Gedenken an den Warschauer Aufstand im Zeichen der Deutschfeindlichkeit
Jahr für Jahr erinnern sich die Polen an den 1. August 1944. Es ist der Tag, an dem in Warschauer der Aufstand gegen die deutschen Besatzer seinen Anfang nahm. Nach 63 Tagen erbitterter Kämpfe kapitulierten die Aufständischen vor der deutschen Übermacht. Die Bilanz: Über 200 000 Tote und eine zerstörte Stadt.
Es ist verständlich, dass die Tragödie dieses Heldenkampfes tief im nationalen Bewusstsein verankert ist und Teil der Gedächtniskultur bildet. Doch mit Befremden nimmt der Beobachter den antideutschen Trend zur Kenntnis, der in diesem Jahr die Erinnerung an den Aufstand bestimmt. Die rechtskonservativen Zeitungen titelten: „Deutsche, verfälscht nicht die Geschichte.“ Und in den Untertiteln war zu lesen, dass Hitler demokratisch gewählt worden sei und seine Enkel die Polen, bitte schön, nicht über Demokratie zu belehren hätten. Und die rechtsextreme ONR, die unter der PiS-Regierung einen deutlichen Aufschwung erlebt, zog mit der dem Aufstand entliehenen Parole „Jedem Deutschen eine Kugel“ durch Warschaus Straßen.
Derlei Töne bilden die Begleitmusik zu einer Initiative, mit der PiS bereits während ihrer kurzen Regierungszeit vor gut einem Jahrzehnt gescheitert ist. Erneut will man versuchen, Deutschland für die Kriegsverwüstungen im Zweiten Weltkrieg haftbar zu machen. Eine Expertengruppe soll eine entsprechende Klage auf Reparationsleistungen vorbereiten. Ob man wirklich glaubt, in einem zweiten Anlauf mit dieser Forderung Erfolg zu haben? Oder ist die zu erwartende Niederlage bereits kalkuliert. Denn auch aus ihr lässt sich nationales Kapital schlagen und das eigene Elektorat durch Anheizen einer antideutschen Stimmung möglicherweise mehren, um so die Voraussetzungen für eine Wiederwahl nach Ablauf der Regierungszeit zu verbessern. Die Propaganda von PiS tut so, als gäbe es inzwischen keine andere, deutschfreundliche Erinnerungskultur, nicht den Briefwechsel der Bischöfe am Ende des Konzils als Grundlage beiderseitiger Versöhnung, nicht die zahlreichen Hilfssendungen nach Verhängung des Kriegsrechts, nicht die bereitwillige Aufnahme von Akteuren der Solidarność, nicht die inzwischen gewachsenen vielen deutsch-polnischen Freundschaften. Das alles stellt PiS bedenkenlos um des eigenen Machterhalts aufs Spiel.
Diese deutschfeindliche Propaganda zielt zugleich gegen die angeblich dem Einfluss der Bundesrepublik unterliegende Europäische Union. Ohne sie, so scheint man zu glauben, sei die EU-Kommission nicht in der Lage gewesen, das Sanktionsverfahren gegen Polen zu eröffnen. Dazu macht man denn auch gleich Frans Timmermans zu einem Deutschen. Und was die als „Putsch“ bezeichneten jüngsten Demonstrationen gegen die Aufhebung der Gewaltenteilung betrifft, so sei das dafür nötige Geld vom deutschen Finanzminister geflossen. Auch Verteidigungsminister Antoni Macierewicz bedient sich der Verschwörungstheorie, indem er behauptet, die Proteste seien vom Westen initiiert worden. Der verfolge das Ziel, „einen einzigen liberalen Staat, eine einzige ganz Europa umfassende liberale Formation zu schaffen, in der wir Polen die Rolle einer helfenden Hinterhand spielen sollen, dazu da, Geld zu beschaffen, ein Polen, das man plündern, ausrauben und ausbeuten kann.“ Auch dies eine der zahlreichen durch nichts bewiesenen, ja geradezu abwegigen Behauptungen, die dazu dienen, die eigenen absurden Argumente zu begründen und zu rechtfertigen. Dieser Zusammenhang wird nicht einmal verschleiert, wenn Macierewicz etwa aus der Behauptung, die EU führe gegen Polen einen „hybriden Krieg“, das Recht ableitet, „gegen sie die gleiche Methode anzuwenden.“
Wie soll die deutsche Seite auf diese deutschfeindliche Aggressivität von PiS reagieren? Am besten gar nicht.
Quelle: Paweł Wroński, PiS na wojnie z Niemcami. Propagandowa układanka obosu władzy (PiS führt Krieg mit den Deutschen. Ein Propagandapuzzle des Regierungslagers), Gazeta Wyborzca v. 02. 08. 2017.
Erstveröffentlichung: imprimatur 3/2017