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Ein nachahmenswertes Beispiel der Obdachlosenhilfe 29. 11. 2022


Papst Franziskus wünscht sich eine Kirche, die zu den Rändern der Gesellschaft aufbricht, die einem Feldlazarett gleicht, das von Menschen gefüllt ist, die in ihrem täglichen Lebenskampf tiefe Wunden davongetragen haben, die darniederliegen und Hilfe brauchen, damit sie wieder auf die Beine kommen. Zu diesen hilfsbedürftigen Randexistenzen zählen vor allem die Obdachlosen.

Wie ist ihnen zu helfen? Es reicht nicht, ihnen im Vorbeigehen ein paar Münzen in den Hut zu werfen. Damit beruhigen wir mehr unser schlechtes Gewissen, als dass dies ein Beitrag wäre, sie aus ihrer Not zu befreien. Auf welche Weise eine wahre Befreiung geschehen kann, dafür gibt es Beispiele.[1]

Mit dem Posener Zentrum für Obdachlose verbindet sich eine Geschichte besonderer Art. Man plante für sie eine Aufwärmhalle. Das Geld stand zur Verfügung, doch die Anwohner wollten einen derartigen Anziehungspunkt für Obdachlose nicht in ihrer Nähe dulden. Man überlegte, wie man ihrem Protest begegnen, ihnen klar machen konnte, dass Obdachlose Menschen sind wie du und ich, dass es jeden treffen kann, wohnungslos zu werden. Wer kann schon von sich sagen, dass ihn kein Schicksalsschlag, so hart er auch sein mag, zu Boden wirft? Viele Obdachlose haben einen psychischen Zusammenbruch erfahren, weil ihre Ehe zu Bruch ging, weil sie den Tod ihres Kindes nicht verschmerzen konnten, weil sie von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit verloren. Solche existentiellen Erfahrungen gibt es viele, und sie können zum Auslöser eines sozialen Abstiegs werden, der noch beschleunigt wird, wenn man versucht, derlei Verlusterfahrungen mit Alkohol zu betäuben. Finanzielle Reserven sind in einer solchen Situation schnell aufgebraucht. Rechnungen bleiben liegen, der Schuldenberg wächst, die Miete kann nicht mehr bezahlt werden. Am Ende landet man auf der Straße.

Es galt, den gegen die Aufwärmhalle protestierenden Anwohnern derlei Schicksale buchstäblich vor Augen zu führen. So wurde die Idee einer Theatergruppe aus lauter Obdachlosen geboren und in die Tat umgesetzt. Seit nunmehr zehn Jahren leitet die Bühnen- und Filmschauspielerin Dorota Abbe eine solche Theatergruppe. Als erstes entstand „Die Rückkehr der Wikinger“, ein Stück, in dem die Obdachlosen ihre Schicksale auf die Bühne brachten.

In der Schlussszene liegen alle am Boden. Aus dem Hintergrund ertönt eine Stimme: „Alles Scheiße.“ Daraufhin erheben sich alle wieder. Jeder kehrt an seinen Platz zurück und sagt, was er an diesem Tag vorhat. Eine hoffnungsvolle Botschaft: „Solange wir leben, gibt es einen Ausweg.“ Doch leicht ist die Rückkehr in ein normales Leben nicht. Ohne Hilfe ist sie kaum zu schaffen. Denn wer auf der Straße landet, für den gibt es keine gültigen Regeln mehr. Er ist seinem Schicksal überlassen, ausgeliefert einer kalten Welt.

Gespielt wurde „Die Rückkehr der Wikinger“ nicht in Hinterhöfen oder irgendwelchen Kneipen, sondern im Neuen Theater der Stadt Und das mit großem Erfolg. Weitere Stücke entstanden und kamen zur Aufführung. So manches schauspielerisches Talent wurde entdeckt, und so mancher in einen Schauspieler verwandelter Obdachlose fand ein neues Zuhause.


[1] Dorota Bisińska, Długa droga do domu (Der weite Weg ins Haus), Tygodnik Powszechny vom 23. 10, 2022, S 29-32.

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