Der folgenreiche zweite Dokumentarfilm der Brüder Sekielski
Nach ihrem 2019 im Internet zugänglich gemachten Dokumentarfilm „Sag es nur keinem“ fand am 16. Mai 2020 die von den beiden Brüdern Sekielski seit langem angekündigte Premiere ihres zweiten, gleichfalls der klerikalen Missbrauchsproblematik gewidmeten Films statt. Er hat den eigentümlichen Titel „Verstecken spielen“, ein Hinweis auf das lange Zeit übliche Vertuschen der von Priestern begangenen sexuellen Verbrechen an Minderjährigen, die ihnen im guten Glauben anvertraut waren. Im Vorfeld hatten die Brüder Sekielski in Interviews öffentlich gemacht, im Unterschied zu „Sag es nur keinem“ stehe neben dem Leiden der Opfer das Versagen der Bischöfe im Zentrum des Geschehens, das an einem einzelnen, doch für etliche andere namentlich bekannte Oberhirten typischen Fall verdeutlicht werde. Den Namen des Bischofs nannten sie nicht. Doch an den von ihnen erwähnten Details ließ sich erraten, dass es sich um Bischof Edward Janiak handeln werde.
Ein vergeblicher Versuch der Einflussnahme
Produzent Marek Sekielski berichtet, eines Tages habe er von jemanden einen Anruf mit der Bitte erhalten, mit ihm über den Film zu sprechen. Er habe zugesagt und sei zu dem Treffen in das vereinbarte Hotel gegangen. Es habe sich dann gezeigt, dass es gar nicht um ein Gespräch über den Film ging, sondern um den Wunsch, ihn tiefgreifend zu verändern. Der vermeintliche Gesprächspartner habe sich ihm gegenüber als Geschäftsmann vorgesellt und ihm eine hohe Summe für den Fall angeboten, dass Bischof Janiak in dem Film keine Erwähnung finden werde. Natürlich habe er dieses unlautere Angebot abgelehnt. Es sei kaum anzunehmen, dass der Mann aus persönlichem Interesse gehandelt habe, sondern im fremden Auftrag. Doch wer die möglichen Hintermänner sind, das bleibt unklar.
Ein Bischof als negativer Held des Films
Bischof Edward Janiak war bislang einer breiten Öffentlichkeit unbekannt, ist aber nun durch „Verstecken spielen“ zur traurigen Berühmtheit gelangt. Der 65 Jahre alte Janiak war ursprünglich Priester der Erzdiözese Wrocław (Breslau). Kardinal Henryk Gulbinowicz, der selbst eines sexuellen Vergehens an einem Jugendlichen beschuldigt wird und 96jährig seinen Lebensabend in einem Altersheim für Priester verbringt, hielt offenbar große Stücke auf den jungen Priester. Er schickte ihn zu weiterem Studium nach Rom, wo er an der vatikanischen Hochschule promovierte und sich nach seiner Rückkehr als rechte Hand des Kardinals erwies. Er galt als äußerst geschäftstüchtig und als ein hervorragender Organisator, von dem man – und das zu kommunistischen Zeiten – sagte, dass es nichts gäbe, was er nicht erledigen könne. 1996 wurde er Weihbischof.
2012 wurde Janiak zum Bischof der als besonders religiös geltenden Diözese Kalisz ernannt. Sie ist zudem eine Hochburg der Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit den üblichen Verflechtungen von Kirche und Politik auf lokaler Ebene. So wundert es nicht, dass Bischof Janiak kein Hehl aus seiner Nähe zur regierenden PiS macht und keinen öffentlichen Lobpreis auf diese Partei scheut: „Als Pole danke ich Gott, dass ich diese Zeit erlebe, dass wir uns nicht des polnischen Präsidenten schämen müssen, dass der Premier das Wohl Polens will, dass das Land frei ist, dass wir eine Demokratie sind, dass wir echte Freiheit erfahren.“
Die Praxis der Vertuschung
Die in „Verstecken spielen“ behandelten Fälle klerikalen Kindermissbrauchs gehen zum Teil in Janiaks Breslauer Zeit zurück. Einer gilt dem 2005 erstmals verhafteten Priester Paweł Kania. Ein Jugendlicher, den Kania für 100 Zł. sexuell verführen wollte, hatte ihn angezeigt. Die Polizei fand in seiner Wohnung reichliches Material an Kinderpornographie. Entsprechend der 2001 von Benedikt XVI. erlassenen Bestimmungen hätte der Fall seitens der Breslauer Kurie der römischen Glaubenskongregation gemeldet werden müssen. Doch die Meldung unterblieb. Der pädophile Kania wurde zunächst in eine Nachbardiözese entsandt, die ihn aber offenbar nicht haben wollte und ihn nach Breslau zurückschickte, wo er in der weiträumlichen Erzdiözese weiter seinen priesterlichen Dienst versehen konnte und seine Opfer fand. Erst nach Jahren und Absitzen von Haftstrafen wurde Kania in den Laienstand zurück versetzt.
Der Prozess um die Entschädigung der Opfer endete damit, dass die in der Person von Bischof Janiak durch die Praxis der Vertuschung mitschuldig gewordene Breslauer Kurie zu einer Zahlung von 300 000 Zł. verurteilt wurde. In diesem Prozess wurde Bischof Janiak als Zeuge vernommen und vom Staatsanwalt nicht mit seinem Titel, sondern wie jeder andere vor Gericht als einfacher Bürger mit „Herr“ angesprochen. Seiner Würde entkleidet, machte der ansonsten machtbewusste Janiak einen kläglichen Eindruck. Eine eindrucksvolle Filmszene, welche die Brüchigkeit eines seiner Insignien beraubten Klerikalismus offenbart.
In dem Film geht es zudem um von ihrem Pfarrer missbrauchte Ministranten. In diesem Fall handelt es sich um einen Bischof Janiak aus gemeinsamer Seminarzeit bekannten Geistlichen, zu dem er persönliche Kontakte pflegte. Zu dessem Schutz fühlte er sich verpflichtet, bagatellisierte die sexuelle Vergehen als Entgleisungen, die sich nicht wiederholen würden. Doch an den Opfern lag ihm nichts. Als die Eltern eines der Jungen bei ihm vorstellig wurden, um Beschwerde gegen den Pfarrer einzulegen, war Bischof Janiak nicht bereit, sie anzuhören und hatte sie der Tür verwiesen.
Die Frage nach den Konsequenzen
Eine erste Konsequenz des Films ließ nicht lange auf sich warten. Wenige Stunden nach seiner Ausstrahlung meldete sich der Polnische Primas, Erzbischof Wojciech Polak, zu Wort. In seiner Zuständigkeit innerhalb der Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen erklärte er, dass er aufgrund des Films, der ernste Verstöße von Bischof Janiak gegen die geltenden kirchlichen Richtlinien enthalte, die vatikanische Glaubenskommission um Untersuchung des Falls bitten werde. Bischof Janiak weist in einer ersten kurialen Erklärung alle Beschuldigungen zurück. Es wird sich zeigen, ob die Rückendeckung durch den Teil der Bischofskonferenz, der – wie er selbst – eng mit Radio Maryja verbunden ist, ausreicht, um von sich aus einen Amtsrücktritt zu vermeiden und die vatikanische Reaktion abzuwarten.
Einen ersten Hinweis auf eine baldige Ablösung von Bischof Janiak gab es allerdings am 23. Mai, genau eine Woche nach Erscheinen des Films im Internet, der in kurzer Zeit bereits von 6 Millionen Interessenten angeklickt worden war und der demnächst auch im unabhängigen Fernsehen TVN zu sehen sein wird. An diesem Tag wollte Bischof Janiak in seiner Kathedrale die Priesterweihe vornehmen. Trotz öffentlicher Proteste war von der Kaliszer Kurie noch am Freitagmorgen zu erfahren, dass die Priesterweihe wie geplant stattfinden werde. Doch am Abend gab die Bischofskonferenz offiziell bekannt, dass nicht Bischof Janiak, sondern sein emeritierter Vorgänger die Diakone zu Priestern weihen werde. Aus der Verlautbarung geht nicht hervor, ob Bischof Janiak von sich aus von der Erteilung de Weihen zurückgetreten war oder auf äußeren Druck der Bischofskonferenz und den der Öffentlichkeit, gehandelt hatte.
Positive Resonanz einzelner Priester
„Verstecken spielen“ fand bei einzelnen Priestern ein durchaus positives Echo. Der Krakauer, für die seelsorgliche Betreuung der Armenier zuständige Geistliche Isakowicz-Zaleski hatte sich in dem Dokumentarfilm der Brüder Sekielski sehr kritisch zum Umgang der Bischöfe mit den klerikalen Missbrauchsfällen ihrer Priester geäußert. Er wurde daraufhin von einer Journalistin der Kirchenzeitung „Niedziela“ interviewt und bezichtigte darin zwei hochrangige, inzwischen emeritierte Hierarchen, den ehemaligen Sekretär von Papst Johannes Paul II. und späteren Kardinal und Krakauer Metropoliten Dziwisz sowie den einstigen polnischen Nuntius und späteren polnischen Primas, Erzbischof Kowalski, der Vertuschung von Taten pädophiler Priester. Der Text erschien in den sozialen Medien, wurde aber kurz darauf zurückgezogen. Doch nach dem Protest zahlreicher kirchlicher Journalisten, wurde er wieder, versehen mit einem Kommentar des Chefredakteurs, ins Netz gestellt. Die Autorin allerdings wurde in der Chefredaktion einem förmlichen Verhör unterzogen und kündigte. Und Isakowicz-Zaleski erhielt vom Krakauer Erzbischof Jędraszewski eine ernste Abmahnung.
Eine Stellungnahme, die des Jesuiten und Psychotherapeuten Jacek Prusak, soll näher zitiert werden. Er findet den Titel des Dokumentarfilms gut gewählt, und zwar im Sinn einer Perversion des unschuldigen Kinderspiels durch die pädophilen Täter: „Die Brüder Sekielski trafen mit dem Titel ihres neuen Films zur Situation der Opfer von Priestern-Tätern wie des kirchlichen Systems ins Schwarze. Denn zum wiederholten Male zeigte sich, dass im kirchlichen „Verstecken spielen“ sowohl die Täter infantil sind als auch ihre Vorgesetzten, die sich vor der Wirklichkeit menschlichen Leids in ihre abwegigen, perversen kirchlichen Schemata des Denkens, Fühlens und Verhaltens flüchten. […] Traurig und schmerzhaft ist es, dass wir zum wiederholten Male, und das in einem so kurzen Zeitabstand, sehen, wie krank die polnische Kirche ist, wie schwer es ihr fällt, ihr pathologisches Spiel mit den Opfern zu unterbinden, wie viel in Purpur gefasste Perversion, wie viel an dünkelhaften Klerikalismus es gibt.“
Kein Gedanke an freiwilligen Rücktritt
Bischof Janiak denkt trotz allem nicht daran, von seinem Amt zurück zu treten. Ganz im Gegenteil. Durch ein vorgefasstes Schreiben, das durch den Weihbischof dem Priesterrat zur Unterzeichnung zugestellt wurde, wollte er die Solidarität seines Klerus einfordern. Doch der Versuch scheiterte, weil sich die Priester weigerten, die Unterschrift zu leisten. Sie wandten sich vielmehr, so wie Primas Polak, an die Glaubenskommission mit der Bitte, die gegen Bischof Janiak erhobenen Vorwürfe zu prüfen.
Und der Vatikan reagierte überraschend schnell. Bereits am 6. Juni veröffentlichte der Posener Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, im Amtsblatt der Erzdiözese ein Kommuniqué: Er sei „nach Bekanntwerden der Pflichtverletzung des Kaliszer Bischofs bezüglich der Durchführung von Untersuchungen des sexuellen Missbrauchs zum Schaden Minderjähriger“ beauftragt worden, das für derlei Fälle vorgesehene kanonische Verfahren einzuleiten.
Dessen ungeachtet kam am darauf folgenden Tag, am Dreifaltigkeitssonntag, in allen Gottesdiensten der Kaliszer Diözese ein Brief des Bischofs an die Gläubigen zur Verlesung. In ihm heißt es: „Ich bitte Sie um Ihr Gebet in dieser Zeit einer gegen meine Person gerichteten medialen Kampagne, damit ich gestärkt durch die unsichtbare Kraft des Heiligen Geistes dem Lebendigen Gott dienen kann, in Liebe und im opfervollen Dienst, dessen Anfang, Mittler und Vollender Christus ist.“ Trotz allem weiß sich also Bischof Janiak mit diesen frommen Wendungen in der Nachfolge Christi. Kein Schuldbekenntnis, nicht einmal ein Bedauern.
Bischof Janiak nutzte zudem zwei feierliche Gottesdienste zu seiner Verteidigung. In seiner Predigt wandte er sich insbesondere gegen die Attacken, denen die Kirche und ihre Vertreter derzeit ausgesetzt seien. „Wie viele Kirchenfeinde gibt es heute. Manche wollen die Kirche von innen zerstören, mit ihrer negativen Einstellung, unter Anwendung verschiedener, geradezu teuflischer Methoden.“ Anstatt sich zu seinem Versagen zu bekennen, machte er sich mit solchen Aussagen selbst zum Opfer.
Unterstützung fand Bischof Janiak, wie nicht anders zu erwarten war, bei Pater Tadeusz Rydzyk. In einem mit dem Bischof in Konzelebration gefeierten, von Radio Maryja und dem Fernsehsender Trwam übertragenen Festgottesdienst hielt Pater Ryszyk die Predigt. Und das in gewohnter nationalkatholischer Manier: „Seid ihr Polen? Liebt ihr Polen? Wenn ihr Polen liebt, dann schadet nicht, dann attackiert nicht mit rücksichtslosem Hass die Menschen der Kirche.“ In völliger Verdrehung der Tatsachen beschuldigte er die säkularen Medien, sie würden Hass säen. In ihren Programmen gäbe es keine ehrlichen Gespräche, sondern nichts als Attacken. Ihre Journalisten „laufen mit ihren Kameras herum und häufen Lüge auf Lüge.“ Und dann sagte er, auf die gegenwärtige Situation bezogen: „Auf Bischöfe darf man nicht einprügeln. Attackiert sie nicht, bringt sie nicht um, denn dann werdet ihr mit euren vergifteten Worten zu Mördern.“
Konflikt auf höchster Ebene
Bislang galt als eiserne Regel, dass Konflikte innerhalb der Bischofskonferenz unter keinen Umständen nach außen getragen werden dürfen. Bischof Janiak hat mit dieser Regel gebrochen, indem er am 13. Juni einen Brief an alle Bischöfe richtete, in dem er nicht nur seine Unschuld beteuert, sondern Primas Wojciech Polak massiv angreift. Er habe sich mit den Brüdern Sekielski gemein gemacht, die Bischof Janiak gegen besseres Wissen diffamiert. Bei ihnen handle es sich bekanntlich „um Feinde der Kirche, die sich von niedrigen Beweggründen leiten lassen; dass sie für diesen Film viel Geld erhalten haben, ist ja kein Geheimnis.“
Mit seiner öffentlichen Attacke auf ihn habe sich Primas Wojciech Polak kompromittiert, und das ausgerechnet „am Vortag der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des heiligen Johannes Paul II.“ Polak habe „einem Diözesanbischof einen Schlag versetzt und über ihn den Stab gebrochen.“ Janiak nennt ihn einen „gewaltigen Verwirrungsstifter“ und sein Handeln eine „Verletzung des Ansehens der Kirche“.
Er sei, so Janiak, ein Opfer falscher Anklage. Was er erfahre, das könne morgen jeden anderen Bischof treffen.
Auch die Sankt Josefstiftung wählt Bischof Janiak in seinem Brief zum Angriffsziel. Sie wurde 2019 auf Anregung von Primas Wojciech Polak zur Unterstützung klerikaler Missbrauchsopfer gegründet. Sie übernimmt die Kosten für Therapien und finanziert entsprechende Schulungen für jene, die Missbrauchsopfer betreuen. Sie ermöglichte auch den Druck und Vertrieb von Plakaten, die in jeder Pfarrei ausgehängt werden sollen und darüber informieren, an wen man sich im Falle eines Missbrauchs wenden kann. Obwohl Primas Polak diese Aktion ausdrücklich empfohlen hatte, stieß sie in breiten Teilen des Klerus auf Widerstand. So war beispielsweise in der zum Medienimperium von P. Rydzyk gehöremden Kirchenzeitung „Nasz Dziennik“ in diesem Zusammenhang von „Skandal“ und „Schlag gegen die Kirche“ zu lesen.
Auch dass die St. Josefstiftung vom gesamten Klerus getragen werden soll, wurde nur widerwillig akzeptiert. Jeder Priester hat jährlich 150 Zł., jeder Bischof 2000 Zł. in sie einzuzahlen.
Bischof Janiak behauptet in seinem Brief, die Stiftung sei gegen den Willen der Mehrheit der Bischöfe gegründet worden. Man habe das Wahlergebnis gefälscht, was er in seinen 24 Bischofsjahren noch nie erlebt habe. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, habe sich genötigt gesehen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und die Stiftung bestätigt, um eine Kompromittierung zu vermeiden.
Die Antwort von Primas Wojciech Polak
In einem betont sachlichen Ton antwortete Primas Wojciech Polak am 16. Juni auf die von Bischof Janiak gegen ihn erhobenen Anschuldigungen: „Die Meldung als solche entscheidet nicht über die Schuld und gibt Bischof Edward Janiak die Chance, Argumente zu seiner Verteidigung zu unterbreiten. Entschieden wird die Angelegenheit ausschließlich aufgrund der Kompetenz des Apostolischen Stuhls. […] Was mich betrifft, ist mein Handeln Ausdruck der vom Evangelium gebotenen Sorge um das Wohl geschädigter Personen sowie um das wahre Wohl der Kirche; aber es ist auch die Verwirklichung der mir seitens der Konferenz des Episkopats Polens anvertrauten Mission zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.“
Auf die Sankt Josefstiftung geht Primas Polak nicht ein. Die erforderliche Klarstellung erfolgte durch den Generalsekretär der Bischofskonferenz: „Die Bischöfe haben mit deutlicher Stimmenmehrheit ihr Einverständnis zur Gründung der Sankt Josefstiftung gegeben.“
Mit dem Fall Janiak ist in Polens Kirche offenbar ein erbitterter Kampf entbrannt zwischen Primas Polak und den nationalkatholischen Hardlinern unter den Bischöfen, die die Aufdeckung klerikaler Pädophilie als Angriff auf die Kirche umdeuten.
Ein erneuter schwerer Vorwurf
Inzwischen ist ein weiteres schweres Vergehen von Bischof Janiak bekannt geworden, das ohne den Dokumentarfilm der Brüder Sekielski kaum ans Licht der Öffentlichkeit gelangt wäre. Recherchen des Chefredakteurs der Warschauer katholischen Monatsschrift „Więź“ ergaben, dass Janiak gegen den Willen des Rektors vor zwei Jahren einen Theologen ins Priesterseminar aufgenommen hat, der zuvor wegen homosexueller Verstöße das Breslauer Seminar verlassen musste. Selbst als Ermittlungen der niederschlesischen Polizei ergaben, dass dieser Priesteramtskandidat an die 400 pornographische Bilder und Filme auf seinem Computer gespeichert und Jugendlichen gezeigt hatte, bestand Janiak darauf, dass dieser sich weiterhin auf seine Diakonatsweihe vorbereiten solle. Doch der Rektor ließ Janiak wissen, er würde auf die während der Weihehandlung an ihn gerichtete Frage nach der Würdigkeit dieses Kandidaten durch ein Nein dessen Weihe verhindern. Vielleicht um Zeit zu gewinnen, schickte Janiak diesen Kleriker als Katechten an ein Gymnasium, wo er Schüler zu sexuellen Handlungen zu verleiten versuchte. Allerdings ohne Erfolg. Die Schule meldete den Vorgang der Polizei, und erst jetzt wurde der homophile Kleriker des Seminars verwiesen.
Damit hätte der Fall erledigt sein können. War es aber nicht. Denn die Polizei bat den Rektor um ein Gespräch, worüber er den Bischof in Kenntnis setzte. Und Janiak verlangte von ihm auszusagen, nichts über das skandalöse Verhalten des Klerikers gewusst zu haben. Doch der Rektor hielt sich nicht an die bischöfliche Anweisung und berichtete wahrheitsgemäß. Und er informierte den Vorsitzenden der Bischofskonferenz über den gesamten Vorgang. Der riet ihm, gegen Janiak beim Vatikan eine förmliche Klage einzureichen, was dieser auch tat. Die Konsequenz? Der Bischof schickte den Rektor, einen Doktor der Theologie, als Administrator in ein 500-Seelen-Dorf. Er selbst behielt weiterhin sein Amt, wozu offenbar seine mehrmaligen Romreisen beigetragen haben, bei denen es ihm anscheinend gelang, das gegen ihn eingeleitete Verfahren zu stoppen.
Amtsenthebung – das Ende einer traurigen Geschichte
Portal.Vatican News und Radio Vatican informierten am 25. Juni in einer kurzen Meldung über die von Papst Franziskus verfügte Amtsenthebung von Bischof Edward Janiak. Auch ein Verbleiben in seiner Diözese wurde ihm untersagt. Möglich, dass zu dieser plötzlichen Entscheidung der allerjüngste Skandal beigetragen hat. Am 23. Juni wurde Janiak mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren. Es bestand Verdacht auf Gehirnschlag. Doch nach gründlichen Untersuchungen stellte sich heraus, dass er mit 3,44 Promille Alkohol volltrunken war und nach wenigen Stunden das Krankenhaus wieder verlassen konnte. Von diesem Vorfall war anderentags in der Presse zu lesen.
Als Janiaks vorläufigen Nachfolger wurde von Papst Franziskus der Lodzer Erzbischof Grzegorz Ryś berufen, der vorerst als Apostolischer Administrator die Verantwortung für die Diözese übernimmt.
Damit ist dieser Fall abgeschlossen. Doch erneut hat sich gezeigt, dass der Anstoß dazu von außen, durch die Initiative einzelner, erfolgte. Notwendig wäre dagegen eine Untersuchung weiterer ähnlich gelagerter Fälle durch eine unabhängige Kommission. Doch dazu dürfte es kaum kommen. So steht zu befürchten, dass „Verstecken spielen“ am Ende einen erneuten Beweis für die geringe Reformbereitschaft des polnischen Episkopats liefert, die sich aber zunehmend dem Druck einer breiteren Öffentlichkeit ausgesetzt sieht.
J. P., Ten Kościół bawi się oferiami (Diese Kirche treibt ihr Spiel mit den Opfern), Tygodnik Powszechny v. 24. 05. 2020, S. 14.