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Die ukrainische Aufstandsarmee (UPA) im nationalen Gedächtnis

Am 14. Oktober feiert die ukrainische Ostkirche mit der Schutzmantelmadonna eines ihrer größten Marienfeste von nationaler Bedeutung. Denn seit Jahrhunderten ist dieser Tag den ukrainischen Freiheitskämpfern aller Zeiten gewidmet.

Diese Tradition bezieht sich somit auch auf die ukrainische Aufstandsarmee (UPA), deren Entstehung zwar nicht historisch, wohl aber symbolisch auf den 14. Oktober gelegt wurde, um sie vom Ursprung her mit dem sacrum zu verbinden. Und seit 2014 bildet das Fest der Schutzmantelmadonna hochoffiziell den Gedenktag der ukrainischen Streitkräfte überhaupt.

Die Geschichte der UPA

In der Geschichte der UPA lassen sich drei Phasen unterscheiden: Die erste reicht bis in das Jahr 1921 zurück, als die ukrainischen Freiheitskämpfer, wenngleich vergeblich, in Auseinandersetzung mit den Bolschwiken das Ziel verfolgten, einen eigenen unabhängigen Staat zu errichten. Die zweite Phase ist mit dem ukrainischen Nationaldemokraten Taras Borowiec und seinen Partisaneneinheiten verbunden, die sich allerdings 1943 dem Nationalisten Stepan Bandera unterordnen mussten und ihre Selbständigkeit verloren. Damit beginnt die dritte und eigentliche sowie umstrittene Phase der UPA.

UPA – Freiheitskampf und Völkermord

Die von Stepan Bandera geführte UPA wird –zumal in der russischen Literatur – als Bande bezeichnet. Zu Unrecht. Es handelte sich vielmehr um den bewaffneten Arm der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) mit ihrer einem Untergrundstaat vergleichbaren Struktur. Sowohl im politischen wie im militärischen Bereich gab es abgestufte Befehlsebenen und klare Verantwortlichkeiten. Dies war im Übrigen die Voraussetzung für die von der UPA systematisch betriebene ethnische Säuberung, die von den ukrainischen Nationalisten in Verfolgung ihres Ziels der Errichtung eines eigenen Nationalstaates politisch gewollt war und der in den Jahren 1943/44 in der Westukraine an die 100 000 Polen zum Opfer fielen – ein Verbrechen, zu dem bloße Banden nicht fähig gewesen wären und das unter der gegenwärtigen PiS-Regierung vom polnischen Sejm als „organisierter Völkermord“ verurteilt wurde, was eine neuerliche Belastung des polnisch-ukrainischen Verhältnisses zur Folge hatte.

Auch bezüglich ihrer Kampfstärke ist ein Vergleich der UPA mit einer Bande unangemessen. Sie verfügte 1944 immerhin über 30 000 Kämpfer, von denen jeder Dritte sein Leben ließ. Doch zählt man die Verluste an Menschenleben aufgrund sowjetischer Verhaftungen der Zivilbevölkerung, ihrer Deportation, das Sterben in den Lagern und Ermordungen durch den NKWD hinzu, dann kommt man auf schätzungsweise 150 000 Tote.

Der Freiheitskampf der Partisanengruppen der UPA richtete sich primär gegen die sowjetische Armee und Besatzung. Aber ihre Aktionen waren auch gegen den deutschen Okkupanten gerichtet. Daher stimmt die These, die UPA habe mit den Deutschen kollaboriert, nicht uneingeschränkt. Sie hat zwar in der ersten Phase des Zweiten Weltkriegs von der deutschen Besatzung insofern profitiert, als sie relativ ungestört in der Westukraine ihre Mordaktion gegen die polnische Bevölkerung durchführen konnte. Auch schlossen sich 1944 Teile der UPA ukrainischen, an der Seite der Deutschen kämpfenden Verbände an, doch von einer formalen Kollaboration der UPA mit den Deutschen kann keine Rede sein. Und dies schon deswegen nicht, weil die Politik Hitlers keineswegs die Bildung eins eigenen ukrainischen Staates vorsah, die damit in einem fundamentalen Widerspruch zu den Zielen der ukrainischen Nationalbewegung stand.

Die UPA geriet mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in eine ausweglose Situation. Sie führte gegen die sowjetische Übermacht einen verzweifelten Partisanenkrieg mit erheblichen Verlusten. Doch mit einer Kapitulation drohte den Kämpfern Verfolgung, Folter und Tod durch den NKWD. Also setzten sie den Kampf bis zum bitteren Ende fort. Erst 1954 endeten die letzten Kampfhandlungen.

Die UPA aus polnischer Sicht

Im polnischen Nationalbewusstsein existiert die UPA ausschließlich als eine verbrecherische Formation, die man für den Völkermord an den Polen in der Westukraine verantwortlich macht. Ausgeblendet bleibt ihr Freiheitskampf gegen die deutsche und die sowjetische Besatzung. Trotz aller in den 1990er Jahren unternommenen Bemühungen um eine Aussöhnung sind die beiderseitigen Beziehungen weiterhin belastet. Und dies auch deswegen, weil in jüngster Zeit in der Ukraine der Trend eines ehrenden Gedenkens an die Kämpfer der UPA vorherrscht. Ihnen werden Denkmäler gewidmet, und in Kiew trifft man auf Straßen mit den Namen von Stepan Bandera und Roman Szuchewicz. Die ohnehin in weiten Teilen der polnischen Gesellschaft verbreitete antiukrainische Einstellung nahm dadurch wieder deutlich zu.

Krieg verlangt nach heldenhaften Vorbildern

Es hat in den 1990er Jahren eine Phase gegeben, in der sich zumindest die intellektuelle ukrainische Elite von den Verbrechen der UPA distanziert und es Ansätze einer Aufarbeitung der durch die an Polen verübten Morde belasteten Vergangenheit gegeben hat. Doch diese Zeit scheint mit dem Krieg im Donbas vorbei. Er erfordert offenbar heldenhafte Vorbilder. Die liefern die einstigen Freiheitskämpfer der UPA gegen die Sowjetmacht im Zweiten Weltkrieg und über ihn hinaus. Und einzelne militärische Einheiten, die in der Ostukraine gegen Russen und die von ihnen unterstützten Separatisten kämpfen, sehen sich ausdrücklich in der Tradition der UPA – wobei man allerdings deren Verbrechen ausblendet. Solange dieser Krieg anhält, wird sich an der Glorifizierung der UPA wohl nichts ändern.

Das heißt allerdings nicht, dass die Ukraine der Verpflichtung einer ehrlichen Auseinandersetzung mit den dunklen Schatten ihrer Vergangenheit enthoben wäre. Und dies nicht nur in Hinblick auf das polnisch-ukrainische Verhältnis. Auch die Westorientierung der Ukraine, die ja der eigentliche Grund für die russische Intervention darstellt, verlangt dies. Schließlich verfolgt die Ukraine das Ziel, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Neben den sonstigen Bedingungen, die nach den Koppenhagener Kriterien für eine Aufnahme in die EU erfüllt sein müssen, ist auch eine „Reinigung des nationalen Gedächtnisses“ durch Anerkennung nationaler Schuld erforderlich. Eine Gedächtniskultur, in der eine durch einen Völkermord belastete Organisation zu einem nationalen sacrum verklärt wird, lässt sich mit westeuropäischen Werten nicht vereinbaren und dürfte gleichfalls eine Barriere für eine etwaige Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union bilden.

Quelle: Tadeusz Olszański, Pamieć z konsekwencjami (Gedenken mit Konsequenzen), Tygodnik Powszechny v. 1. 10. 2017.

Dieser Beitrag versteht sich als Ergänzung zu dem im Blog veröffentlichten Text „Anmerkungen zum ukrainischen Nationalismus“

Taras Borowiec (1908-1981) gründete 1933 die Geheimorganisation „Ukrainische Nationale Wiedergeburt“ als Kampfeinheit gegen den „polnischen Okkupanten“ und gegen die Kommunisten. 1939 führte er nach dem deutschen und sowjetischen Überfall auf Polen einen Partisanenkampf gegen die Rote Armee. 1942 wurde er nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion und der Eroberung der Ukraine verhaftet und in das KZ Sachsenhausen eingeliefert. 1944 wurde er wieder entlassen und kämpfte mit einer ukrainischen Einheit an der Seite der Deutschen gegen die sowjetischen Truppen. Nach Kriegsende gelang es ihm, 1948 nach Kanada zu emigrieren, wo er 1981 verstarb.

Stepan Bandera (1909-1956) gehörte bereits als Student in der Westukraine der geheimen „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN) an, in der er bald zum Führungskader zählte. 1934 wurde er wegen angeblicher Beteiligung an der Ermordung des polnischen Innenministers zum Tode verurteilt. Doch das Urteil wurde nicht vollstreckt, sondern in lebenslange Haft umgewandelt. Nach dem deutschen Überfall auf Polen und der Besetzung der Ostukraine durch die Rote Armee kam er wieder frei.

Als Führer der UPA gilt Bandera als Hauptverantwortlicher für die Ermordung der in der Westukraine lebenden Polen. Wie Borowiec wurde auch er von den Deutschen als Befürworter eines unabhängigen ukrainischen Staates verhaftet, in das KZ Sachsenhausen eingeliefert und 1944 in der Hoffnung wieder entlassen, er würde an deutscher Seite den ukrainischen Widerstand gegen die vorrückende Rote Armee organisieren. Bandera lehnte allerdings eine Zusammenarbeit mit den Deutschen ab. In der Sowjetunion wegen seines gegen die Rote Armee geführten Partisanenkampfes zum Tode verurteilt, gelang ihm nach Kriegsende die Flucht nach Westdeutschland. 1959 wurde er von Agenten des KGB in München ermordet.

Roman Szuchewicz (1907-1950). Bereits mit 18 Jahren war Roman Szuchewicz Mitglied der illegalen ukrainischen Nationalbewegung und ihres militärischen Arms. Er war an verschiedenen Anschlägen und Sabotageakten gegen polnische Beamte und Einrichtungen beteiligt. 1934 wurde er in Zusammenhang mit der Ermordung des polnischen Innenministers verhaftet und kam 1937 wieder frei. Im Zweiten Weltkrieg war er zeitweilig Kommandeur der ukrainischen, an der Seite der Deutschen kämpfenden Brigade Nachtigall, der Morde an Polen und Juden angelastet wird. Persönlich soll er sich allerdings auch für die Rettung von Juden eingesetzt haben. 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet, konnte aber fliehen. Er schloss sich der UPA an und führte den Partisanenkampf gegen die sowjetische Besatzung auch nach Ende des Krieges fort. Er fiel 1950 im Kampf. In der Westukraine wird er als Nationalheld verehrt. Er schmückt mit seinem Bildnis Briefmarken und Gedenkmünzen.

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