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Warschau ohne deutschen Botschafter

Seit drei Monaten ist der deutsche Botschaftsposten in der polnischen Hauptstadt unbesetzt. Dabei hatte die deutsche Bundesregierung bereits im Mai mit Arndt Freytag von Loringhoven einen Topdiplomaten zum Botschafter ernannt. Er war zuvor Leiter der politischen Abteilung der Moskauer Botschaft, danach Botschafter in Prag und zuletzt Geheimdienstkoordinator der NATO. Ein Mann also mit politischer Osterfahrung, der angesichts der gegenwärtigen Situation in Belarus für eine deutsch-polnische Abstimmung besonders wichtig wäre.

Doch von Loringhoven wartet bis heute auf das Agrément der polnische Regierung. Normalerweise wird ein solches Papier im Laufe von zwei Wochen erteilt. Trotz wiederholter Nachfrage bleibt die polnische Regierung für dieses ungewöhnliche Verhalten die Antwort schuldig. Auch das deutsche Außenministerium und das Bundeskanzleramt hüllen sich, was die möglichen Gründe betrifft, in Schweigen.

Was die polnische Seite veranlasst, die Erteilung ihrer Zulassung hinauszuzögern oder möglicherweise gar zu verweigern, kann nur als Affront verstanden werden. Über die Gründe wird sowohl in der deutschen wie in der unabhängigen polnischen Presse spekuliert. Ist es das Misstrauen gegenüber einem mit den Geheimdiensten so vertrauten Botschafter wie von Loringhoven? Oder ist es die Reaktion auf kritische Äußerungen der unabhängigen, deutschen Kapitaleignern gehörenden polnischen Medien während des jüngsten Wahlkampfes um das Präsidentenamt?

Wie aus politisch gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen ist, sei der wahre Grund der Vater des designierten Botschafters. Er war im Zweiten Weltkrieg im Rang eines Majors Adjutant eines Generals in der Obersten Heeresleitung. Als solcher war er in der Endphase des Kampfes um Berlin im Hitlerbunker, den er einen Tag vor Hitlers Selbstmord verließ. Es gelang ihm, sich nach Westen durchzuschlagen, wo er sich in englische Gefangenschaft begab. Irgendwelcher Kriegsverbrechen wurde er nach dem Krieg nicht beschuldigt. So konnte er am Aufbau der Bundeswehr mitwirken, der er bis zu seiner Pensionierung angehörte.

Jarosław Kaczyński sehe, so heißt es, in der Ernennung des Sohnes eines so hohen Offiziers des Zweiten Weltkriegs zum Botschafter in Polen einen nicht hinnehmbaren Akt nationaler Demütigung, der eine entsprechende Reaktion verlange.

Arndt Freytag von Loringhoven lernt derweil fleißig Polnisch und wartet geduldig auf den Tag, an dem er seinen Warschauer Posten antreten kann.

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