top of page

Corronaalarm in Polen

Coronaalarm in Polen

Polen hatte im Frühjahr die erste Coronawelle gut überstanden. Die Infektionen waren im Vergleich zu anderen europäischen Ländern niedrig. Das hat sich mit Beginn des Herbsts deutlich verändert. Gegenwärtig sind die Infektionszahlen noch höher als die in der Bundesrepublik, und dies bei nur die Hälfte an Einwohnern. Auch die Todesfälle übersteigen deutlich die der Bundesrepublik.

Wie ernst die polnische Regierung die Lage einschätzt, zeigte kein Geringerer als Premier Morawiecki. Am 13. Oktober suchte er, selbst in Quarantäne, mittels einer Videokonferenz das Gespräch mit führenden Politikern der Opposition. Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang, wenn man bedenkt, dass sich die nationalkonservative Kaczyński-Partei samt ihrer Regierung bislang einem parteiübergreifenden Dialog verweigert und Vorschläge der Opposition stets zurückgewiesen hat.

Die Oppositionspolitiker lehnten zwar das Gespräch mit dem Regierungschef nicht ab, reagierten aber misstrauisch, weil sie in seiner Initiative einen Versuch sahen, für die Coronakrise mitverantwortlich gemacht zu werden. Sie nutzten die Gelegenheit, der Regierung Versäumnisse vorzuwerfen. Sie habe sich durch die niedrigen Infektionszahlen der ersten Welle täuschen und die Zeit ungenutzt gelassen, sich auf die im Herbst zu erwartende zweite Welle vorzubereiten. Im Wahlkampf um das Präsidentenamt habe sie sich als die politische Kraft inszeniert, die allein in der Lege sei, die Nation vor dem Coronavirus zu schützen. Morawiecki habe selbst auf einer Wahlkampfveranstaltung die Parole ausgegeben, niemand müsse sich ängstigen. „Ich sehe hier die Mehrzahl der Personen ohne Maske, denn zum Glück wurde diese ganze Krankheit bewältigt! Sie ist unter Kontrolle. Sie ist wie jede andere Krankheit. Und es gibt weit schlimmere Krankheiten.

Nun zeige sich, so der Posener Stadtpräsident Jacek Jaśkowiak, dass die Epidemie bereits außer Kontrolle geraten ist. Im Posner Raum seien die Kapazitäten des Gesundheitswesens jetzt schon so gut wie ausgeschöpft. Die Situation sei dramatisch, und sie verschlechtere sich von Tag zu Tag. „In ein, zwei Monaten wird die Mehrheit von uns jemanden kennen, der am Coronavirus gestorben ist. Das ist die Schuld von Verssäumnissen der Regierung.“

Auf den Hilferuf der Regierung reagierte die Opposition zudem mit Forderungen: Um den Kampf gegen das Coroavirus erfolgreich zu führen und die dadurch entstehenden sozialen und wirtschaftlichen Krisen abzufedern, seien zusätzliche Mittel in Höhe von 5 Milliarden Zł. Erforderlich. Täglich müssten 10 000 Tests durchgeführt und für die Grippeimpfung 10 Millionen Zł. zur Verfügung gestellt werden.

Während Morwiecki, wie die Opposition glaubt, mit seiner Initiative „die weiße Flagge gehisst hat“, verbreitete Vizeminister Jacek Sasin am gleichen Tag im Radio die Botschaft, man müsse sich keine Sorgen machen. Es gäbe genug Klinikplätzte, Atemgräte und sonstiges medizinisches Gerät. Und dann attackierte er die Ärzteschaft. Einem eil der Ärzte fehle der nötige Einsatz im Kampf gegen Covid-19. „Ich betone – einem Teil. Natürlich kommen sehr viele Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger mit großer Hingabe ihrer Pflicht nach. Aber ein Teil eben nicht.“

Kommentatoren sehen in dieser Argumentation das auch sonst von der nationalkonservativen PiS benutzte Muster, in Verfolgung ihrer Politik bestimmte Berufsgruppen zu Sündenböcken zu erklären – die Richter im Kontext ihrer die Gewaltenteilung in Frage stellenden Justizreform, die Lehrer im Rahmen ihrer Bildungsreform und nun die Ärzte, um von ihrem eignen Versage abzulenken und die Schuld für die sich zuspitzende Coronakrise den Ärzten anzulasten.

Die reagierten denn auch entsprechend. Der Vorsitzende der Ärztevereinigung forderte Minister Sasin auf, sich zu entschuldigen. Im Übrigen habe man die Warnungen der Ärzte in den Wind geschlagen. Die Pandemie bringe sämtliche Mängel des Gesundheitswesens ans Licht, den Personalmangel, die Unterfinanzierung sowie das von der Regierung verschuldete Organisationschaos. Welchen Preis die polnischen Ärzte und Krankenschwestern bislang im Kampf gegenCovid-19 haben zahlen müssen, zeigt die Statistik. 1400 Ärzte und 3200 Krankenschwestern erkrankten an dem Virus.

Yorumlar


Follow Us
  • Twitter Basic Black
  • Facebook Basic Black
  • Black Google+ Icon
Recent Posts
bottom of page