Dokument der Polnischen Bischofskonferenz zum sexuellen Missbrauch durch Priester
Am 19. November verabschiedete die Konferenz des Polnischen Episkopats ihre „Stellungnahme zum sexuellen Missbrauch minderjähriger Personen durch manche Geistliche“. Das Dokument umfasst 6 Punkte, auf die Im Folgenden kurz eingegangen werden soll.
Schutz von Kindern und Jugendlichen – ein unveräußerlicher Teil der der Kirche anvertrauten Mission
Das Dokument nimmt einleitend Bezug auf die weltweit bekannt gewordenen klerikalen Missbrauchsfälle. Sie seien bereits in der Vergangenheit von Johannes Pauk II., Benedikt XVI. und – auf besondere Weise – von Papst Franziskus beklagt worden. Erforderlich sei ein entschiedenes Engagement, um in Zukunft derlei Fälle möglichst zu verhindern. „In diesem Geist will die Kirche in Polen immer wirksamer handeln, damit die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen, entsprechend dem Willen des Herrn, für alle Gruppen und Familien Priorität erhält.“
Wir haben den entschlossenen Willen zur Reinigung von Sünde und Verbrechen des Missbrauchs
Auch Polens Kirche sei vom sexuellen Missbrauch durch Priester betroffen. „Um die Ursachen dieser Taten gut zu erkennen und ihr Ausmaß einzuschätzen, begannen wir mit der Sammlung der erforderlichen Daten.“
Wenngleich sexueller Missbrauch auch sonst vorkomme, so sei er doch ein besonderes Ärgernis, wenn er durch Priester geschehe. Die Bischöfe betonen die besondere Schwere dieser Schuld und zitieren in diesem Zusammenhang Mt 18, 6-7, wonach es besser sei, einen solchen Täter „mit einem Mühlstein um den Hals in der Tiefe des Meeres zu versenken.“
Angesichts der Missbrauchsfälle in ihrer Kirche bitten die Bischöfe Gott sowie die Opfer und ihre Familien um Vergebung.
Die Schaffung einer sicheren Umwelt für Kinder und Jugendliche
Die Bischöfe erklären sich bereit, die inzwischen geltenden strengen Auflagen zu erfüllen und Missbrauchsfälle dem Apostolischen Stuhl sowie der Staatsanwaltschaft zu melden. Sie verweisen darauf, dass sie seit fünf Jahren Anstrengungen unternehmen, den sexuellen Missbrauch durch Priester möglichst zu verhindern. Sie hätten dazu 2014 ein „Zentrum zum Schutz von Kindern“ gegründet, das ermächtigt sei, Meldungen über sexuellen Missbrauch entgegen zu nehmen. Zudem soll den Opfern geholfen werden, „psychologische, juristische und pastorale Unterstützung zu erhalten.“ Seit Jahren würden durch den vom Episkopat berufenen „Koordinator zum Schutz von Kindern“ Schulungen für Priester, Ordensleute und Seminaristen durchgeführt, um „allmählich, aber wirksam einen Wandel der Haltung und des Bewusstsein herbeizuführen.“
Wir rufen auf zum Handeln, zum Gebet und zur Buße
Die Bischöfe sprechen sich dafür aus, alle Anstrengungen zu bündeln, „um all die Faktoren, die das Verbrechen begünstigen, zu erkennen und auszuschließen.“ Die Kirche möchte sich dadurch als „Pionierin der Prävention“ erweisen. Die Bischofskonferenz erklärt den ersten Freitag der Fastenzeit in Hinblick auf die Missbrauchsfälle in der Kirche zu einem besonderen Gebets- und Bußtag.
Ein Wort an die Täter
„Wir sagen euch offen, dass ihr unschuldige junge Menschen sowie deren Familien, die das Vertrauen auf euch gesetzt haben, verraten habt. Ihr habt die Achtung durch die Gesellschaft verloren und über eure Mitbrüder Schmach und Schande gebracht.“ Die Täter sollen sich zu ihren Taten bekennen, Buße tun, den Auflagen der Gerechtigkeit nachkommen, doch bei all dem „nicht die Hoffnung auf die göttliche Barmherzigkeit verlieren.“
Die Bischöfe beenden ihre Stellungnahme mit der Anrufung der Fürbitte Mariens in den von ihnen formulierten Anliegen.
Diese Stellungnahme war seit langem erwartet worden. Die Frage ist allerdings, ob Polens Bischöfe mit diesem Dokument der durch die Häufung klerikaler Missbrauchsfälle ausgelösten kirchlichen Krise gerecht geworden sind. Erste Zweifel wurden unmittelbar nach der Veröffentlichung des Textes laut. So hält der Exjesuit und jetzige Professor an der Warschauer Universität Stanisław Obirek das Dokument für „zu spät, zu schwach und zu wenig“.
Einleitend beanstandet er die, ganz im Unterschied zu Papst Franziskus, von den Bischöfen für ihre Stellungnahme gewählte „rein religiöse Sprache“ als unangemessen und nicht überzeugend.“ Dem Dokument sei im Übrigen anzumerken, dass es aus der Notwendigkeit resultiere, „die unterschiedlichen und häufig voneinander abweichenden Standpunkte der Bischöfe zu verbinden.“
Die Stellungnahme komme zu spät. Sie sei erst unter dem Druck der Äußerungen von Papst Franziskus und der Diskussion in der polnischen Öffentlichkeit, zumal nach dem Film „Kler“, verabschiedet worden.
Im Vergleich zu dem, was Papst Franziskus zu den Missbrauchsfällen sage und wie westliche Kirchen auf diesen kirchlichen Skandal reagieren, sei dieses Dokument reichlich schwach. In der Weltkirche habe man bereits seit geraumer Zeit die schuldig gewordenen Priester zur Verantwortung gezogen. Auch zahle die kirchliche Institution für das Kindern und Jugendlichen zugefügte Unrecht, was in Polen bislang nicht der Fall sei. Es sei einfach zu wenig, was das Dokument an Inhalt biete. Dies betreffe vor allem das Fehlverhalten der Bischöfe, die lange Zeit Missbrauchsfälle vertuscht und die Täter in der Soutane lediglich versetzt hätten, die dann an den neuen Orten erneut schuldig wurden. Davon findet sich in dem Text kein Wort des Eingeständnisses und der Entschuldigung. Es reiche auch nicht, wenn die Bischöfe sich zu einer „Null-Toleranz“ bekennen, gleichzeitig aber „Journalisten, Juristen und Opfern von Pädophilie seit Jahren“ Informationen zu den Missbrauchsfällen vorenthalten. Auch seien die Versäumnisse der Vergangenheit bis heute nicht aufgearbeitet worden, zu denen u. a. die Rolle des Krakauer Kardinals Stanisław Dziwisz zähle, der als Sekretär von Johannes Paul II. im Vertuschen von derlei Fällen kaum zu überbieten sei.
Obirek schließt seine Kritik mit der Bemerkung, dass Polens Kirche, die für sich in Anspruch nehme, „für das zunehmend säkularisierte Europa eine inspirierende Rolle zu spielen“, damit zunehmend Schwierigkeiten bekomme. „Polen hörte auf, das Land des heiligen Johannes Paul II. zu sein, und es wurde zu einem Symbol mangelnder Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs von Klerikern. Die Bischöfe spielen in diesem neuen Bild eine Schlüsselrolle. Man soll sich daher nicht wundern, dass ihre Glaubwürdigkeit sich dem Nullpunkt naht.“
Quelle: Stanisław Obirek, Polscy biskupi w sprawie pedofilii – za póżno, za słabo, za mało (Polnische Bischöfe in der Sache der Pädophilie – zu spät, zu schwach, zu wenig), Gazeta Wyborzca v. 04. 12. 2018.