Massive Vorwürfe gegen den Danziger Erzbischof Głódź
- Theo Mechtenberg
- 4. Nov. 2019
- 6 Min. Lesezeit
Im Oktober lief in der Reihe „Schwarz auf Weiß“ des unabhängigen Fernsehsenders TVN24 eine dem Danziger Metropoliten Sławoj Leszek Głódź gewidmete Dokumentation. Sie vermittelt von ihm das Bild eines seines Amtes unwürdigen Bischofs. Priester kamen zu Wort, allerdings wohl aus Angst bis auf einen an der Wahrschauer Stefan-Wyszyński-Universität lehrenden Theologieprofessor anonym, dazu solche, die ihr Priestertum aufgegeben haben. Sie berichteten von ihren persönlichen Erfahrungen mit dem Erzbischof. Bei einem Pfarrer stieg nach einer Begegnung mit ihm der Blutdruck auf 200. Seine innere Verfassung beschrieb er mit den Sätzen: „Vielen Menschen habe ich im Beichtstuhl zu einer Therapie geraten; am Ende war ich nahe daran, mich einer Therapie zu unterziehen, wurde ich doch von Selbstmordgedanken geplagt.“ Ein anderer Priester erklärte: „Demütigungen, öffentliche Erniedrigungen, das weckt Ängste. Und darauf versteht er sich bestens.“
Ein besonderer Fall ist der von dem Theologieprofessor bezeugte Fall des Bischofskaplans, der es gerade einmal sechs Wochen bei seinem Ordinarius aushielt. Ihn nötigte Erzbischof Głódź zu einem Eid, der das Versprechen enthielt, nichts nach außen zu tragen, was er in seiner Residenz zu sehen und zu hören bekomme. Und das war vor allem die Behandlung, die er von seinem Dienstherren zu ertragen hatte und die allen christlichen Grundsätzen und mitmenschlichen Umgangsformen Hohn sprach. War der Erzbischof, zu Recht oder zu Unrecht, mit seinem Kaplan unzufrieden, dann bedachte er ihn mit vulgären und obszönen Schimpfworten, die zu wiederholen der menschliche Anstand verbietet. So wurde er beispielweise einmal unmittelbar vor einem feierlichen Gottesdienst in der Sakristei in Anwesenheit anderer auf diese Weise übel beschimpft, weil der Erzbischof mit der Zubereitung des morgendlichen Frühstücks, auch dies gehörte zu den Aufgaben des Kaplans, unzufrieden war: „Nicht einmal ein Ei kannst du kochen, du…“
Der Tropfen, der für den Bischofskaplan das Fass zum Überlaufen brachte, fiel an einem Abend, als er wie gewöhnlich bei einem der üblichen Gelage den Tischdienst zu versehen hatte und vor den Gästen von Erzbischof Głódź gedemütigt wurde, woraufhin er stante pede die Residenz verließ und zu seinen Eltern zurückkehrte. Auf Drängen der Kurie war er indes bereit, mit einer anderen Aufgabe betraut, seinen priesterlichen Dienst auszuüben, stellte aber die Bedingung einer kurialen Anhörung. Die fand denn auch statt. Dabei zeigte es sich, dass der Kaplan über die erfahrenen Demütigungen Buch geführt hatte. Die las er nun den engeren Mitarbeitern des Erzbischofs unter Angabe des Datums und des Wortlauts der Beschimpfungen vor. Der Erzbischof schwieg dazu, und seine Mitarbeiter verließen schweigend und betroffen den Raum. Mit ihm nunmehr allein, hat der Kaplan als letztes diese Worte seines Erzbischofs in Erinnerung: „Sub secreto – du… du bist nichts wert, du Hohlkopf.“ Seitdem versieht der Kaplan seinen Dienst in einer der Danziger Pfarreien.
Bereits in der Vergangenheit Vorwürfen ausgesetzt
Głódź, der seit 2008 die Danziger Erzdiözese leitet, steht seit längerem in der Kritik. Dem früheren Militärbischof ging der Ruf eines autoritären Kirchenmanns voraus. Und der solle sich in Ausübung seines Danziger Hirtenamtes bestätigen. Zudem zählt er in Zusammenhang mit den klerikalen Missbrauchsfällen zu den polnischen Bischöfen, die schuldig gewordene Priester gedeckt haben und deren Abberufung in der öffentlichen Debatte, wenngleich vergeblich, gefordert wurde.
Erstmals hatte die Zeitschrift „Wprost“ 2013 unter dem Titel „Cäsar der Dreistadt“ die unwürdige Behandlung von Priestern durch den Danziger Metropoliten offengelegt. Im Untertitel hieß es fragend: „Schafft der neue Papst Ordnung in der polnischen Kirche?“ Im Text wird behauptet, es gäbe eine schwarze Liste mit Beschuldigungen gegen den Erzbischof. Die Angaben würden von anonymen Zeugen und Opfern stammen. Erzbischof Głódź wird als Alkoholiker beschrieben, der sich betrunken in der Öffentlichkeit zeige. Unter den angeführten Beispielen findet sich auch eine in dem Dokumentarfilm „Sag es nur keinem“ beschriebene Szene, wonach der Erzbischof zur nächtlichen Stunde seinen Kaplan geweckt und befohlen habe, ihm zur Erheiterung mit dem Akkordeon aufzuspielen.
Die sensationelle Aufmachung dieses Berichts und die Anführung etlicher nicht ausreichend beglaubigter Fakten waren wohl der Grund, dass er keine sonderliche Wirkung hervorrief. Zudem solidarisierten sich die engeren Mitarbeiter des Erzbischofs sowie 24 Dekane mit ihrem Dienstherren. Sie wandten sich gegen seine „Herabwürdigung“, betonten die von ihm vertretenen „patriotischen Werte“ und forderten einen „Widerruf der Beleidigungen, die die Würde kirchlicher Personen sowie die der kirchlichen Gemeinschaft verletzen.“
Geldgier und Lebensstil des Erzbischofs
Als besonders skandalös empfinden Priester und Gläubige die Geldgier und den pompösen Lebensstil des Danziger Metropoliten. Visitiert er eine Pfarrei, dann erwartet er, dass ihm ein – wie es unter Pfarrern heißt – „stehendes Kuvert“ überreicht wird, eines, das mit Banknoten so prall gefüllt ist, dass man es aufstellen kann. Äußert ertragreich sind für ihn die Firmungen. So sei es üblich, dem Erzbischof pro Firmling 50 Zł. auszuhändigen. In größeren Pfarreien mit beispielweise 150 Firmlingen kommt dann schon mal die hübsche Summe von 7 500 Zł. zusammen.
Dabei ist Erzbischof Głódź finanziell bestens abgesichert. Als ehemaliger Militärschof im Generalsrang erhält er monatlich 10 000 Zł.. Doch diese Summe reicht ihm nicht für seinen aufwändigen Lebensstil sowie für den Unterhalt einer bäuerlich geprägten, seiner Herkunft entsprechenden zweiten Residenz, in der er sich besonders wohl zu fühlen scheint. Dazu hat er auch noch ein Winterquartier in der Nähe von Białystok zur Verfügung, wo er die Tage zwischen Weihnachten und Epiphanie zu verbringen pflegt.
Doch damit nicht genug. Erzbischof Głódź steht zudem in Verdacht der Simonie. 20 000 – 50 000 Zł. sei der Kaufpreis für eine bessere, das heißt ertragreiche Pfarrei. So brüstete sich ein Neupriester damit, die Stelle in einem von finanzkräftigen Polen bevorzugten Ferienort verdanke er seiner Mutter, die dafür ein Stück Land verkauft habe.
Über all diese schwerwiegenden Vorwürfe wurden einige Bischöfe sowie der Nuntius bereits seit längerem in Kenntnis gesetzt, ohne dass etwas gegen den Danziger Metropoliten unternommen worden wäre.
Verstärkter Protest
Haben die gegenwärtigen Bemühungen, Erzbischof Głódź zum Amtsverzicht zu bewegen, Erfolg? 16 Priester bestätigten mit ihrem Namen gegenüber dem Nuntius und der Polnischen Bischofskonferenz die Glaubwürdigkeit der ausgestrahlten Dokumentation. Wie 2013 so reagierten auch diesmal die engsten Mitarbeiter des Erzbischofs „mit Empörung“ auf die gegen ihn erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe. Sie seien ein „Anschlag auf den Hirten der Erzdiözese und zugleich ein Angriff auf ihre Priester und Gläubigen.“ Angesichts der drückenden Beweislage ist diese Art der Solidarisierung wohl nur dadurch erklärbar, dass diese Prälaten im Falle einer Ablösung des Erzbischofs selbst um ihre Posten fürchten müssen, sind sie doch als seine Befehlsausführer selbst belastet, wie der Fall des inzwischen verstorbene Priesters Jan Kaczkowski zeigt (vgl. imprimatur 3/2019).
Nun wurden auch die Gläubigen aktiv. Unter dem Motto „Wir wollen unsere Kirche zurückhaben“ rief eine Gruppe Danziger Katholiken dazu auf, sich in der Mittagsstunde des 3. November vor der Kurie zu versammeln und den Amtsverzicht des Erzbischofs zu fordern. In dem Aufruf heißt es u.a.: „Wir fühlen uns durch die mehrfach in den Medien beschriebene Situation, durch die Art und Weise, wie unsere Erzdiözese geleitet wird, durch den Mangel an Fürsorge des Erzbischofs für die Priester sowie durch Fälle von Mobbing, durch den fehlenden Dialog und den Lebensstil des Erzbischofs beschämt.“
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, verfasste diese Gruppe einen Brief an Papst Franziskus, in dem die Unterzeichner betonen, nicht weiter schweigen zu können. „Seit längerer Zeit sind wir tief überzeugt, dass Erzbischof Sławoj Leszek Głódź, der Danziger Metropolit, die zur Erfüllung des Dienstes eines Diözesanbioschofs erforderliche Glaubwürdigkeit eingebüßt hat und den Gläubigen ein Ärgernis ist.“ Unter Hinweis auf Kanon 401 § 2 bitten die Briefschreiber den Papst, Erzbischof Głódź den Amtsverzicht dringend nahezulegen. Sie begründen ihre Bitte zudem damit, dass er der Pädophilie schuldig gewordene Priester über viele Jahre geschützt und auf entsprechende Mitteilungen nicht reagiert habe. Dass der Erzbischof nach Bekanntwerden der Vielzahl klerikaler Missbrauchsfälle keinerlei Bedauern zum Ausdruck brachte, habe unter Gläubigen „eine große Empörung hervorgerufen.“ Zudem zeigten sie sich über den herrschaftlichen Lebensstil des Erzbischofs verbittert. Beklagt wird von den Briefschreibern auch sein beleidigendes und unwürdiges Verhalten den ihm unterstellten Priestern wie den Laien gegenüber, das im deutlichen Widerspruch zu Kanon 378 stehe, der die für einen Bischof erforderlichen Eigenschaften definiert. Gegen Ende des Briefes heißt es: Wir sind tief überzeugt, dass eine weiterer Erfüllung der Amtspflichten der Danziger Metropole durch Erzbischof Sławoj Leszek Głódź dem Geist des Evangeliums widerspricht, der Kirche schadet und die Spaltung in der Danziger Kirche vertieft. Zudem ist dies eine Ursache für den Verzicht von Geistlichen auf ihr Priestertum, für das Ausscheiden von Gläubigen aus der kirchlichen Gemeinschaft sowie für die Marginalisierung der Kirche im gesellschaftlichen Leben.
Der Brief an Papst Franziskus wurde in Kopie dem Nuntius in Warschau, dem polnischen Primas, Erzbischof Wojciech Polak, sowie Erzbischof Głódź zur Kenntnisnahme zugestellt.
Ob all diese Aktionen die erhoffte Wirkung zeigen, ist eher fraglich. Aus der Zeit, als Głódź in Rom am Päpstlichen Orientalischen Institut promovierte und anschließend 10 Jahre Mitarbeiter der Kongregation für die orientalischen Bischöfe war, verfügt er über gute Kontakte zu heute einflussreichen Kardinälen, die ihn auch in seiner Danziger Residenz besucht haben. Zudem wird er am 13. August nächsten Jahren 75 Jahre alt und muss dann aus Altersgründen sein Rücktrittsgesuch einreichen. Auf diese Weise könnte der Danziger Metropolit in ein paar Monaten in allen Ehren und Würden in den Ruhestand verabschiedet werden.
Dorota Karaś, Księża potwierchają oskarżenia przeciwko abp. Głodzowi i piszą do nuncjusza (Priester bestätigen die Anschuldigungen gegen Erzbischof Głódź und schreiben an den Nuntius), Gazeta Wyborzca v. 29. 10. 2019; gesi, Przerażajscy obraz akp. S. L. Głodzia (Ein erschreckendes Bild von S. L. Głódź), ebd. v. 24. 10. 2019.
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