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Krakau – Stadt der Touristen

Krakau, die alte Königsstadt, ist seit Jahren ein Magnet, der wie Venedig und Barcelona die Touristen aus aller Welt anzieht. Jahr für Jahr beherbergt die Stadt 13 Millionen Gäste, davon drei Millionen aus dem Ausland. Für die Stadt ein gutes Geschäft, übersteigen doch die Einnahmen aus der Touristik in Höhe von 25,5 Milliarden Zł. das der öffentlichen Hand zur Verfügung stehende Budget. Auch der Arbeitsmarkt profitiert von den Besuchern, sind doch 10% der Arbeitsplätze von der Touristik abhängig. Daten, aus denen man schließen könnte, dass die Krakauer mit freudigem Herzen die vielen Touristen willkommen heißen.

Und doch sieht die Wirklichkeit anders aus. Ein Witz, der unter Krakauern die Runde macht, verdeutlicht dies: Wie jeder Krakaubesucher weiß, erklingt um 12.00 Uhr vom Turm der Marienkirche der so genannte hejnał, eine plötzlich abbrechende Melodie eines Trompeters. Der Legende nach eine Erinnerung an den Tatareneinfall im 13. Jahrhundert, als der Türmer die Stadt warnte, und vom Pfeil eines Angreifers getroffen die Melodie des Signals plötzlich abbrach. Doch wem gilt heute die Warnung? Das dritte Warnsignal in Richtung Bahnhof gelte dem Ansturm der Touristen.

Mit dem späten Vormittag ist zwar nicht die ganze Stadt in ihren Händen, wohl aber die Altstadt, zumal der Rynek, der größte mittelalterliche Marktplatz in Europa mit seinen sich lang hinstreckenden Tuchhallen, wo sich heute kleine Geschäfte und Cafés aneinander reihen. Die polnischen Bewohner rings um den Rynek haben längt das Feld geräumt. Vor einem Jahrzehnt zählte die Altstadt noch 50 000 Einwohner, heute sind es nur noch 34 000. 16 000 von ihnen, die vor allem die stattlichen Wohnbauten am Rande des Rynek bewohnten, wurden von den Touristen „vertrieben“.

Eine junge Krakauerin spricht in diesem Zusammenhang von einer „historischen Prostitution“: „Wir nehmen unsere Denkmäler, unsere stattlichen Wohnhäuser, unser Erbe und verkaufen all das der Welt. Und wir halten dies für gut, denn es macht sich bezahlt. Doch manchmal sollte man sich vor Augen halten, was wir dabei verlieren.“

Ein Krakauer, der jahrelang ein Hotel geleitet hat, sagt: „Ich wohnte mit meiner Frau direkt am Rynek. Doch das Leben dort war 2014 unerträglich geworden. Als letzte verließen wir das Haus, in dem früher recht liebe Leute wohnten. Als letzte löschten wir das Licht.“ Der Grund – der Ansturm der Touristen. Wohnungen wurden an sie vermietet, und mit den sie belegenden Touristen kamen Chaos, Schmutz, Sauferei, Gegröle.“

Wird Krakau das Schicksal Venedigs und Barcelonas teilen, wo Bürgerbewegungen sich gegen den Touristenansturm wehren? Wo an den Mauern zu lesen ist: ‚Touristen geht nach Hause‘. Noch ist es nicht so weit. Noch ist es eine verschwindende Minderheit, die unter den Touristen zu leiden hat. Noch überwiegen die Vorteile, zumal die Krakau nahe Region, die Tatra und die eindrucksvollen Kunstwerde des Salzbergwerks in Wieliczka, gleichfalls Touristen anlocken.

Quelle: Krzysztof Story, Trzeci hejnał (Das dritte Signal), in: Kraków. Antropologia dziedzictwa (Antropologie des Erbes), Tygodnik Powszechny, dodatek specjalny (Sonderbeilage) v. 14. 07. 2019, S. 37-39.

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