Verschließt euch nicht denen gegenüber, die um Rettung bitten!
Für Aufsehen, auch im Ausland, sorgte am 7. Oktober 2017 eine Gebetsaktion ganz im Sinn der regierenden Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), an der rund eine Million Gläubige sich zu einem „Rosenkranz an den Grenzen“ an 3000 ausgewählten Strecken verbanden und zumeist vorher zu diesem Anlass in 330 Kirchen an der Messfeier teilnahmen. Das Datum war bewusst gewählt. Der 7. Oktober ist in Erinnerung an den Sieg der christlichen Flotte über die des osmanischen Imperiums bei Lepanto im Jahr 1571 gewidmet. Damals – so die Deutung dieses Ereignisses – sei Europa vor der Islamisierung gerettet worden.
Es fehlte daher nicht in den Predigten der dieser Gebetsaktion vorausgehenden Gottesdienste an einer Aktualisierung jener 500 Jahre zurückliegenden Seeschlacht. Wer sich in diese Rosenkranzkette einreihte, tat dies in dem Bewusstsein, seinen Betrag zur Rettung Polens, ja Europas, vor einer Islamisierung zu leisten.
Doch im Schatten dieser nationalkatholischen Aktion versammelten sich gleichfalls Gläubige in einer gänzlich anderen Gesinnung zum Gebet. Zum dritten Mal fand in Polen zwischen dem 1. und dem 8. Oktober die Gebetswoche für Flüchtlinge unter dem Motto „Sterben aus Hoffnung“ statt. Die Gebetsintention galt jenen, „die starben, weil es an denen mangelte, die von Gott ausersehen waren, diesen Menschen zu helfen.“ Einige der bislang über 35 000 auf dem Weg nach Europa umgekommenen Flüchtlinge wurden mit Namen genannt. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Gądeck, warnte in Posen vor einer Stigmatisierung der Flüchtlinge, was zu einem Anwachsen der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus sowie zu Angst vor den Flüchtlingen und zur Intoleranz ihnen gegenüber führe. Und wo es um die Aufnahme von Flüchtlingen und ihr Asyl gehe, da seien nicht die Interessen des Staates und die nationale Sicherheit entscheidend, sondern einzig und allein der Mensch. Worte, die bei den politisch Verantwortlichen wohl auf taube Ohren stoßen.
Für die Flüchtlinge gebetet wurde in über 15 größeren Städten, doch die Teilnahme an diesen Gottesdiensten war im Vergleich zum „Rosenkranz an den Grenzen“ mit jeweils ein paar hundert Gläubigen eher bescheiden – ein bedenkliches Zeichen für den Zustand der Religiosität in Polen.
Quelle: Stanisław Zasada, Dwie modlitwy i uchodźcy (Zwei Gebete und die Flüchtlinge); Tygodnik Powszechny v. 15. 10. 2017; Artur Sporniak, Abp Ryś: Nie zamykać ręki, gdy ktoś prosi o ratunek (Erzbischof Ryś: Verweigert nicht die Hand, wo jemand um Hilfe bittet), ebd.