PiS von der Macht zu verdrängen ist möglich Nach den für die nationalkonservative Partei und Regieru
- Theo Mechtenberg
- 13. Nov. 2018
- 4 Min. Lesezeit
PiS von der Macht zu verdrängen ist möglich
Nach den für die nationalkonservative Partei und Regierung keineswegs sonderlich erfolgreich verlaufenden Selbstverwaltungswahlen regte der linke Politiker und zeitweise Ministerpräsident Włodzimierz Cimoszewicz ein Bündnis aller oppositionellen Kräfte an, um die kommenden Europa- und Parlamentswahlen zu gewinnen und PiS die Macht zu nehmen. Im Folgenden sein ins Deutsche übersetzter Aufruf.
Die Gesamtheit an Unterstützung für die Oppositionsparteien und parteilosen Initiativen in den Selbstverwaltungswahlen zeigt, dass es möglich ist, Kaczyński und der Armee seiner Marionetten die Macht zu entreißen, das Ansehen und die Position Polens in der Welt zu retten, die Rechtsstaatlichkeit zurückzugewinnen, die von der Partei ernennten kompromittierten, inkompetenten Vertreter in den Institutionen und staatlichen Unternehmen zu vertreiben, erneut Armee, Polizei und Spezialdienste demokratischer Kontrolle zu unterstellen sowie die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit wirksam zu verteidigen. Zwei Bedingungen sind dazu erforderlich: Eine breite bürgerliche Verständigung und die tiefe Überzeugung von der Möglichkeit des Erfolges.
In wenigen Monaten finden Europawahlen statt, in einem Jahr die polnischen Parlamentswahlen. Im Mai wird nicht nur über die polnische Repräsentanz im Europaparlament entschieden, sondern auch darüber, auf welcher Seite wir in der Debatte um die Zukunft der Europäischen Union stehen. Die kommenden Jahre entscheiden darüber, ob das von einem wiederauflebenden Nationalismus attackierte Europa dem Druck einer wiederkehrenden, unheilvollen Tradition der Egoismen und Konflikte erliegt oder in sich die Kraft und den Willen findet, vorwärts zu schreiten und die Gemeinschaft zu stärken. Proeuropäische Politiker, NGOs, lokale Kräfte und aktive Bürger sollen einen Wählerblock „Europa“ bilden, der sich für eine grundlegende Änderung der Europapolitik in unserem Land ausspricht und eine gemeinsame Kandidatenliste erstellt. Dies gibt uns die wichtige Chance, eine große Mehrheit an Europamandaten zu gewinnen und kann auch als Beispiel für manche andere europäische Länder dienen.
Die Gespräche dazu müssen schnell aufgenommen, die Entscheidungen bald getroffen werden. Anderenfalls bereiten sich die Parteien, eine jede für sich, auf diese Wahlen vor, was das Szenarium einer breiten Verständigung unmöglich macht. Eine wankelmütige Taktik des Zeitgewinns, des Kalkulierens, des Ausspielens der Partner, der Erledigung kleinlicher personeller Interessen – all das läuft auf die Verschwendung des Engagements der Wähler und auf die Ankündigung einer Niederlage hinaus.
Diese Wahlen sind zu gewinnen, doch der Erfolg hängt von einer ungewöhnlichen Stärkung der demokratischen Schichten vor den Sejm- und Senatswahlen ab. Wer das negiert, der trägt eine Mitverantwortung für eine weitere, vielleicht lang anhaltende Demontage des Rechts und der Demokratie in Polen.
Über das Schicksal der Demokratie in Polen entscheidet die Stimmabgabe in einem Jahr. Eine Verlängerung des Mandats von PiS käme fast der Gewissheit gleich, dass das ein Vierteljahrhundert währende Experiment mit der liberalen Demokratie am Ende wäre. Die Folge wäre ein isoliertes, marginalisiertes Polen, ohne eine glaubwürdige Sicherheitsgarantie, ein Polen ohne Meinungs- und Versammlungsfreiheit, ein Land, in dem jeder Widerspruch eine ständige Unterdrückung, einen Machtmissbrauch hervorruft, ein Land ohne unabhängige Medien, mit einem nur dem Anschein nach demokratischen Prozedere, ein Land bigotten Miefs., der Toleranz für nationalistische Radikale.
Daher muss alles getan werden, dass es nicht dazu kommt. Erforderlich ist ein gemeinsames Handeln aller, die sich dem widersetzen. Vor beinahe 40 Jahren sammelte die „Solidarność“ Menschen unterschiedlicher Ansichten um sich, die – zumindest für eine gewisse Zeit – in der Lage waren, ihre Unterschiede zu überwinden, um ihren starken Widerspruch gegenüber der damaligen Realität zum Ausdruck zu bringen. In gleicher Weise muss man heute sämtliche Verteidiger von Recht und Freiheit um das Symbol vereinen, das im Denken von Millionen Polen allgegenwärtig wurde – die Konstitution.
Als einer der Unterzeichner des Vertrages zum EU-Beitritt Polens und als einer der Vorsitzenden der Verfassungskommission, die unsere Konstitution erarbeitet hat, beobachte ich seit drei Jahren mit Trauer und Enttäuschung, wie diese beiden großen Erfolge zunichte gemacht werden. Zugleich hat sich jedoch gezeigt, dass die brutale Attacke von PiS auf den Rechtsstaat und die Europäische Union einem Großteil unserer Gesellschaft bewusst gemacht hat, wie wichtig sie sind.
Die Konstitution wurde für Hunderttausende Demonstranten und Millionen Gleichgesinnter zum Bezugspunkt. Sie soll daher für die autoritäre Regierung die rote Linie und eine gemeinsame Plattform für die Verteidiger der Demokratie bilden. In überwiegender Mehrheit sind dies dieselben Leute, Organisationen und Gruppierungen, welche die EU-Zugehörigkeit Polens verteidigen. Daher wäre es nur natürlich, wenn nach den Europawahlen ein Wahlblock „Konstitution“ geschaffen würde. Unter Ausnutzung kooperativer Effekte und des Glaubens an den Sieg kann eine derartige Wahlkoalition die Sejm- und Senatswahlen gewinnen, und das vierjährige finstere Abenteuer polnischer Demokratie gehört der Vergangenheit an.
Alles liegt in diesem Augenblick in der Hand derer, die den politischen Parteien vorstehen. Das ist vielleicht das einzige Examen von solcher Bedeutung in ihrem Leben. Sind sie ausreichend klug, weitsichtig und bereit zur Partnerschaft, zu einer ehrlichen Verständigung? Können sie den Rest der Bürger überzeugen, sich ihre Sicht der Dinge anzueignen, dass es ihnen in diesem Fall tatsächlich um das Gemeinwohl geht und nicht um eigene Ambitionen und gut bezahlte Positionen? Frühere Erfahrungen sind hier nicht eindeutig. Doch häufig ist es so, dass Menschen in wirklich schwierigen Augenblicken über sich hinauswachsen.
Quelle: Włodimierz Cimoszewicz, Wniosek w wyborów samorządowych: opozycja musi otworzyć wspólny blok (Das Ergebnis der Selbstverwaltungswahlen: die Opposition muss einen gemeinsamen Block schaffen), Gazeta Wyborzca v. 06. 11. 2018.
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