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Ein Altarraum wird zur Politbühne

  • Theo Mechtenberg
  • 18. Jan. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Am 17. Januar berichtete die „Gazeta Wyborcza“ von einem Aufsehen erregenden Vorfall als Beispiel für die Symbiose von Thron und Altar in Zeiten der PiS-Regierung. Zum 8. Jahresgedächtnis des Todes seiner Mutter hatte Parteichef Jarosław Kaczyński mit anderen Politikern seiner Partei an einem Gottesdienst teilgenommen. So weit, so gut. Das Ende der Messfeier wurde vom staatlichen Fernsehen TVP übertragen. Auf diese Weise bekamen die Fernsehzuschauer zu hören, was Kaczyński unmittelbar nach dem Schlusssegen zu sagen hatte. Nach Würdigung seiner Mutter an ihrem Geburtsort dieses Gottesdienstes holte er zum Rundumschlag gegen alle vermeintlichen Feinde der Kirche und der Nation aus:

„Zum ersten Mal spreche ich hier, an diesem Ort, im Inneren der Kirche. Und dies, weil dort draußen jene stehen, die der allerschlimmsten Sache dienen, der Vernichtung der Kirche, der Vernichtung der Nation. Das ist etwas, das uns stets vor Augen stehen muss, dessen wir uns bewusst sein müssen. Aber wir müssen auch den ganz starken Willen haben, uns dem zu widersetzen, damit wir in diesem Kampf um die polnische Identität, um all das, was uns im öffentlichen Leben lieb und teuer ist, den Sieg davontragen.“

Kaczyński beließ es nicht bei diesen mehr allgemeinen Aussagen. Er griff die Vorgängerregierungen direkt an, wobei er auf einen Film verwies, der einen vermeintlichen Korruptionsfall zum Thema hat, in dem Donald Tusk und seine Familie angeblich verwickelt sein soll, und der vor einer Woche im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt worden war. Angesichts der gegen Kaczyński erhobenen Korruptionsvorwürfe, die allerdings von den PiS-treuen Gerichten nicht verfolgt wurden, ist dies geradezu ein Musterbeispiel an Verlogenheit: „Diesen Film zu verstehen, mag nicht leicht sein, besonders nicht für jene, die über keine näheren Kenntnisse verfügen. Aber er zeigt äußerst zutreffend, worauf in diesen Jahrzehnten in Bezug auf Polen der Regierungsmechanismus beruhte, der letztlich, so hoffe ich, 2015 ein für alle Mal sein Ende fand.“

Dieser skandalöse Auftritt des Chefs von „Recht und Gerechtigkeit“ blieb nicht ohne Widerspruch. Roman Giertych, der einer namhaften katholischen Familie entstammt und als Anwalt PiS unliebsame Persönlichkeiten verteidigt, wobei er selbst schmerzliche Erfahrungen mit Kaczyńskis Sicherheitsapparat machen musste, wandte sich in einem offenen Brief an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz, den Posener Erzbischof Stanisław Gądecki: „Gestern zeigte das staatliche Fernsehen TVP den Auftritt Jarosław Kaczyńskis, des Chefs der Partei „Recht und Gerechtigkeit“, der im Rahmen der Heiligen Messe vom Altarraaum aus „seine politischen Gegner beleidigte und für eine verlogene Produktion von TVP Reklame machte. Sie betrifft einen Film, der den guten Namen von Donald Tusk, den seiner Familie und den einer Reihe anderer Personen verunglimpft, indem man ihnen eine verbrecherische Tätigkeit unterstellt, die nicht einmal die zu diesem Zweck berufene Untersuchungskommission zu beweisen vermochte. Dieser Auftritt sowie das Einverständnis der kirchlich Verantwortlichen für diese beleidigende Propaganda des Chefs einer politischen Partei vom Altar aus, stellt eine weitere Grenzüberschreitung des Servilismus gegenüber den Regierenden dar. Er steht zudem in einem deutlichen Widerspruch zu den Prinzipien der katholischen Kirche, die ein solches Verhalten verbietet. In Zusammenhang mit dem Gesagten habe ich an Sie als Erzbischof die Frage: Ist die Kirche in Polen noch Teil der Katholischen Kirche oder wurde sie zu einen Art Nationalkirche, die gemäß eigener Grundätze handelt?“

Giertych erinnerte zudem den Erzbischof an den in jüngster Zeit zu verzeichnenden „drastischen Rückgang des Vertrauens der Polen zur Kirche. Während Ihrer Karenzzeit betrug dieser Rückgang fast 25 Prozentpunkte und ist damit die größte Vertrauenskrise der Nation zur Kirche in der Geschichte unseres Vaterlandes. Ursache dieser Krise ist das für jeden sichtbare Bündnis zwischen der katholischen Hierarchie in Polen und der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“, wie es in der gegenseitigen Unterstützung, der Finanzierung, der Propaganda und der beiderseitigen Schützenhilfe zum Ausdruck kommt. Dieses Bündnis ist für die Kirche, die von zynischen Operateuren auf einfache Weise missbraucht wird, verheerend. Darauf nicht zu reagieren, ist ein Verbrechen.“

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