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Offener Brief zur Verteidigung freier Berichterstattung

  • Theo Mechtenberg
  • 26. Nov. 2018
  • 2 Min. Lesezeit

Am 21. April hatte ich unter der Überschrift „Ein Festival zu Hitlers Geburtstag“ im Blog über eine entsprechende Veranstaltung polnischer Neonazis berichtet. Nun wurde der Journalist, der diese im unabhängigen Fernsehen TVN gesendete Reportage verfasst hatte, wegen Verbreitung nazistischer Propaganda angeklagt. Ihm drohen bis zu zwei Jahre Haft.

Als Reaktion auf diesen unerhörten Vorgang initiierten Journalisten den folgenden, auszugsweise zitierten offenen Brief, der von einer Vielzahl an Chefredakteuren und Journalisten freier Medien unterzeichnet wurde.

Diese Vorwürfe sind absurd. Um als Journalist an der Provokation der von polnischen Neonazis organisierten Feier zu „Hitlers Geburtstag“ teilnehmen zu können, musste sich Piotr Wacowski wie ein Teilnehmer dieser Veranstaltung verhalten. Um glaubwürdig zu erscheinen und um Bilder von dem ganzen Geschehen zu erhalten, war er – wie die übrigen auch – genötigt, sich u. a. den Gesten des Hitlergrußes anzuschließen, was in dem Film später auch gezeigt wurde. Wacowski machte seine Arbeit gut und unter persönlicher Gefährdung. Dank ihrer konnte die Öffentlichkeit erstmals mit eigenen Augen polnische Neofaschisten zu Gesicht bekommen. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, heute daraus Vorwürfe des Nazismus zu konstruieren, nach einem Akt ungewöhnlich bösen Willens der gegenwärtigen Machthaber aussieht. Es ist dies im Übrigen kein Ausnahmefall. Seit den ersten Veröffentlichungen in regierungsnahen Medien desavouierten Vertreter der Regierungspartei die Reportageautoren, riefen zum Boykott des Fernsehsender TVN auf sowie dazu, ihm die Konzession zu entziehen.

Als Journalisten und Publizisten unabhängiger Medien in Polen protestieren wir gegen derlei Handlungen der Behörden. Wir weisen zudem darauf hin, dass die Partei, die seit drei Jahren in unserem Land regiert, freie Medien als Feinde betrachtet, sie bekämpft und sich ihnen gegenüber unwahrer und verleumderischer Argumente bedient. Journalisten, die in Redaktionen ausländischer Eigentümer tätig sind, werden als Diener fremder Interessen gebrandmarkt.

Die Unabhängigkeit der Medien ist eine der Garantien für die Qualität eines demokratischen Systems. Ohne freie Medien ist der Journalismus lediglich ein verlängerter Arm der Propaganda.

Wir werden auf jede Beschränkung der Freiheit des Wortes reagieren. Wir rufen die Politiker dazu auf, sich den schädlichen und diskriminierenden Praktiken zu widersetzen. Wir rufen die Journalisten zur Solidarität auf angesichts der Repressionen. Freie Medien sind eine der allerwichtigsten Errungenschaften des unabhängigen Polen. Wir erlauben keiner Macht, sie zu vernichten.

Quelle: List otwarty w obronie dziennikarzy: „Bez wolnych mediów dziennikarstwo jest tylko przedłużeniem propagandy“ (Offener Brief zur Verteidigung eines Journalisten: „Ohne freie Medien ist die Journalistik nur die Verlängerung der Propaganda“.), Gazeta Wyborzca v. 25. 11. 2018.

 
 
 

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