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Eine Aufsehen erregende Kündigung durch den Krakauer Erzbischof

Am 5. Januar erhielt die Redaktion des „Tygodnik Powszechny“ seitens der Krakauer Kurie ohne nähere Begründung die Aufforderung, binnen dreier Monate die angemieteten Räume zu verlassen. Diese 1945, noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs auf Initiative des damaligen Krakauer Metropoliten Fürst Sapieha gegründete katholische Wochenzeitschrift für Gesellschaft und Kultur hatte 75 Jahre lang ihren Sitz in der zur Kurie gehörenden Wiśła 15, einer weit über Polen hinaus bekannten Adresse, die zu kommunistischen Zeiten als bevorzugte Anlaufstelle westlicher Polenbesucher diente. Auch mir sind diese Räumlichkeiten sehr vertraut.

Selbst ohne Begründung der Kündigung ist jedem Kenner der Situation klar, dass der seit gut vier Jahren in Krakau residierende Erzbischof Marek Jędraszewski es nicht weiter dulden wollte, dass der „Tygodnik“, den er nicht für katholisch hält, ausgerechnet die Räumlichkeiten seiner Kurie nutzt. Er ist im Übrigen der erste Krakauer Metropolit, der keinen Kontakt zum „Tygodnik“ pflegt. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass dem „Tygodnik“ zu einem Zeitpunkt gekündigt wurde, zu dem Kardinal Wojtyła, der spätere Papst, gewohnheitsgemäß die Redaktion zu sich einlud.

Erzbischof Jędraszewski ist innerhalb des polnischen Episkopats der prominenteste Vertreter eines national-polnisch geprägten Katholizismus. So hat er beispielsweise im Kampf gegen LGBT diese homosexuelle Gruppierung im Unterschied zur überwundenen „roten“ eine „regenbogenfarbige Pest“ genannt und sich dafür u. a. auch die Kritik des „Tygodnik“ eingehandelt.

Der „Tygodnik“ bildet seit langem das beliebte Angriffsziel nationalkatholischer Kreise. Jede berechtigte Kritik an kirchlichen Missständen wird von diesen Leuten als eine kirchenfeindliche Attacke gewertet. Der „Tygodnik“ ist d a s Organ eines weltoffenen Katholizismus, in dem sich die Auseinandersetzung mit einem in sich geschlossenen, reformresistenten und national geprägten Katholizismus spiegelt.

Die Kündigung der Räumlichkeiten hat allerdings auch ihr Gutes. Die Auflage des „Tygodnik“ stieg sprunghaft an. In kurzer Zeit erhielt die Redaktion Spenden in Höhe von 50 000 Zł. Auch Angebote für einen neuen Redaktionssitz gingen bereits ein.

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