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Außer der Reihe: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.“ (Joh 14, 18)

Wer kennt ihn nicht, den Abschiedsschmerz, wenn die Stunde gekommen ist, in der liebe Gäste wieder die Heimreise antreten, wir ihnen nachwinken, wieder über die Schwelle des eigenen Haues treten und eine gewisse Leere empfinden? Es ist nur ein schnell verschwindender Anflug von Traurigkeit. Ein Nichts gegenüber dem nicht vergehenden Schmerz am offenen Grab unserer Lieben, wo wir nicht wahrhaben wollen, dass dies ein Abschied ist ohne Wiederkehr.

Über den Abschiedsreden Jesu, denen der Text zum 6. Sonntag nach Ostern entnommen ist, liegt ein Hauch von Melancholie. Jesus weiß, dass der Augenblick nahe ist, in dem er seinen Jüngern entrissen wird und sie den Trennungsschmerz der Verlassenheit erleben werden. Auf diesen Moment will er sie vorbereiten, indem er ihnen verheißungsvoll sagt: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.“

Jesus bedient sich eines starken Bildes, das der Waisen, um die Verlassenheit zu beschreiben, vor der er seine Jünger bewahren will. Wer von seinen Eltern behütet aufwächst, kann die Situation eines Waisen schwerlich nachempfinden: den Mangel an Urvertrauen, die Schutzlosigkeit, die unstillbare Sehnsucht. Welcher Not Waisen ausgesetzt sein können, davon habe ich einen Eindruck gewonnen, als ich mich mit dem Schicksal von Kindern in DDR-Heimen befasst habe. Manche von ihnen sind dort durch eine Hölle von Demütigung und Gewalt gegangen und für ihr ganzes Leben gezeichnet.

Gegen eine solche Verlorenheit will Jesus die Seinen für die Zeit nach seinem Tod und nach seiner Auferstehung wappnen; für die Zeit, in der er nicht mehr leibhaftig bei ihnen ist. Nicht dass sie dann gar keine Demütigungen und keinerlei Gewalt erfahren werden, sondern durch eine innere Stärkung, durch einen immer bei ihnen bleibenden Beistand, durch den „Geist der Wahrheit“. Es ist der Geist, der das Verborgene ans Licht bringt, die nur im Glauben erfahrbare Wirklichkeit – die innige Gemeinschaft Jesu mit seinem Vater, die auch den Glaubenden mit umfasst und ihn an ihr teilhaben lässt.

Wie das im Einzelnen geschieht, durch das Brotbrechen in liebender Gemeinschaft, durch den Jubel der Herzen, durch das Zeugnis der Glaubenden, darüber berichtet die Apostelgeschichte, aus der ja auch sinnvoller Weise die nachösterlichen Lesungen entnommen sind.

Aber gilt das, was damals war, auch für uns heute? Gewiss, das Ritual dazu steht uns zur Verfügung, die Liturgie mit ihrer Wortverkündigung, dem Lobpreis Gottes und dem Empfang der heiligen Gaben. Doch dies alles wirkt nicht magisch, nicht ohne die Bereitschaft, das eigene Leben an dem auszurichten, was Jesus uns geboten hat. Erst dies ermöglicht die liebende Gemeinschaft mit ihm, durch ihn mit dem Vater und untereinander.

Vielleicht sind wir ja paradoxerweise durch die Corona-Pandemie dieser Innigkeit ein wenig näher gekommen. Einerseits bescherte sie uns mit den Quarantänemaßnahmen und den mit ihnen verbundenen leeren, den Gläubigen verschlossenen Kirchen ein Gefühl einsamer Verlassenheit, andererseits war die Fernsehausstrahlung der Gottesdienste kein bloßer Notbehelf. Die Eucharistiefeiern vor leeren Bänken, doch geschmückt mit Kerzen oder Bildern von Gemeindegliedern, die ihre „im Geiste“ abwesende Präsenz symbolisierten, dazu die auf den Chorraum direkt gerichtete Kamera, die das Geschehen an Ambo und Altar naherückte, all dies war auf besondere Weise eindrucksvoll. Dieses „im Geiste“ war denn auch das besondere Kennzeichen dieser Transmissionen, einschließlich der „geistigen Kommunion“. Es gab Berichte von Gläubigen, die von sich sagten, sie hätten bei diesen Gottesdienstübertragungen die geistige Teilhabe intensiver erfahren als in den gewöhnlichen Sonntagsgottesdiensten.

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.“ Möge sich dieses Wort an uns in Stunden der Verlassenheit bewahrheiten.

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