Erneuter Maulkorb für den Senior-Chefredakteur des Tygodnik Powszechny
Adam Boniecki ist Priester der Ordensgemeinschaft der Marianer, in der er in der Vergangenheit führende Funktionen bekleidet hat. Über viele Jahre war er Chefredakteur der katholischen, für ihren offenen Katholizismus bekannten Krakauer Wochenzeitung Tygodnik Powszechny. Auch nachdem er aus Altersgründen von diesem Amt zurückgetreten ist, bleibt er weiter aktiv. Woche für Woche hat er im Tygodnik eine eigene Rubrik. Doch auch in anderen, säkularen Medien erscheinen seine Beiträge. Er ist ein gefragter Interviewpartner und hält im Lande zahlreiche Vorträge. Kurzum, Boniecki zählt zu den führenden katholischen Intellektuellen und gegenüber den Zeitfragen aufgeschlossenen Geistlichen. Daher ist er auch immer wieder Angriffen aus dem nationalkatholischen Lager ausgesetzt.
Vor sechs Jahren erhielt er erstmalig durch seinen Provinzial das Verbot, sich in säkularen Medien zu äußern. Und im kirchlichen Gehorsam hielt er sich daran.
Vor Monaten gab es an der Spitze der Provinz einen Wechsel. Der neue Provinzial hob das Verbot auf. Doch es dauerte nicht lange bis sich auch dieser veranlasst sah, Boniecki zu ermahnen, „sich an die Regeln zu halten, die für Geistliche gelten, die sich in der Welt der Medien engagieren.“ Solche Regeln hat die Polnische Bischofskonferenz erlassen. Sie verpflichten die Priester dazu, „sich klug und verantwortungsvoll zu äußern, um Wahrheitsliebe besorgt zu sein und die Botschaft des Evangeliums fruchtbar zu vermitteln.“ Der Provinzial unterließ es in seiner Ermahnung allerdings, konkret zu belegen, wann und wo Boniecki gegen diese Regel verstoßen habe.
Wie sein Vorgänger untersagte nun auch der neue Provinzial wenig später Adam Boniecki jegliche publizistische Zusammenarbeit mit weltlichen Medien. Sein Verbot begründete er mit zwei Beispielen. So habe sich Boniecki auf der Internetseite der LGBT-Kampagne eingeschrieben, was er bestreitet. Er sei vielmehr das Opfer einer Manipulation, was er denn auch seinem Oberen erklärt habe. Man habe seine Freundlichkeit und die Tatsache ausgenutzt, dass er ein Gegner jeglicher Diskriminierung homosexueller Personen, ihrer verächtlichen und erniedrigenden Behandlung sei, was durchaus mit Buschstabe und Geist der katholischen Lehre übereinstimme. Die Redaktion bedauert, dass der Provinzial trotz dieser Klarstellung an seiner Entscheidung festhält.
Auch der zweite Vorwurf sei ungerechtfertigt. In diesem Fall beruft sich der Provinzial auf die Predigt, die Boniecki während der Beerdigung von Piotr Szczęsny gehalten hat, der sich aus Protest gegen die autoritäre, die demokratischen Grundwerte missachtende Politik der Kaszyński-Regierung öffentlich verbrannt hatte. Boniecki habe – so der Provinzial – „unter den zahlreichen Gläubigen eine Desorientierung hervorgerufen.“ Dabei hatte Boniecki in seiner Predigt keineswegs den Selbstmord als solchen befürwortet, sondern lediglich gesagt, „wer bin ich, dass ich über das Tun meines Nächsten urteile.“
In ihrer Erklärung betont die Redaktion des Tygodnik wie vor sechs Jahren, dass die Entscheidung des Provinzials „der Kirche als Ganzes schade.“ Sie sei auch deswegen „unglücklich, weil sie zu einer Zeit getroffen wurde, in der es mehr als irgendwann im Verlauf der letzten Jahre in Polen Stimmen wie die von Priester Adam geben müsse: eindeutige, dem wechselseitigen Verständnis dienende, die Werte der Gemeinschaft in Erinnerung rufende. Sollen all jene, die heute massenweise Priester Adam unterstützen, aus ihr ausgeschlossen sein?“
Quelle: Redakcja „Tygodnika Powszechniego“, Ks. Adam Boniecki z nakazem milczenia (Redaktion des Tygodnik Powszechny, Priester Adam Boniecki mit Schweigegebot belegt), Tygodnik Powszechny v. 26. 11. 2017.