weltlichen Amtsträgern), um Deine Herrschaft anzuerkennen, uns Deinem Gesetz zu unterstellen, Dir unser Vaterland und die ganze Nation anzuvertrauen und zu weihen.“ Es folgt eine Litanei, in der umfassend die Bereiche persönlichen , gesellschaftlichen und politischen Lebens aufgezählt werden, um sie mit dem Ruf „Herrsche über uns, Christus“ seinem Königtum zu unterstellen.
Gegen Ende des Weiheaktes heißt es dann: „Wir empfehlen Dir den polnischen Staat und jene, die Polen regieren. Wirke, dass alle, die Macht haben, gerechte Regierungen bilden und Gesetze in Einklang mit Deinen Gesetzen erlassen.“ Angesichts dieser Formel fragt man sich, wer denn konkret im Namen Jesu legitimiert ist, diesem Auftrag zu entsprechen und ob nicht diejenigen, welche die Macht ausüben, versucht sind, sich in ihrem Handeln als Vollstrecker der Königsherrschaft Christi zu verstehen, womit sie das demokratische Polen in eine Theokratie überführen würden.
Politische Instrumentalisierung einer Inthronisation Jesu Christi
Die Gefahr einer Politisierung des Weiheaktes ist somit nicht von der Hand zu weisen. Im Gegenteil. Sie bietet sich geradezu an. Und dies zumal, weil seit Jahren bereits Vertreter einer geforderten Inthronisation diese für politische Zwecke instrumentalisieren. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang etwa die Äußerung des Abgeordneten Artur Górski. In Erwartung des Polenbesuchs von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 sowie in kritischer Anspielung auf die postkommunistische Zeit Polens und die von der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO) angeführten Regierung sagte er im Sejm: „Polen braucht eine machtvolle Protektion, um glücklich ‚nach dem Auszug aus Ägypten‘ durch die ‚Wüste der Entsagung‘ zu kommen und am Ende eine glückliche Existenz zu erlangen, die die Nation in der Errichtung der IV. Republik sieht. Heute braucht es nichts so sehr, als dass auf dem geistigen Thron Polens der König der Könige und der Herr der Herren Platz nimmt.“ Und am Ende seiner Rede forderte er dazu auf, Jesus Christus den Titel „König Polens“ zu verleihen.
Damals hatten noch Polens Bischöfe diese Äußerung als Anmaßung und unstatthafte Politisierung der Religion zurückgewiesen. Dies dürfte heute nach vollzogenem Weiheakt im Sanktuarium Łagiewniki um einiges schwieriger sein. Nicht nur die Präsenz höchster Staatsvertreter, sondern auch die von der regierenden Kaczyński-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stets bekundete Nähe zur katholischen Kirche des Landes sowie der von ihr vertretene Nationalismus lassen vermuten, dass die Ausrufung der Königsherrschaft Jesu Christi politische Konsequenzen – und damit eine weitere Polarisierung der Gesellschaft – nach sich ziehen wird. Hinzu kommt, dass es in Polen aufgrund einer „Theologie der Nation“ für diese Entwicklung eine quasi-theologische Grundlage gibt. Ihr Begründer ist der Priester und emeritierte Theologieprofessor Czesław Bartnik. Er schrieb während der Zeit der von Donald Tusk und seiner Bürgerplattform angeführten Regierung in der nationalkonservativen Kirchenzeitung „Nasz Dziennik“ (273/2009): „Leider verliert auch Polen allmählich seine Seele. […] Doch ohne das Christentum wird es Chaos geben, ideologischen Wirrwarr, moralischen Verfall, Sinnlosigkeit des Lebens. Es ist unmöglich, sich die Christurphobie in der EU rational zu erklären.“ Und mit einer deutlichen Spitze gegen die Kirchenleitung, die zu diesem Zeitpunkt den Forderungen der Inthronisations-Gruppen noch nicht nachgab, heißt es weiter: „Bei uns erlaubt man sogar den katholischen Laien nicht die Entfaltung eines Kults Christi als König, auch als König Polens.“
Die Politisierung des Weiheaktes durch nationalkonservative Kreise ließ nicht lange auf sich warten. So schrieb die Publizistin Ewa Polak-Pułkiewicz in der nationalkonservativen Zeitschrift „Plus Minus“: „Die gesellschaftliche Herrschaft Christi besitzt keine Realität ohne Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat, denn beide Subjekte existieren aus dem Willen Gottes und haben konkrete Aufgaben, die den Horizont der Diesseitigkeit transzendieren. [..] Wenn es Aufgabe der Kirche ist, den Staat zu unterstützen – auch die Wahrheit in der Politik zu verteidigen, denn die Wahrheit ist nicht in einen esoterischen Bereich eingeschlossen - , dann ist es auch Aufgabe des Staates, die Kirche zu unterstützen, aktiv zu verteidigen, einschließlich der Rechte der gläubigen Menschen, dann muss man daran arbeiten, den Staat betreffende Grundbegriffe neu zu ordnen. In diesem Bereich herrscht nämlich nach den Jahrzehnten des Kommunismus ein außergewöhnliches Wirrwarr. Sowohl Präsident Andrzej Duda als auch Premier Beata Szydło und Verteidigungsminister Antoni Macierewicz versuchen unablässig, diese Neuordnung der Begriffe auf den verschiedenen Feldern zu verwirklichen.“ Und sie beendet ihre Ausführungen mit einem starken Fazit: „Wenn der Staat die Mission der Kirche unterstützt, gibt er Gott, was Gott gebührt. Die Inthronisation Christi in Polen ist geradezu die Erfüllung dieser Mission.“
Der Kulturwissenschaftler Marcin Napiórkowski, der in seinem im Herbst 2016 im „Tygodnik Powszechny“ veröffentlichten Beitrag Frau Polak-Pułkiewicz zitiert, schreibt kommentierend: „Frau Polak gibt die Initiative in dieser Sache gänzlich in die Hand des Staates, konkret in die der herrschenden politischen Gruppe. Duda und Szydło im Verein mit Macierewicz, unterstützt durch die Macht Christi als König Polens, haben hier für Ordnung zu sorgen. Es macht Angst, wie dann die Politik aussehen wird – eine Kostprobe davon haben wir seit einem Jahr.“
Comments