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Was zwei polnische Bischöfe in der Karwoche predigten

  • Theo Mechtenberg
  • 3. Mai 2019
  • 4 Min. Lesezeit

In einem Interview wurde der emeritierte Oppelner Bischof Alfons Nossol kürzlich gefragt, was er von den Ausführungen seiner bischöflichen Amtsbrüder Gądecki und Jędraszewski während der den kirchlichen Missbrauchsfällen gewidmeten Bischofskonferenz halte. Diese hatten nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Kirche für Irritation, ja für Empörung gesorgt. Nossols Antwort: Er kommentiere nicht die Aussagen anderer Bischöfe. Aus seinen Worten lässt sich folgern, dass er die Aussagen des Vorsitzenden der Bischofskonferenz und seines Stellvertreters zwar nicht teilt, dies aber um der Einheit des Episkopats willen nicht zum Ausdruck bringt. Diese Praxis ist in Polens Kirche allgemeine Regel, und dies mit der Konsequenz, dass die Anstoß erregenden Ausführungen einzelner Bischöfe unbeanstandet bleiben, aber – von den Medien aufgegriffen – ein negatives Bild von Polens katholischer Kirche vermitteln.

Neben dem Krakauer Erzbischof Jędraszewski sind es vor allem zwei Namen, die in diesem Zusammenhang immer wieder begegnen, der des Schweidnitzer, mit „Radio Maryja“ eng verbundenen Bischofs Ignacy Dec und der des Bischofs Andrzej Jeż, Ordinarius der Diözese Tarnów.

Am Palmsonntag erinnerte Bischof Dec zunächst an die Zeit des Kommunismus: „Einst wehte zu uns herüber der feindliche Wind des Ostens. Er bescherte uns die utopische, marxistische Ideologie samt ihrer Praxis, die über uns in Polen so viel Unglück brachte.“ Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Deportationen nach Sibirien, auf die dort an Hunger und Kälte Umgekommenen, auf die Massenmorde von Katyń und anderen Orten. „Doch diese Ideologie erfuhr vor unseren Augen ihre Niederlage. Aber der Teufel gibt sich leider nicht geschlagen.“

Der Teufel führe jetzt einen neuen Kampf aus dem Westen, und dies in einer neuen Umwandung des Marxismus: „Er bringt uns die Gender-Ideologie und damit die Sexualisierung von Kindern. Einzelne Länder tendieren zu einer Legalisierung von Abtreibung, Euthanasie und Homoehen. All dies missfällt dem Herrgott.“

In seiner Gründonnerstagspredigt bemühte Bischof Dec die kirchliche Statistik. In seiner Diözese würden nur 30% der Gläubigen den sonntäglichen Gottesdienst besuchen; in manchen Orten, so in Waldenburg, seien es lediglich 10%. In Niederschlesien spüre man somit besonders die Nähe zum Westen, von wo für Polens Kirche Gefahr drohe, denn im Osten Polens würden sich immerhin bis zu 70% die Pfarrangehörigen sonntags auf den Weg zur Kirche machen. Und er attackierte in diesem Kontext den zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgesetzten Lehrerstreik, den er offenbar auf den schlechten Einfluss des Westens zurückführt Er unterstellte den Streikenden mangelndes Berufsethos. Ihnen ginge es um ihre eigene Sache und nicht – wie Janusz Korzak, der gemeinsam mit den ihm anvertrauten Kindern in die Gaskammer ging – um die der Kinder.

Der Teufel führe jetzt einen neuen Kampf aus dem Westen, und dies in einer neuen Gewandung des Marxismus: „Er bringt uns die Gender-Ideologie und damit die Sexualisierung von Kindern. Einzelne Länder tendieren zu einer Legalisierung von Abtreibung, Euthanasie und Homoehen. All dies missfällt dem Herrgott.“

In Übereinstimmung mit dem Krakauer Kardinal Stanisław Dziwisz sieht Dec im Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame ein „Symbol des brennenden Europa“, eine Warnung speziell an Frankreich, einst die „erste Tochter der Kirche“, wo heute nur noch 5 – 6% Katholiken ihren Glauben praktizieren würden. Und an die Politiker gewandt verstieg er sich zu der unerhörten Behauptung: „Die Führer der Europäischen Union verachten die christlichen Werte; sie möchten Christus marginalisieren, wenn nicht gar auf den Misthaufen der Geschichte werfen.“

Auf andere Weise sorgte Bischof Andrzej Jeż, Ordinarius der Diözese Tarnów, für öffentliches Aufsehen. In Anwesenheit etlicher anderer Bischöfe sprach er in seiner Predigt während der Chrisammesse am Gründonnerstag in der mit Priestern und Ordensleuten dicht gefüllten Kathedrale von einer „gewissen Nation“, hob dabei zum Zeichen des Einverständnisses mit seinen Hörern lächelnd den Blick und zitierte ohne Angabe der Quelle aus einem antisemitischen, 1937 im diözesanen Kirchenblatt „Nasza Sprawa“ (Unsere Sache) erschienenen Beitrag: „Unser natürlicher Feind ist die katholische Kirche. Daher müssen wir über diesen verfluchten Baum den Geist des Unfriedens, des Unglaubens, der Amoralität und jeglichen Schmutzes ausgießen. Wir müssen zum Kampf der verschiedenen christlichen Bekenntnisse untereinander anstacheln. In erster Linie müssen wir an allen Fronten einen unerbittlichen Kampf gegen die katholischen Priester beginnen. Wir müssen ihnen Heuchelei und Hass andichten, müssen aus ihrem Privatleben Skandale fabrizieren, damit man sie hasst und in den Augen aller lächerlich macht. Weiter müssen wir die Schulen beherrschen; die christliche Religion muss aus ihr verschwinden. Wir müssen die Unauflöslichkeit der Ehe beseitigen und überall die Zivilehe einführen. Schließlich müssen wir unsere Presse stärken, dann wird unsere Macht gefestigt und gesichert sein.“

Ein ungeheuerlicher Vorgang! Abgesehen davon, dass dieser einem Rabbi auf dem Lemberger Zionistenkongress von 1911 zugeschriebene Text längst als Fälschung erwiesen wurde, was wohl auch Bischof Jeż bekannt sein dürfte, fragt man sich, warum er ausgerechnet dieses antisemitische Zitat bemüht, um seinen Zuhörern das auch sonst von Bischöfen verbreitete Bild einer von Feinden bedrohten kirchlichen Festung zu vermitteln. Darauf hätte man von ihm gerne eine Antwort. Glaubt er allen Ernstes, dass es vor allem Juden sind, die gegen Polens Kirche ihren Kampf führen? Wie kann er es wagen, nach dem Holocaust den Antisemitismus der 1930er Jahre zu beschwören, als sei er damals wie heute in gleicher Weise aktuell? Man sollte doch annehmen, dass ihm als Bischof die mit dem Zweiten Vatikanum und „Nostra Aetate“ vollzogene Kehrtwende in der Einstellung zum Judentum nicht unbekannt ist, auch nicht, dass es der „polnische“ Papst Johannes Paul II. war, der Antisemitismus ausdrücklich als „Sünde“ verurteilt hat. Warum ist eingedenk all dessen niemand in der Kathedrale aufgestanden und hat den Bischof zurechtgewiesen? Warum gab es kein Murren in den Reihen der Priester? Warum verließ niemand bei seinen Worten die Kathedrale?

Einen Gerechten gab es, den Franziskanerpater Dostani, der in der „Gazeta Wyborza“ schrieb: „Seit 35 Jahren im Dialog mit anderen Religionen engagiert möchte ich Bischof Andrzej Jeż bitten, sich von diesem unglücklichen Zitat in seiner Predigt zu distanzieren.“ In einer Kirchenzeitung hätte er diesen Satz kaum publizieren können, und dass Bischof Jeż seiner Bitte entsprechen wird, muss wohl leider ein frommer Wunsch bleiben.

Quelle: Agnieska Dobkiewicz, Biskup Dec znowu obraża z ambony „Zło idzie z Zachodu, przynocząc seksualizację dzieci, zwiąski patnerski i gender (Bischof Dec beleidigt erneut von der Kanzel: „Das Böse kommt aus dem Westen und bringt uns die Sexualisierung von Kindern, Homoehen und Gender), Gazeta Wyborza v. 20. 04. 2019; Tomasz Dostatni OP, O. Dostatni: Proszę biskupa Jeża, by odciał się od antysemickiego cytatu ze swojej homilii (P. Dostatni: Ich bitte Bischof Jeż, sich von dem antisemitischen Zitat in seiner Predigt zu distanzieren) Gaseta Wyborza v. 28. 04. 2019.

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