top of page

Johannes Paul II. – doctor ecclesiae?

  • Theo Mechtenberg
  • 27. Feb. 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Am 18. Mai 2020 wäre Johannes Paul II. 100 Jahre alt geworden. Der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, nahm dieses Datum zum Anlass, um im Oktober 2019 Papst Franzskus zu bitten, ihn feierlich zum doctor ecclesiae sowie zum Patron Europas zu erklären. Dem schlossen sich am 25. Januar eine Reihe polnischer Theologen mit dem Vorschlag an, sich in den kommenden zwei Jahren wissenschaftlich und pastoral mit den Lehren des polnischen Papstes zu befassen. Anfang Februar wandte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz zur Unterstützung seiner Initiative an den Weltepiskopat. Zur Begründung schrieb er: „Wojtyłas schwierige Balance zwischen Tradition und Moderne führte zu einem großen Schub an Heiligkeit in der Kirche und förderte dadurch universal auch eine breit verstandene Kultur, Politik und Wissenschaft.“

Die Kirche zählt ungefähr 40 Kirchenlehrer, denen neben ihrer Heiligkeit eine außergewöhnliche theologische Bedeutung beigemessen wird. Doch diesen Titel erhielten sie erst lange nach ihrem Ableben. Soll Johannes Paul II., wie bereits bei seiner Selig- und Heiligsprechung, diese Ehre nach so kurzer Zeit zuteil werden, was eine Abweichung von der bislang geltenden Regel bedeuten würde?

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz erhofft sich offenbar in diesem Gedenkjahr von einer Erklärung Johannes Pauls II. zum Kirchenlehrer einen religiösen Impuls für sein Land. Den hat Polens Kirche angesichts der nicht abreißenden Aufdeckung klerikaler Missbrauchsfälle (unlängst wurde mit einem der Krakauer Weihbischöfe erstmals ein amtierender Mitraträger beschuldigt) auch bitter nötig. Aber reichen die Kriterien, um den polnischen Papst und mit ihm die polnische Kirche auf diese Weise zu ehren?

Aber reichen die Kriterien für eine solche Auszeichnung? Die Voraussetzung der Heiligsprechung ist erfüllt, wenngleich sich die Stimmen mehren, die unter Hinweis auf die unter seinem Pontifikat vertuschten sexuellen Missbrauchsfälle ranghoher Kirchenvertreter; Skepsis äußern. Andererseits sind seine Verdienste zur Überwindung kommunistischer Herrschaft und zur der damit ermöglichten Einheit Europas unbestritten. Auch gab es, zumal, in Polen, einen mit seiner Person verbundenen religiösen Aufschwung, der sich allerdings nicht als nachhaltig erwiesen hat. Doch sind diese Verdienste überhaupt für die Ernennung zum Kirchenvater von Gewicht? Das ausschlaggebende Kriterium ist schließlich die außergewöhnliche theologische Bedeutung. Und hier sind Zweifel erlaubt. Schließlich hat der polnische Papst die innerkirchliche theologische Diskussion mehr unterdrückt als befruchtet. Die Liste der Theologen, denen in seiner Amtszeit die Lehrbefugnis entzogen wurde, ist lang. Und das Verbot, Argumente für eine Weihe von Frauen theologisch zu prüfen, stieß nicht nur unter kirchlich engagierten Frauen auf Unverständnis und Ablehnung. Eine Empfehlung zur Ernennung zum doctor ecclesiae ist dies alles nicht.

Zudem fragt man sich heute, ob Wojtyłas theologische Aussagen, zumal zu Ehe und Familie wie zur Sexualität überhaupt, noch richtungsweisend sein können. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Neuausrichtung des römischen, nach seinem Namen benannten Instituts zum Studium von Ehe und Familie. Angesichts einer veränderten Welt müht man sich dort nunmehr um mehr Offenheit, Dialog und neue Modelle. Dies erscheint als deutliche Abwendung von der mit dem Alter zunehmend autoritären Lehrverkündigung des polnischen Papstes und seiner Beschwörung einer durch Relativismus bewirkten „Zivilisation des Todes“.

Wird die Deutsche Bischofskonferenz die Initiative von Erzbischof Gądecki befürworten? Allein die Themen, die im Verlauf des synodalen Weges behandelt werden, machen dies eher unwahrscheinlich.

Comments


Follow Us
  • Twitter Basic Black
  • Facebook Basic Black
  • Black Google+ Icon
Recent Posts

© 2023 by Glorify. Proudly created with Wix.com

bottom of page