top of page

„Stalins Tod“ – ein Opfer der Zensur

Woran erkennt man ein autoritäres, ein gar diktatorisches System? Sicher an zahleichen Merkmalen. Eines davon ist die Zensur, von der ein solches Regime reichlich Gebrauch macht.

Ein Beispiel dieser Art lieferte vor einiger Zeit Putins Russland. Es handelt sich um den Film „Stalins Tod“, eine französisch-britische Koproduktion unter der Regie von Armando Jannucci; eine schwarze Komödie der Zeit nach Stalins Tod. Das Ministerium für Kultur hatte den Streifen zur Vorführung freigegeben. Am 25. Januar sollte die Premiere sein. Doch dazu kam es nicht. Die beim Ministerium für Kultur angesiedelte „gesellschaftliche Kommission“ hatte sich eingeschaltet. In ihrem Gutachten sprach sie dem Film jeden ästhetischen und historischen Wert ab. Mehr noch: Diese Produktion sei eine Beleidigung der Hymne und Flagge der Sowjetunion, des siegreichen Marshalls Georgi Konstantinowitsch Schukow und überhaupt ein Affront gegen das Gedenken an die hehren Zeiten und großen Taten. Unter dem Eindruck dieses Gutachtens zog Kulturminister Władimir Medinski die Bewilligung zurück. In der Gesellschaft bildeten sich daraufhin, wie zu erwarten, zwei Lager: pro und contra. Die Gegner des Films zeigten eine mir aus meiner Zeit in der DDR wohl bekannte Eigenschaft – Humorlosigkeit, die offenbar allen Ideologen eigen ist. Statt sich zu erheitern, reagierte man höchst verärgert, weil die Helden der nationalen Geschichte als „Idioten“ vorgeführt worden seien.

Das Lager der Befürworter verwies auf eben diese Humorlosigkeit der Gegner, ein Mangel, über den man in der Welt nur den Kopf schütteln würde. Der Film unterscheide sich zudem auf wohltuende Weise von den üblichen schlechten Serien über jene geschichtliche Periode. Er sei ein Gegenstück zu den der bloßen Propaganda dienenden Produktionen, die alles nur im hellsten Licht erscheinen lassen, die damalige Zeit ebenso wie ihren Tyrannen.

Der Schriftsteller Aleksiej Cwietkow meinte: „Warum protestieren Putins Leute jeglicher Couleur und die patriotischen Liebhaber eines starken Staates gegen diesen Film? Weil der Putinismus keinen politischen, sondern einen administrativen Zugang zur Historie vertritt; das heißt, wenn starke Führer regieren, dann ist es gut, und regieren schwache, dann ist das schlecht. Der Staat in der Ideologie des Putinismus ist eine selbständige Kraft und ein selbständiger Wert; daher verehrt ein Putinist den Zaren ebenso wie Stalin und den jetzigen Präsidenten – er sieht zwischen ihnen keinen Unterschied.“

Noch deutlicher äußerte sich die Bloggerin Tata Gutmacher: „Im heutigen Russland regiert weniger der Tyrann, sondern mehr die Angst dieses Tyrannen. Und sein Aberglaube. Er kann schließlich der Nation nicht erlauben, dass sie den Tod eines anderen Tyrannen, seines Vorgängers, zu Gesicht bekommt.“

Quelle: Anna Labuszewska, Tyrani tak, idioci nie (Tyrannen ja, Idioten nicht), Tygodnik Powszechny v. 04. 02. 2018.

Follow Us
  • Twitter Basic Black
  • Facebook Basic Black
  • Black Google+ Icon
Recent Posts
bottom of page