Polens Kirche und die Coronakrise
Ähnlich wie die staatlichen Stellen hat auch die Polnische Bischofskonferenz auf den Ausbruch der Coronaepidemie mit abgestuften Anweisungen reagiert. Zunächst empfahl ihr Vorsitzender, Erzbischof Stanisław Gądecki, die Anzahl der sonntäglichen Gottesdienste zu erhöhen, damit sich die Gläubigen besser auf mehrere verteilen können. Zudem solle man anstelle des Händereichens zum Friedensgruß einander zunicken und vermeiden, sich beim Betreten der Kirche mit Weihwasser zu bekreuzigen. Zum Kommunionempfang solle man statt der sonst üblichen Mundaufnahme die Hostie auf die Hand legen. An einem Sonntag kam ein Brief des Gesundheitsministers zur Verlesung, in dem er angesichts der Bedrohung durch das Virus um Ruhe und Besonnenheit bat. Bald darauf kam die Anweisung, den Besuch der Messe auf maximal 50 Personen zu beschränken, eine Anordnung, die sich als wenig praktikabel erweisen sollte und wenig später durch ein Verbot aller öffentlichen Gottesdienste ersetzt wurde. Sollte diese Anweisung über Wochen oder gar Monate Bestand haben, würde dies eine empfindliche finanzielle Einbuße bedeuten, denn anders als in Deutschland gibt es in Polen keine Kirchensteuer, so dass die Existenzsicherung der Kirche an den Ertrag der Kollekten gebunden ist. Pfarrer haben bereits eigene Konten eingerichtet und die Gläubigen aufgefordert, ihren sonst üblichen Kollektenbeitrag darauf einzuzahlen. Und der weit über Polens Grenzen hinaus als besonders finanztüchtig bekannte Pater Rydzyk schlägt Alarm, der Fernsehsender Trwam, Radio Maryja sowie die Kirchenzeitung „Nasz Dziennik“ stünden vor dem Aus, falls die Gläubigen nicht unverzüglich und großzügig spenden würden.
Neben diesen offiziellen Stellungnahmen gibt es Initiativen einzelner Priester und Laien. So geht der Pfarrer einer Gemeinde aus Legnica (Liegnitz) nachmittags um 17.00 Uhr mit der Monstranz und in Begleitung einer kleinen Gruppe von Gläubigen durch die Straßen der Stadt, gleichsam eine Mini-Fronleichnam-Prozession zur Abwehr der Coronaseuche: „Wir sind – so der Pfarrer - jederzeit in Gottes Hand. Daher setzen wir auf ihn unsere Hoffnung und vertrauen darauf, dass wir diese Zeit der Probe im Frieden des Herzens und in Sicherheit durchleben.“
Ein anderer Priester mit Pilotenschein kreiste mit der Hostie und Reliquien des polnischen Papstes Johannes Paul II. in einem Kleinflugzeug über Wrocław (Breslau), betete den Rosenkranz und bat auf diese Weise Gott, die Coronaseuche von der niederschlesischen Metropole und dem Umland abzuwenden.
Ein Priester begab sich auf die Straße, segnete die Wohnblocks und alles, was ihm auf seinen Weg begegnete, Menschen wie vorbeifahrende Autos. Doch sein Bischof untersagte ihm diese Art pastoraler Tätigkeit.
Der Ratsherr eines Kurorts hatte eine besondere Idee: „Wegen der großen Lebensgefahr bitte ich unabhängig von der Weltanschauung insbesondere alle Bekannten, ein Heiligenbild ins Fenster zu stellen, damit ER euch alle vor der Seuche schützt.“ Worum er bitte, sei kein Ausdruck von Rückständigkeit, vielmehr sei es in Zeiten der Bedrohung nicht allein Sache der Priester, die Menschheit Christus anzuvertrauen.
Diese Initiativen sind der Versuch, einstige kirchliche Praktiken zur Abwehr von Seuchen in ein modernes Gewand zu kleiden. Auch wenn derlei Bemühungen in den Kirchen des aufgeklärten Westens kaum denkbar sind, sollte man ihnen doch den Respekt nicht versagen.
Anders verhält es sich mit dem, was sich ein Breslauer Salesianer erlaubt hat. Als Pfarrer seiner Gemeinde verzichtete er darauf, den Gläubigen die sonntägliche Auslegung des Wortes Gottes zu verkünden. Stattdessen konfrontierte er sie mit seiner absurden Sicht der Coronaepidemie: Nicht Gesichtsmasken, sondern allein das Gebet, zumal zur Muttergottes von Fatima, biete Schutz vor dem Virus. Diese Seuche sei eine Strafe Gottes für ein sündhaftes Leben, für Homosexualität, für ein Zusammenleben ohne Trauschein, für jene, „die ungeborene Kinder morden“. Selbst die Empfehlungen der Bischofskonferenz nahm er aufs Korn: Sich nicht mit Weihwasser zu bekreuzigen, das Händereichen zum Friedensgruß zu vermeiden sowie sich der Handkommunion zu bedienen. All diese vernünftigen Ratschläge verurteilte er als ein Angriff auf die Kirche.
Zahlreiche Gläubige verließen während dieser unglaublichen Auslassungen das Gotteshaus. Man informierte die Ordensleitung und die Kurie über diesen Vorfall. Der Ordensobere ließ wissen, man werde den Fall untersuchen, und der Sprecher der Kurie erklärte, das Verhalten dieses Pfarrers bedeute einen Amtsverstoß, denn es sei ihm untersagt, anstelle der Predigt seine persönliche Meinung zu verbreiten.
Am 25. März, dem Fest der Verkündigung Mariens, kam die polnische Kirche der Bitte des Papstes nach, an diesem Tag um ein Ende der Pandemie zu beten. Auf Anweisung des Vorsitzenden der Bischofkonferenz läuteten im ganzen Land um 12.00 die Kirchenglocken und der Engel des Herrn wurde in der vorgegebenen Intention gebetet. Dazu ein Gebet, das der Vorsitzende des Rates des Europäischen Episkopats verbreitet. Es lautet: Himmlischer Vater, allmächtiger und barmherziger Schöpfer der Welt, der aus Liebe zu uns Seinen Sohn als Arzt der Seele und des Leibes gesandt hat, schaue auf Deine Kinder in dieser schwierigen Zeit der Unsicherheit und der Angst in vielen Regionen Europas und der Welt. Sie wenden sich an Dich und suchen Stärkung, Rettung und Trost. Befreie uns von Krankheiten und Ängsten, heile unsere Kranken, tröste ihre Familien, gib den Regierenden Weisheit, Energie und Kraft den Ärzten, Pflegekräften und Freiwilligen und den Toten ewiges Leben. Verlass uns nicht im Augenblick der Prüfung, sondern erlöse uns von allem Bösen. Darum bitten wir Dich, der Du mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebst und regierst in Ewigkeit. Amen. Maria, Heil der Kranken und Mutter der Hoffnung, bitte für uns. (Übersetzung aus dem Polnischen)
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