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Das Schweigen der Kirche

  • Theo Mechtenberg
  • 13. Feb. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Was in Zusammenhang mit den neuerlichen Gesetzen der Justizreform auffällt, ist das Schweigen der Kirche. Kein kritisches Wort des Vorsitzenden der Bischofskonferenz zu den Befugnissen der Disziplinarkammer, die eine existentielle Bedrohung von Richtern bedeuten, die unter Berufung auf geltendes EU-Recht von der Regierung erlassene Rechtsbestimmungen nicht anwenden wollen.

Man kann dieses Schweigen schwerlich als Ausdruck politischer Neutralität rechtfertigen. Abgesehen davon, dass Polens Bischöfe stets für sich in Anspruch genommen haben, zu wichtigen, die Gesellschaft betreffenden Fragen Stellung zu beziehen, gibt es bereits eine kirchliche Intervention bezüglich der die Rechtsstaatlichkeit aushebelnden Justizreform. Als im Juli 2017 die über eine absolute Mehrheit verfügenden PiS-Abgeordneten im Sejm Gesetze verabschiedeten, welche die Unabhängigkeit höchst richterlicher Instanzen wie Verfassungsgericht, Oberstes Gericht und Landesjustizrat faktisch außer Kraft setzten und im ganzen Land zahllose Menden aus Protest auf die Straße gingen, da erhoben gleich mehrere ranghohe kirchliche Vertreter warnend ihre Stimme. Die Bischofskonferenz appellierte durch ihren Sprecher „an sämtliche politische Gruppierungen, eine Verständigung anzustreben, die das Wohl Polens und seiner Bürger zum Ziel hat.“ Der Primas Polens, Erzbischof Wojciech Polak, forderte „einen auf den Fundamenten des Rechtsstaates basierenden Dialog“ und mahnte zudem, „die weitreichenden Folgen einer jeden Reform nicht aus den Augen zu verlieren.“ Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, nahm persönlich Einfluss, indem er sich zur Lösung der Krise mit Staatspräsident Andrzej Duda traf. Rückendeckung erhielt Gądecki aus dem fernen Rom durch den „L´Osservatore Romano“, in dem zu lesen war, der Sejm habe „eine kontroverse Justizreform angenommen, die de facto die Autonomie des Justizwesens liquidiert.“ Die kirchliche Intervention zeigte Wirkung. Präsident Duda machte von seinem Vetorecht Gebrauch, und die Regierung entschärfte wenigstens teilweise das Gesetz zum Obersten Gericht. Wenige Stunden nach Erlass des Vetos erreichte den Staatspräsidenten ein Dankschreiben des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, in dem sich als Kern der Satz befindet „eine authentische Demokratie ist nur in einem Rechtsstaat möglich.“

Das Schweigen der Kirche

Was in Zusammenhang mit den neuerlichen Gesetzen der Justizreform auffällt, ist das Schweigen der Kirche. Kein kritisches Wort des Vorsitzenden der Bischofskonferenz zu den Befugnissen der Disziplinarkammer, die eine existentielle Bedrohung von Richtern bedeuten, die unter Berufung auf geltendes EU-Recht von der Regierung erlassene Rechtsbestimmungen nicht anwenden wollen.

Man kann dieses Schweigen schwerlich als Ausdruck politischer Neutralität rechtfertigen. Abgesehen davon, dass Polens Bischöfe stets für sich in Anspruch genommen haben, zu wichtigen, die Gesellschaft betreffende Fragen Stellung zu beziehen, gibt es bereits eine kirchliche Intervention bezüglich der die Rechtsstaatlichkeit aushebelnde Justizreform. Als im Juli 2017 die über eine absolute Mehrheit verfügenden PiS-Abgeordneten im Sejm Gesetze verabschiedeten, welche die Unabhängigkeit höchst richterlicher Instanzen wie Verfassungsgericht, Oberstes Gericht und Landesjustizrat faktisch außer Kraft setzten und im ganzen Land zahllose Menden aus Protest auf die Straße gingen, da erhoben gleich mehrere ranghohe kirchliche Vertreter warnend ihre Stimme. Die Bischofskonferenz appellierte durch ihren Sprecher „an sämtliche politische Gruppierungen, eine Verständigung anzustreben, die das Wohl Polens und seiner Bürger zum Ziel hat.“ Der Primas Polens, Erzbischof Wojciech Polak, forderte „einen auf den Fundamenten des Rechtsstaates basierenden Dialog“ und mahnte zudem, „die weitreichenden Folgen einer jeden Reform nicht aus den Augen zu verlieren.“ Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, nahm persönlich Einfluss, indem er sich zur Lösung der Krise mit Staatspräsident Andrzej Duda traf. Rückendeckung erhielt Gądecki aus dem fernen Rom durch den „L´Osservatore Romano“, in dem zu lesen war, der Sejm habe „eine kontroverse Justizreform angenommen, die de facto die Autonomie des Justizwesens liquidiert.“ Die kirchliche Intervention zeigte Wirkung. Präsident Duda machte von seinem Vetorecht Gebrauch, und die Regierung entschärfte wenigstens teilweise das Gesetz zum Obersten Gericht. Wenige Stunden nach Erlass des Vetos erreichte den Staatspräsidenten ein Dankschreiben des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, in dem sich als Kern der Aussage der Satz befindet „eine authentische Demokratie ist nur in einem Rechtsstaat möglich.“

Warum also das jetzige Schweigen der Hierarchen, wo doch die neuerlichen Gesetze die Rechtsstaatlichkeit in Polen weiter zerstören? Die Vermutung liegt nahe, dass dafür eine durch den Film „Sag es nur keinem“ entstandene Situation ausschlaggebend ist. Die Fülle an kirchlichen Missbrauchsfällen, die damit ans Licht kamen, die von ihnen bestimmte öffentliche Diskussion sowie nicht zuletzt Entschädigungsforderungen der Opfer führten offenbar dazu, dass Polens Kirche um staatliches Wohlwollen, insbesondere um das des Justizministers und Generalstaatsanwalts Ziobro, bemüht ist. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Fall eines Ordenspriesters, der des sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen wurde. Per Gerichtsbeschluss wurde der Orden zur Zahlung von einer Million Zł. an das Opfer verpflichtet. Mit dem Argument, nicht die Ordensgemeinschaft, sondern allein der Täter habe das Opfer zu entschädigen, ging der Orden in die Berufung, verlor aber aufgrund von Mitschuld durch Vertuschen auch in der zweiten Instanz. Der Fall muss letztlich von der Zivilkammer des Obersten Gerichts entschieden werden. Doch auf einen Verhandlungstermin wartet man seit Monaten.

Für Polens Kirche steht viel auf dem Spiel. Müsste in diesem Musterprozess der Orden am Ende zahlen, dann kommen bei weiteren Prozessen enorme finanzielle Belastungen auf Polens Kirche zu, die es möglichst zu vermeiden gilt. Dies könnte der Grund für das kirchliche Schweigen sein. Als potentielle Nutznießerin der umstrittenen Justizreform würde Polens katholische Kirche damit allerdings an dieser verhängnisvollen Entwicklung mitschuldig.

Die „Gazeta Wyorcza“, die sich in einem Beitrag mit dem Schweigen der Kirche befasst, titelte: „Der Episkopat in Geiselhaft von Ziobro. Entschädigung für Missbrauchsfälle – ein Damoklesschwert über der Kirche.“

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