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Offener Brief an Premier Morawiecki

In Zusammenhang mit dem jüngst verabschiedeten IPN-Gesetz ist ein offener Brief des Journalisten Jarosław Kurski von der „Gazeta Wyborzca“ an Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von besonderem Interesse. Er wirft die Frage auf, inwieweit er persönlich und die von ihm geführte Regierung einem rechtsnationalistischen, antisemitischen Ideengut nahe stehen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Fünf Tage sind seit dem Augenblick verstrichen, an dem Sie im Namen der Republik in München der Heiligkreuzbrigade nationaler Streitkräfte die Ehre erwiesen haben. Sie hatten fünf Tage Zeit, um der Öffentlichkeit zu erklären, warum Sie einen Kranz an den Gräbern von Kriegsverbrechern polnischer Kollaborateure des III. Reiches niederlegten. Fünf Tage für die Erklärung, wie sich Ihre einige Stunden früher gesprochenen Worte über „jüdische Täter“ des Holocaust zu den Blumen an den Gräbern „polnischer Täter“ jüdischen Sterbens verhalten.

Sie schweigen hartnäckig, denn Sie meinen gewiss, dass es nichts zu erklären gibt.

Ihr Schweigen bedeutet jedoch, dass sich der polnische Premier mit dem Ideengut polnischer Faschisten des National-Radikalen Lagers ONR identifiziert, dessen Heiligkreuzbrigade ihr verbrecherischer Arm war, und Sie identifizieren sich auf diese Weise mit ihrem „verbrecherischen Handeln“.

Mit der „Wyborcza“ möchten Sie um keinen Preis reden, also fragen wir in aller Öffentlichkeit: Was bedeutet Ihre Geste? Was ist ihr symbolischer Sinn?

Die Heiligkreuzbrigade war zu keiner Zeit der polnischen Exilregierung unterstellt. Als radikale Nationalisten die Kontrolle über die Organisation übernahmen, ermordeten sie heimtückisch den Kommandeur, der die Brigade in die Heimatarmee (AK) integrieren wollte. Die Brigade war niemals Teil des Untergrundstaates. Sie verweigerte auch ihre Teilnahme an der Aktion „Burza“, an den militärisch gegen die Deutschen, politische gegen die Sowjets gerichteten Warschauer Aufstand.

Ist die Geste des Premiers eine Zurückweisung der AK-Tradition und der Exilregierung?

Entgegen der heute verbreiteten Legende verteidigte die Heiligkreuzbrigade ganz und gar nicht den Bestand der II. Republik – sie unternahm dagegen viel, um die Autorität der legalen Machtstrukturen zu zerstören und auf den Trümmern des Vorkriegssystems eine nationalistische Einparteiendiktatur zu errichten.

Die Heiligkreuzbrigade kämpfte nur sporadisch gegen die Deutschen. Im Wesentlichen „säuberte“ sie die polnische Erde von Juden, Ukrainern, Bauernbattalionen, Volksarmee, Akteuren der Polnischen Arbeiterpartei und sowjetischen Partisanen. Eine häufige Praxis war die Erschießung von Gefangenen. Nur Deutsche ließ man frei.

Eine wichtige Rolle im Kommando der Brigade spielte der Gestapoagent Hubert Jura, Pseudonym „Tom“. Er lieferte den Deutschen Personen des Untergrundes und Juden aus. Dank Juras Kontakte mit dem SS-Hauptsturmführer Paul Fuchs, dem für die Bekämpfung des Untergrunds im Distrikt Radom verantwortlichen Gestapomann, bekam die Führung der Brigade von den Deutschen am 15. Januar 1945 – in Zusammenhang mit der sich nahenden sowjetischen Front – die Erlaubnis zum Rückzug „unter der Eskorte“ der Wehrmacht. Von dem Tag an erhielt die Brigade von den Deutschen regelmäßige Verpflegung, und deutsche Verbindungsoffiziere hielten Kontakt zu ihrer Führung. Die Berliner Zentrale von SD und Abwehr akzeptierte alle wichtigen, die Formation betreffenden Entscheidungen.

In den letzten Kriegsmonaten schulten die Deutschen Soldaten der Brigade dazu, hinter der sowjetischen Front Diversionsaktionen durchzuführen. Diese Soldaten übten auf einem Wehrmachtsgelände unweit von Brünn und bekamen von den Deutschen Waffen.

Am 5. Mai 1945, als das III. Reich bereits darniederlag, befreite die 1400 Mann starke Brigade das Konzentrationslager in Holstein. Tausend Frauen, unter ihnen eine Gruppe Jüdinnen, kamen frei. Diese Episode sollte den Amerikanern als Beweis dienen, dass die Brigade gegen die Deutschen gekämpft hatte und frei von antisemitischen Vorurteilen ist. Doch die polnische Exilregierung kannte die „kriegerische Spur“ der Brigade und verweigerte Soldaten dieser Formation die Anerkennung von Kombattantenansprüchen.

Herr Premier,

als Sie in München waren konnten Sie im Lager Dachau 15 000 Opfern des deutschen Nazismus die Ehre erweisen. Doch Sie wollten Ihr Haupt vor den Gräbern polnischer Kollaborateure des deutschen Nazismus neigen. Ist dies Ihre und Ihrer Regierung ideelle Deklaration?

Die Zusammenarbeit der Heiligkreuzbrigade mit den Hitlerdeutschen war kein Zufall. Sie ergab sich aus den ideellen Grundlagen des ORN der Vorkriegszeit. Eine der allerwichtigsten war die Eliminierung nationaler Minderheiten: der Deutschen, der Ukrainer und der Juden. Sie sollten ausgesiedelt und Personen, die wegen ihrer Aktivitäten zum Schaden der Nation bekannt waren, - liquidiert werden.

Dem Programm dieser Organisation entsprechend waren ausschließlich Mitgliedern des ORN, die – im rassistischen Sinn – ihre polnische Abstammung über vier Generationen nachweisen konnten, Führungspositionen im Staat vorbehalten. Sie sollten über die Besetzung höherer Ämter entscheiden und aus diesen Leuten eine elitäre Hierarchie schaffen. ONR forderte auch die Liquidierung von Parteien, Vereinen und gesellschaftlichen Organisationen anderer Nationalitäten sowie ein Verbot ihrer sozialen und kulturellen Entwicklung.

Auf Ihre Antwort warten tausende Ihrer Landsleute. Ihre Ermanglung wird bedeuten, dass Ihre Geste eine wohl überlegte Entscheidung und eine ideelle Deklaration war.

Quelle: Jarosław Kurski, List do Mateusza Morawieckiego. Komu i po co złożył Pan ten hołd? (Brief an Mateusz Morawiecki: Wem und wozu erwiesen Sie diese Ehre?), Gazeta Wyborcza v. 21. 02. 2018.

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