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Hundertjähriges Gedenken an die Ermmordung des ersten polnischen Präsidenten 23. 12. 2022


Am Nachmittag des 16. Dezember 1922 wurde Präsident Gabriel Narutowicz während des Besuchs einer Kunstausstellung durch drei Schüsse in den Rücken tödlich getroffen. Sein Mörder, der 53jährige rechtradikale Eligiusz Niewiadomski, ein Kunsthistoriker und begabter Maler, wurde am Tatort widerstandslos verhaftet und am 30. Dezember in einem eintägigen Prozess zum Tode verurteilt. 11 Tage später wurde das Urteil durch Erschießen vollstreckt.

Umstände und Motive

Welches sind die politischen Umstände jenes Attentates und die Motive des Mörders? Nach dem Ersten Weltkrieg erstand Polen nach 120 Jahren Fremdherrschaft wieder neu. Die Verfassung vom März 1921 sah mit Sejm und Senat ein Zwei-Kammer-System vor. Sieger der Wahlen im November 1922 war der Christliche Verbund Nationaler Einheit, eine rechte Formation. Staatsoberhaupt sollte ein von beiden Kammern gewählter Präsident werden, der allerdings vornehmlich repräsentative Aufgaben wahrzunehmen hatte und nur beschränkte Machtbefugnisse besaß.

Entsprechend der Mehrheitsverhältnisse war erwartet worden, dass der Kandidat der Rechten die Wahl gewinnen würde. Doch es siegte im 5. Wahlgang der in Zürich lehrende, von den Sozialisten, der Volkspartei und den Minderheiten unterstützte Professor Gabriel Narutowicz. Doch die politische Rechte wollte diese Wahl nicht akzeptieren. Es kam zu Demonstrationen und Straßenschlachten, in denen ein Sozialist erschossen wurde. Man befürchtete den Ausbruch eines Bürgerkrieges.

Diese Situation war bedingt durch zwei unterschiedliche Staatskonzeptionen. Józef Pilsudski wollte eine freiheitliche Demokratie, an der jeder polnische Staatsbürger gleich welcher ethnischen Herkunft die gleichen politischen Rechte besaß. Roman Dmowski dagegen, der Ideologe der politischen Rechten, forderte ein eng mit der katholischen Kirche verbundenes, ethnisch reines Polen, in dem die Minderheit von Juden, Deutschen und Ukrainern, immerhin ein Drittel der Bevölkerung, eingeschränkte Rechte besitzen und auf die Gestaltung Polens keinen Einfluss haben sollten.

Eben dieses Faktum, dass Angehörige der Minderheit, zumal Juden, die gleichen Rechte wie polnisch stämmige Bürger besaßen, war der Grund, warum Niewiadomski zur Waffe griff. Dabei spielte der in der Zwischenkriegszeit verbreitete Antisemitismus eine entscheidende Rolle. Und weil Narutowicz auch mit den Stimmen der Minderheit gewählt worden war, galt er in den Agen der politischen Rechten, ohne selbst Jude zu sein, als deren Präsident und Pilsudski als Architekt eines „Juden-Polen“.

In seinem Prozess gestand Niewiadomski denn auch, dass sein Attentat gegen dieses System gerichtet war und er bereits bis ins Detail einen Mordanschlag auf Pilsudski geplant hatte, sollte er Präsident werden. Somit starb Narutowicz im Grunde als „Ersatz“ für Pilsudski.

Zum Attentat machte die politische Rechte gute Miene zum bösen Spiel. Auch sie verurteilte die Mordtat, doch insgeheim sahen und sehen viele Anhänger der Rechten in Niewiadomski einen heldenhaften Patrioten, dessen Grab denn auch bis heute stets mit Blumen geschmückt ist.



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