Kirchliche Einflussnahme im Präsidentschaftswahlkampf
In demokratischen Ländern ist es eine gute Sitte, seitens der Kirchen die Bürgerinnen und Bürger aufzufordern, an den Wahlen teilzunehmen, doch was die Kandidaten betrifft, Neutralität zu wahren. Dem entspricht auch das vom Generalsekretär der Polnischen Bischofskonferenz unterzeichnete, lapidare Kommuniqué, mit dem die Bischöfe wenige Tage vor der Stichwahl die Gläubigen an ihre politische Verantwortung erinnern, die ihnen gebietet, am Wahltag zu den Urnen zu gehen. Journalisten und Politiker werden aufgefordert, ehrlich zu berichten und bei aller Polemik die Achtung vor dem politischen Gegner zu wahren.
Doch in der Praxis kann von einer Neutralität keine Rede sein. Selbst gegen ein ausdrückliches Verbot seitens der Kurie hängen auf kirchlichem Territorium Plakate mit der Aufforderung, Duda zu wählen. Und manche Bischöfe sprechen sich mehr oder weniger deutlich dafür aus, am 12. Juli den amtierenden Präsidenten Duda und nicht seinen Kontrahenten Rafał Trzaskowski zu wählen. So etwa Bischof Ignacy Dec, der Vorsitzende des Bischöflichen Rats für das Laienapostolat, in einem Interview in dem zum Medienimperium von Pater Rydzyk gehörenden „Nasz Dziennik“: „Der Katholik soll den Kandidaten wählen, der sich zu den auf Dialog und Evangelium basierenden Werten bekennt.“ Im Folgenden verdeutlicht Dec, dass Rafał Trzaskowski seiner Meinung nach diese Grundvoraussetzung nicht erfüllt und daher für einen Katholiken nicht wählbar ist. Zur Begründung verweist er auf Trzaskowskis Tätigkeit als Stadtpräsident von Warschau. „Die Ansichten des von ihm repräsentierten politischen Milieus bringen ihn in einen ernsten Konflikt mit der Lehre der Kirche.“ Als Beweis werden von Dec Halbwahrheiten und falsche Unterstellungen angeführt: Propagierung von LGBT, Unterstützung einer demoralisierenden Sexualerziehung, nach der angeblich Kinder bereits im Alter bis zu vier Jahren in der Praxis der Masturbation zu unterweisen seien, Sechsjährige über die Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts und Achtjährige über den Gebrauch von Verhütungsmitteln. Nichts Dergleichen hat Trzaskowski in seinem Wahlkampf vertreten, sich wohl aber gegen Diffamierung und gesellschaftliche Ausgrenzung von Homosexuellen gewandt. Diese auch von anderen mit „Rado Maryja“ verbundenen Bischöfen vertretene Ausfassung verfolgt das Ziel, den Präsidentenwahlkampf nicht als eine rein politische, sondern als eine weltanschauliche Auseinandersetzung zu charakterisieren, die es Katholiken verbiete, Trzaskowski ihre Stimme zu geben. Ein eindeutiges Plädoyer für die Wiederwahl von Andrzej Duda.
Je näher der Tag der Stichwahl, umso aggressiver der Wahlkampf. Wahlplakate werden verunstaltet oder vernichtet. Es kommt zu Beschimpfungen, Hasstiraden und Tätlichkeiten, und dies vor allem von Seiten der Duda-Wähler, die im Rückgriff auf die von Dec und anderen Bischöfen vorgebrachten Argumente der Gegenseite eine durch die Sexualverführung der Kinder herbeigeführte Demoralisierung der Nation unterstellen.