top of page

Innerkirchliche Putschversuche gegen Papst Franziskus

Dass es einflussreiche gegen Papst Franziskus opponierende innerkirchliche Kräfte gibt, ist weithin bekannt. Zur Erinnerung: Erster Widerstand regte sich aufgrund des am 19. März 2016 veröffentlichten Apostolischen Schreibens „Amoris Laetitia“, das den bislang strikt ausgeschlossenen Kommunionempfang geschiedener und wiederverheirateter Katholiken in Erwägung zieht. In ihrem an den Papst gerichteten Dubia-Brief meldeten sich daraufhin die Kardinäle Walter Brandmüller und Raymond Leo Burke sowie die inzwischen verstorbenen Purpurträger Carlo Caffara und Joachim Meisner zu Wort. Sie formulierten darin ihre Zweifel und verlangten vom Papst Klarstellung. Als dessen Antwort ausblieb, entschloss sich Wortführer Burke im Dezember 2016 zu einer formellen „brüderlichen Ermahnung“ des Papstes. Seine Initiative wurde am 24. September 2017 mit der Veröffentlichung einer „Correctio Filialis“, einer Zurechtweisung wegen Verbreitung von Häresien, wie es im Titel heißt, von 40 rechtskatholischen Erstunterzeichnern unterstützt. Sie benennen sieben in „Amoris Laetitia“ vom Papst vertretene Positionen zur Ehe, zum moralischen Leben sowie zum Empfang der Sakramente und sehen darin eine Verbreitung häretischer Meinungen. Zum Jahresende 2017 betonten sieben Bischöfe mit der von ihnen verfassten „Confessio“ die Unabänderlichkeit der Glaubenswahrheiten bezüglich der sakramentalen Ehe. Verschärft wurde der Konflikt durch die am 7. April 2018 in Rom abgehaltene internationale Tagung „Katholische Kirche, quo vadis?“, an der u. a. die Kardinäle Brandmüller und Burke teilnahmen und auf der die Möglichkeit einer kanonischen Amtsenthebung des Papstes erwogen wurde.

Zu einer direkten Attacke auf Papst Franziskus kam es am 20. August 2018, als ihn der ehemalige Washingtoner Nuntius, Erzbischof Carl Maria Vigano, Unterzeichner der „Confessio“ und Teilnehmer der römischen Tagung, der Heuchelei beschuldigte und zum Rücktritt aufforderte. Er erhob gegenüber dem Papst den Vorwurf, von den sexuellen Vergehen des New Yorker Erzbischofs und späteren Kardinals Theodore McCarrick gewusst und nichts unternommen zu haben, wobei Vigano suggerierte, der Papst habe McCarrick aus Dankbarkeit geschont, weil dieser aktiv für seine Wahl geworben habe. Den vorläufigen Endpunkt dieses innerkirchlichen Putsches setzte Kardinal Gerhard Müller, der frühere Vorsitzende der Glaubenskongregation, mit seinem am 6. Februar 2019 veröffentlichten „Glaubensmanifest“. Darin heißt es: Glaubenswahrheiten zu verschweigen, u. a. die kirchliche Lehre von der Sakramentalität der Ehe, und die Menschen entsprechend zu lehren, sei der „schlimmste Betrug“ und führe „den Menschen zu einem religiösen Lügenwahn“. Es sei dies der „Betrug des Antichrists“. Auch wenn Papst Franziskus in diesem „Glaubensmanifest“ nicht namentlich erwähnt wird, so lässt sich doch, entsprechend der Intention des „Manifestes“, die Aussage vom „Antichristen – im Übrigen ganz im Sinne Luthers – auf den Papst beziehen.

Viganos fehlgeschlagene Attacke

Besonders der gezielte Angriff von Erzbischof Vigano konnte dem Papst gefährlich werden. Papst Franziskus in einer Phase als Heuchler bloßzustellen, in der die kirchlichen Missbrauchsfälle im Zentrum des öffentlichen Interesses standen, in der er Bischöfe, die sie vertuscht hatten, ihres Amtes enthob, dieser Vorwurf war in der Tat geeignet, Papst Franziskus zum Amtsverzicht zu nötigen. Zudem hatte Vigano seinen Brief zeitlich gut kalkuliert veröffentlicht, nämlich am Tag des Rückflugs des Papstes von seiner Irlandreise, die wesentlich von den dort enthüllten Missbrauchsfällen bestimmt war. Publiziert wurde er im Übrigen in fünf internationalen Medien, womit ihm eine große Breitenwirkung zukam.

Papst Franziskus reagierte auf diese Attacke nicht. Als ihn auf dem Rückflug von Dublin Journalisten auf die von Erzbischof Vigano erhobenen Vorwürfe ansprachen, sagte er ihnen, sie sollten versuchen, die Wahrheit herauszufinden. Es waren schließlich zwei italienische Journalisten, Gianni Valente und Andrea Tornielli, die sich dieser Aufgabe annahmen. Letzterer gilt als einer der besten Vatikankenner und ist gegenwärtig beim Apostolischen Stuhl für die Informationspolitik zuständig. In ihrem im November 2018 erschienenen Buch „Il Giorno del Giudizio“ (Der Tag des Gerichts) widerlegen sie auf knapp 300 Seiten anhand von Dokumenten und Zeugenaussagen die Anschuldigungen des ehemaligen Nuntius. Sie weisen ihm zahlreiche Manipulationen nach sowie die Auslassung wichtiger Fakten, die seiner These von einer päpstlichen Mitverantwortung an der Vertuschung von Missbrauchsfällen widersprechen. Und was den Fall McCarrick betrifft, konnten sie belegen, dass dieser nicht, wie Vigano behauptet, durch Papst Franziskus, sondern durch das Umfeld von Papst Johannes Paul II. geschützt worden war. Auch sei Viganos Behauptung falsch, Franziskus habe eine von Benedikt XVI. über Kardinal McCarrick verhängte Sanktion aufgehoben. Der deutsche Papst habe ihn lediglich „dringend gebeten“, seine öffentliche Tätigkeit einzuschränken und ein „Leben des Gebets und der Buße“ zu führen, eine Empfehlung, der der Kardinal in keiner Weise nachgekommen sei. Wahr sei vielmehr, dass es Papst Franziskus war, der McCarrick nicht nur die Kardinalswürde nahm, sondern ihm seiner sexuellen Vergehen wegen untersagte, die priesterliche Kleidung zu tragen und priesterliche Funktionen auszuüben. Der Vorstoß von Erzbischof Vigano bewirkte zwar ein kurzfristiges Rauschen im Blätterwald, doch heute beruft sich keiner mehr auf seine Argumente, was allerdings nicht bedeutet, dass der Kampf gegen Papst Franziskus ein Ende gefunden hat.

Das Wirken geheimer Kräfte

Valente und Tornelli spürten auch die geheimen Kräfte auf, deren Aktivitäten darauf gerichtet sind, das Reformprogram von Papst Franziskus zum Scheitern zu bringen. In ihren Recherchen befassten sich beide Journalisten ausführlich mit der amerikanischen Organisation „Better Church Governance“. Auf den ersten Blick erscheint sie des Lobes wert, bestimmt sie doch als ihr Hauptziel, die auf der kirchlichen Führungsebene herrschende Korruption zu bekämpfen sowie für Transparenz und Glaubwürdigkeit des kirchlichen Handelns zu sorgen. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es „Better Church Governance“ um anderes und um mehr geht. Seit Herbst 2018 ist diese von finanzkräftigen USA-Bürgern unterstützte Organisation darum bemüht, umfangreiche Daten über die das künftige Konklave bildenden Kardinäle zu sammeln und auszuwerten. 40 Spezialisten, darunter auch ehemalige Agenten des FBI, sind mit der Aufgabe befasst, das Leben von über 100 Kardinälen zu durchforsten, um etwaige Verwicklungen in Korruption und sexuelle Vergehen aufzudecken. Die Akteure verheimlichen nicht, dass sie sich zudem von der Wahlkampagne inspirieren lassen, der Donald Trump das Präsidentenamt verdankt. Die Methoden des politischen Marketing, die darauf abzielen, Wunschkandidaten ins beste Licht zu rücken und andere zu diskriminieren, werden auch von ihnen genutzt.

Diese Aktion von „Better Church Governance“ läuft unter Anspielung auf die Kardinalskäppi unter dem Namen „Red Hat Report“. Das Budget beträgt die hübsche Summe von 1,2 Milliarden Dollar. In Erwartung des nächsten Konklave soll diese Aktion im April 2020 abgeschlossen sein. Über die Absicht dieser gleichsam geheimdienstlichen Tätigkeit kann nach Aussage des Exekutivdirektors von „Red Hat Report“ kein Zweifel bestehen: „Hätten wir 2013 über einen solchen Rapport verfügt, gäbe es heute keinen Papst Franziskus.“

Der Einfluss von Timothy Bush

Wer steht hinter „Better Church Governance“ und „Red Hat Report“? Nach Angaben von Valente führt die Spur zu Firmen und Organisationen, in deren Vorstand immer wieder der Name Timothy Bush begegnet. Als Jurist und Millionär ist er einer der führenden Vertreter der konservativen Bewegung amerikanischer Katholiken. Als Vorstandsmitglied des 1980 gegründeten Medienkonzerns EWTN verfügt er über einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung von rund 250 Millionen Katholiken weltweit. Nicht von Ungefähr erschien denn auch der Brief von Vigano in dem zum Konzern gehörenden „National Catholiic Register“.

Die von Timothy Bush und anderen finanzkräftigen amerikanischen Katholiken unterstützte konservative Bewegung verfolgt in Absetzung vom liberalen Protestantismus das Ziel, die amerikanische Rechte zu stärken. In diesem Sinn schrieb 1987 der inoffizielle geistliche Vater von Präsident George W. Bush: „Die traditionellen Werte unterliegen der Erosion. Einzig der Katholizismus kann die Rolle des idealen Wegweisers der Nation und Führungsmacht der westlichen Welt übernehmen.“

Eine spezielle „politische Theologie“

Zu den von Timothy Bush unterstützten Initiativen gehört auch das Institut NAPA, das einmal im Jahr für betuchte Katholiken eine Tagung „zur Verkündigung des Glaubens, der katholischen Sozialethik sowie des Kampfes gegen die Säkularisierung“ durchführt. Im Vorjahr stand diese Konferenz im Zeichen einer „authentischen Reform der Kirche“ – im Gegensatz zu den Reformbemühungen von Papst Franziskus. An ihr nahm auch Kardinal Müller teil, der Verfasser des „Glaubensmanifestes“. Neben einer stark traditionell geprägten Einstellung in Glaubensfragen vertritt diese konservative Bewegung eine spezielle sozialpolitische Theologie, gleichsam eine Symbiose von Kapitalismus und Christentum. Ihr Vorbild und Gewährsmann ist Papst Johannes Paul II. Schließlich war es der polmische Papst, dem ein entscheidender Anteil an der Überwindung des Kommunismus und des Sieges der freien Marktwirtschaft über die sozialistische Planwirtschaft zukommt. Seine antikommunistische Grundhaltung bestimmte zudem die Verurteilung der antikapitalistischen, der „Option für die Armen“ verpflichteten südamerikanischen Befreiungstheologie. In seiner Enzyklika „Centesimus annus“ sehen diese Kreise geradezu das Manifest eines christlich geprägten Kapitalismus. In ihr spricht sich Johannes Paul II. in der Tat sehr positiv über die „freie Marktwirtschaft“ aus, die „die materielle Befriedigung des Menschen“ gewährleistet, wobei – nicht wie im Kommunismus – „geistige Werte […] außer acht gelassen werden“. (19) Auch der „Kapitalismus“ als solcher findet eine positive Wertung, insofern er „ein Wirtschaftssystem bezeichnet, das die grundlegende und positive Rolle des Unternehmens, des Marktes, des Privateigentums und der daraus folgenden Verantwortung für die Produktionsmittel, der freien Kreativität des Menschen im Bereich der Wirtschaft anerkennt.“ (42) Doch übersehen wird dabei von den konservativen amerikanischen Katholiken die in „Centesimus annus“ ebenso klar zum Ausdruck gebrachte Ambivalenz des Kapitalismus: „Es besteht die Gefahr, daß sich eine radikal kapitalistische Ideologie breitmacht, die es ablehnt, sie auch nur zu erwägen […] (42)

Papst Franziskus ist mit seiner Kapitalismuskritik um vieles radikaler. So heißt es in „Evangelii gaudium“: „Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht. Das ist Ausschließung. […] Mit der Ausschließung ist die Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in der man lebt, an ihrer Wurzel getroffen, denn durch sie befindet man sich nicht in der Unterschicht, am Rande oder gehört zu den Machtlosen, sondern man steht draußen. Die Ausgeschlossenen sind nicht „Ausgebeutete“, sondern Müll, „Abfall“. (53) Für Papst Franziskus ist die Option für die Armen nicht nur eine Aufforderung zu mildtätigen, von jenen konservativen und begüterten Kreisen tatkräftig unterstützten Werken der Barmherzigkeit, sie ist eine Herausforderung zu einer strukturellen sozialen Gerechtigkeit, und die berührt ihre Interessen.

Die Bedeutung des nächsten Konklave

Jedes Konklave ist für die Kirche von großer Bedeutung. Der Augenblick, an dem weißer Rauch aus dem vatikanischen Schornstein aufsteigt und wenig später vom Balkon aus der Name des neuen Papstes den auf dem Petersplatz wartenden Massen verkündet wird und dieser selbst im weißen Gewand erscheint, dieser Moment entscheidet über die weitere Entwicklung der Kirche. Lange Zeit standen die Papstwahlen im Zeichen der Kontinuität, doch mit der Wahl Johannes XXIII. begann eine kirchengeschichtliche Phase spannungsreicher Umbrüche. Wie es scheint, hat der Kampf um die Nachfolge von Papst Franziskus bereits begonnen. Die konservativen, rechtskatholischen Kräfte haben sich jedenfalls bereits in Stellung gebracht. Noch hat es Papst Franziskus in der Hand, ihre Absichten zu durchkreuzen, indem er – gegen seine Ankündigung – nicht vorzeitig aus dem Amt scheidet und mit der Wahl neuer, seine Reformbemühungen unterstützenden Kardinäle dafür sorgt, dass die Pläne von „Better Church Governance“ und „Red Hat Report“ vereitelt werden.

Quelle: Edward Augustyn, Wojna hybrydowa w kościele (Hybride Kriegführung in der Kirche), Tygodnik Powszechny v. 13. 03. 2019, S. 34-37.

Erstveröffentlichung; imprimatur 2019

Follow Us
  • Twitter Basic Black
  • Facebook Basic Black
  • Black Google+ Icon
Recent Posts
bottom of page