Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen 12. 10. 2022
- Theo Mechtenberg
- 11. Okt. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Die Diskriminierung der deutschen Minderheit in Polen nahm ihren Anfang im Dezember 2021. Damals sah die Verabschiedung des Haushalts durch das polnische Parlament eine Kürung der Ausgaben für die deutsche Minderheit in Höhe von 39,8 Millionen Zł. vor. Begründet wurde dies mit „organisatorischen Veränderungen“ im Bereich des Deutschunterrichts.
Was es mit diesen „organisatorischen Veränderungen“ auf sich hat, das wurde Anfang Februar 2022 durch zwei Erlasse des Bildungsministers Przemysław Czarnek klar. Erstens reduzierte er den Deutschunterricht für die deutsche Minderheit von drei Wochenstunden auf eine einzige, wobei allen anderen Minderheiten weiterhin drei Wochenstunden zugestanden wurden. Zweitens begrenzte er die Subventionen für den Deutschunterricht um annähernd 40 Millionen Zł.
Rafał Bartek, der Vorsitzende der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen schrieb in dieser Angelegenheit am 20. September 2022 an Agata Kornhäuser-Duda, die Gattin des polnischen Staatspräsidenten, einen Brief, in dem es u. a. heißt:
„Nachdem unsererseits mehrere Interventionsversuche enttäuschend verliefen, haben ich und der zweite Vorsitzende der -Deutschen Minderheit in Polen unsere Tätigkeit in der Gemeinsamen Kommission von Regierung und den nationalen und ethnischen Minderheiten niedergelegt. Das war für uns keine leichte Entscheidung. Ich sitze in dieser Kommission seit ihrer Entstehung im Jahr 2005, und die Kommission bildete bis zu dieser Stunde die einzige Form eines ständigen Dialogs zwischen den Minderheiten und der Regierung. Leider wurden die Kommissionsmitglieder während des gesamten Prozesses der Einführung der diskriminierenden Erlasse gänzlich übergangen. Als Ausdruck der Solidarität mit unserer Gesellschaft ließen von 20 Kommissionsmitgliedern weitere 14 ihre Arbeit ruhen. Es ist dies ein Zeichen unserer `Verzweiflung` und `Ohnmacht` angesichts der faktischen Situation. Im freien Polen nach 1989 gab es zu keiner Zeit eine Situation, in der eine Gesellschaft schlechter behandelt wurde als andere, und dies einzig und allein wegen ihrer nationalen Herkunft.“
Rafał Bartek betonte zudem, dass aufgrund der Maßnahmen seit dem 1. September, dem Tag des Schulbeginns, hunderte Deutschlehrer ihre Arbeit verloren haben oder anderweitig im Schuldienst eingesetzt werden. Weiter heißt es in dem Brief: „Die Gemeinsame Kommission arbeitet nicht, und die Minderheiten blicken mit wachsender Ungewissheit in die Zukunft. Wir leiden unter dem mangelnden Dialog sowie unter den fehlenden Versuchen, einen Ausweg aus der entstandenen Situation zu finden. Wurden wir wirklich von einem Tag auf den anderen wegen kurzsichtiger politischer Ziele zu Bürgern zweiter Klasse? Zu Bürgern, deren Engagement und Arbeit im Dienst der Polnischen Republik weniger Wert besitzen? Zu Bürgern, deren Kinder man der Chance beraubt, ihre Heimatsprache im gleichen Maße zu erlernen wie Kinder anderer Minderheiten in Polen?
Daher erlaube ich mir, mich an Sie mit der Bitte um Unterstützung zu wenden, an die Erste Dame, aber auch an die Germanistiklehrerin, die sicher weiß, wie wichtig es ist, in heutiger Zeit nicht nur eine zweite Sprache zu erlernen, sondern auch eine zweite Kultur. Als Lehrerin wie als Mutter wissen Se am besten, wie schädlich eine ungleiche Behandlung für Kinder ist. Und eben dies ereignet sich gegenwärtig in unseren Schulen – in europäischen Schulen des 21. Jahrhunderts. Damit sind wir weder einverstanden, noch ist dies moralisch zulässig. Denn wie Erzbischof Nossol wiederholt sagte: ´Andersartigkeit ist nicht dasselbe wie Fremdheit. Andersartigkeit kann eine wechselseitige Bereicherung sein. Aufgrund der Andersartigkeit kann man sich gegenseitig beschenken´.“
Quelle: Mniejszośċ niemiecki poprosiła pierwszą damę o wsparcie. Bez odpowiedzi (Die deutsche Minderheit bat die Erste Dame um Unterstützung. Ohne Antwort), Gazeta Wyborcza v.10.10.2022; Internet)
Inzwischen hat die deutsche Minderheit gegen die Erlasse von Minister Czarnek bei der Europäischen Kommission Klage erhoben.
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