top of page

Wie Morawiecki an den März 1968 erinnert

Mit dem hundertjährigen Gedenken an die Unabhängigkeit Polens verbindet sich auch das Gedächtnis an den 50 Jahre zurückliegenden März 1968. Damals protestierten die Studenten in Warschau und anderen Universitätsstädten gegen die Kulturpolitik und die in den Medien verbreitete lügnerische Propaganda der kommunistischen Regierung. Sie besetzen tagelang die Universitäten und forderten die Freilassung verhafteter Studentenführer. Die Regierung machte für die „Unruhen“ junge „Zionisten“ verantwortlich. Staatsbürger jüdischer Herkunft wurden aus der Armee und dem Staatsapparat entlassen. Es kam zu einem Exodus tausender Juden.

Wie auch sonst im Land hatten auch die Studenten der Polytechnischen Hochschule in Wrocław/Breslau am 14. März protestiert. Im Gedenken daran hatte man Premier Tadeusz Morawiecki zum 14. März eingeladen. Doch wer erwartet hatte, er würde ein Wort des Bedauern über das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Studenten sagen und sich für die Vertreibung jüdischer Mitbürger aus ihrer Heimat entschuldigen, der sah sich enttäuscht. Entsprechend der Geschichtspolitik von PiS kann es keine Schuld der polnischen Nation oder des polnischen Staates geben. Also sagte er: „Für die Vertreibung unserer jüdischen Mitbürger ist keine polnische Regierung verantwortlich, sondern eine uns auf Bajonetten aufgezwungene sowjetische Macht.“ Eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem März `68 wäre ja einer von PiS verurteilten „Pädagogik der Scham“ gleichgekommen, und die galt es zu vermeiden. Daher erinnerte Morawiecki lieber an das Mittelalter, als die in anderen Ländern verfolgten Juden in Polen Aufnahme fanden. Und statt den wieder stark ausgebrochenen Antisemitismus zu verurteilen, beschwor er den angeblich im Ausland grassierenden Antipolonismus.

Anwesend bei dieser Veranstaltung war der 93jährige Professor Ryszard Krasnodębski. Er hatte sich im März ´68 an den Protesten in der Polytechnischen Hochschule beteiligt und sollte heute für seine Verdienste die goldene Medaille „Wrocław in Dankbarkeit“ erhalten. Doch er wartete den feierlichen Akt der Verleihung dieser Auszeichnung nicht ab, sondern verließ während der Rede von Premier Morawiecki den Saal mit den Worten: „Er weiß nicht, was er sagt! Ich lasse mir doch nicht die Geschichte aufs Neue beibringen! Das ist ein Skandal!“

Quelle: Jacek Herlukowicz, 93-letni bohater opuścił uroczystość z udziałem Morawieckiego (Ein 93jähriger Held verließ die Feierlichkeit unter Teilnahme von Morwiecki) Gazeta Wyborcza v. 14. 03. 2018.

Follow Us
  • Twitter Basic Black
  • Facebook Basic Black
  • Black Google+ Icon
Recent Posts
bottom of page