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Eine Wiederkehr des mittelalterlichen Antisemitismus

Eine Wiederkehr des mittelalterlichen Antisemitismus

Im Mittelalter waren Juden gut beraten, am Karfreitag ihr Haus nicht zu verlassen, war es doch an manchen Orten üblich, sie an diesem Tag unter Schlägen durch die Straßen zu jagen als Vergeltung für den angeblichen „Gottesmord“ der Kreuzigung Jesu und den Verrat des Judas, über den man, symbolisiert durch eine Puppe, Gericht hielt.

Diese mittelalterliche Tradition wurde in dem südostpolnischen Städtchen Pruchnik neu belebt. Eine mit der Aufschrift „Judas 2019. Verräter“ versehene Puppe hing in der zum Markt und zur Kirche führenden Hauptstraße, die den Namen von Johannes Paul II. trägt, der in seinem Pontifikat den Antisemitismus ausdrücklich als Sünde verurteilt hat. Um 15.00 Uhr, zur Todesstunde Jesu, als in der Kirche die Liturgie ihren Anfang nahm, wurde sie abgehängt und zum Kirchenvorplatz geschleift, wo über sie Gericht gehalten wurde. Es gab 30 Anklagen, versehen mit jeweils 30 Schlägen in Erinnerung an die 30 Silberlinge des Judaslohns. Die Erwachsenen stachelten die Kinder an, heftig auf die Puppe einzuschlagen, ihr in den Bauch zu treten. „Nun fünf Extraschläge dafür, dass sie von Polen Entschädigung fordern“, war aus der Menge zu hören, die sich an diesem Ort zahlreicher versammelt hatte als zur Liturgie in der Kirche.

Nach diesem „Gericht“ wurde die Puppe zum nahen Fluss geschleift, dort enthauptet und der abgeschlagen Kopf in einen Korb gelegt, um ihn für das nächste Jahr aufzubewahren. Man riss den Corpus aus Stroh auseinander, entzündete die Teile und warf sie brennend in den Fluss.

Bilder von diesem antisemitischen Schauspiel sind im Internet verbreitet. Das Echo in den sozialen Medien ist enorm. Es gibt reichliche Stimmen der Empörung, aber auch Beifall aus nationalistischen Kreisen.

Die bischöfliche Kurie, die vor 10 Jahren diese Aktion verboten hatte, verurteilte sie durch ihren Pressesprecher, der ein baldiges Kommuniqué zu diesen Vorgängen in Aussicht stellte. Zu Wort meldete sich auch der Jüdische Weltkongress. Er zeigte sich „über diese schreckliche Wiederkehr des mittelalterlichen Antisemitismus beunruhigt, der zu unvorstellbaren Gewalttaten und Leiden geführt hat.“ Er drückte die Hoffnung aus, „dass die Kirche und andere Institutionen alles tun werden, was in ihrer Macht steht, um diesen schrecklichen Aberglauben zu überwinden, der den guten Namen Polens befleckt.“

Quelle: Estera Flieger, Bicie Judasza w Prudniku (Judasschlagen in Prudnik), Gazeta Wyborzca v. 25. 04. 2019.

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