Gehäufte Selbstmordfälle unter polnischen Priestern
- Theo Mechtenberg
- 23. Jan. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Seit einiger Zeit häufen sich die Selbstmorde unter polnischen Priestern. Sie wecken das Interesse von Journalisten, die sie im Einzelnen belegen und versuchen, zu ihrer Aufklärung beizutragen. Am Ende stehen aber auch sie zumeist vor einem Rätsel. Dazu einige Beispiele:
Ein in der Gemeinde geschätzter Vikar liebte es, mit seinem Motorrad in die Natur hinauszufahren. Eines Tages findet man ihn erhängt im Pfarrhaus.
Seine Mutter, eine Witwe in ärmlichen Verhältnissen, erhält vom Pfarrer telefonisch die lakonische Mitteilung: „Ihr Sohn feierte die heilige Messe, empfing die Kommunion und ging dann heim zum Herrn.“ Nichts weiter. Kein Priester suchte sie auf; die Kurie meldete sich nicht bei ihr; niemand, der seitens der Kirche Trost und Hilfe angeboten hätte. Um ihren Priestersohn bestatten zu können, musste sie sich das dazu nötige Geld leihen.
Über den Selbstmord eines anderen Priester verweigern die Angehörigen, die Schwester Nonne, der Onkel Pfarrer, jede Auskunft. Doch Kollegen des Toten berichten, er sei von seinem Pfarrer systematisch gemobbt worden, weil er sich geweigert habe, bei den traditionellen weihnachtlichen Hausbesuchen von armen Familien Geld zu nehmen. Noch am Tag seines Selbstmords habe er ihm untersagt, mit der Pfarrjugend in das lange geplante Ferienlager zu fahren.
Ein Pfarrer steuert seinen Wagen mit 1,35 Promille Alkohol im Blut gegen eine Mauer, bleibt aber unverletzt. Drei Tage später, an seinem Namenstag, warten die geladenen Gäste vergeblich auf sein Erscheinen. Die Vikare finden ihn erhängt im Bad.
Es gibt Selbstmorde aus Scham nach Aufdeckung persönlicher Schuld. So der Suizid eines in der Gemeinde beliebten, doch heimlich pädophilen Priesters, der nach Jahren von seinem Opfer angeklagt wurde, sich auf dem Grab seiner Eltern mit Terpentin übergoss und im Feuer endete.
Zwei Brüder, der eine Jesuit, der andere Dominikaner, erhängten sich, jeder mit seiner Krawatte, im Abstand von einem Jahr. Beide standen kurz davor, ihre Orden zu verlassen.
Gewiss, all das sind Einzelfälle, aber sie summieren sich. So gab es im Laufe von sechs Jahren in der Diözese Kalisz acht Selbstmorde von Priestern, in der Diözese Tarnów waren es in kürzester Zeit ein gutes Dutzend.
Ein Priester, der sich selbst lange Zeit mit dem Gedanken getragen hat, aus dem Leben zu scheiden, sieht den Grund, sich das Leben zu nehmen, vor allem in der Einsamkeit der Dorfpriester. Außer Messelesen und Beichtehören sei da wenig zu tun, seitdem die Katechese zunehmend von Ordensschwestern und Laien übernommen werde. Auch finde man niemanden, mit dem man über seine Probleme reden könne. So erfahre man das Leben als sinnlos, funktioniere aber nach außen weiter wie gewohnt. Und im Zustand der Depression greife man dann zum Strick.
Die meisten Selbstmorde von Priestern sind in der besonders stark religiös geprägten Region des Karpatenvorlands zu verzeichnen. Die Menschen dort haben dafür eine einfache Erklärung: Das ist ein Werk des Teufels. „Er umschleicht die Kirche und nimmt uns die Priester. Vor unserem Pfarrer nahm er drei, nach ihm noch vier“ – so die Aussage eines Gemeindeglieds.
Doch warum begehen ausgerechnet dort, wo es die meisten Priesterberufe gibt, so viele Priester Selbstmord? Jacek Prusak, Jesuit und Psychotherapeut, meint, dass die Priester dort unter einem besonders starken sozialen und psychischen Druck stehen. Einerseits erfreuen sie sich eines außergewöhnlich hohen Ansehens, andererseits können sie diesem Ideal nicht entsprechen. Sie werden wie Heilige behandelt, als solche, die keine Schwächen, keine Fehler, keine Probleme haben. Haben sie aber und sehen sich daher genötigt, sie vor den Gläubigen zu verbergen. Allein schon das Bewusstsein, ihre Vorgesetzten, die Gemeindeglieder, die Familie könnten von ihren Fehlern und ihrem Versagen erfahren, treibe sie in den Selbstmord.ilfe an geboten hjätte. Um ikhren Priestersohn bestatten u können, musste skie sich das dafür n ötoghe Geld leihen.errn.“ Nichts weiter. HHH
Typisch ist in diesem Zusammenhang folgender Fall: Ein Vikar hatte eine Romanze mit einer verheirateten Lehrerin. Ihr Mann intervenierte bei dessen Pfarrer, und der versprach, bei der Kurie seine Versetzung zu beantragen, um auf diese Weise die Verbindung zu lösen. Unmittelbar nachdem der Pfarrer seinem Vikar dies mitgeteilt hatte, erhängte sich er in seinem Zimmer.
Noch ist nicht erkennbar, wie Polens Bischöfe künftig mit den sich häufenden Selbstmorden ihrer Priester verfahren wollen. Eine sie erfassende Statistik gibt es bislang nicht. Auch keine offizielle kirchliche Untersuchung von derlei Fällen. Daher ist man auf Vermutungen angewiesen und sieht die Hauptursache in der Depression. Doch warum erkranken so relativ viele polnische Priester psychisch? Sind es Probleme mit dem Zölibat, Konflikte mit ihren Vorgesetzten, die erfahrene Einsamkeit, schlechte Arbeitsbedingungen, Überlastung, der soziale Druck, Glaubensschwierigkeiten? All das kann zu einer Depression führen, die mit einem Suizid endet. Um dem entgegenzuwirken, wäre es erforderlich, dass die betroffenen Priester Hilfe erfahren. Sie müsste angeboten, aber auch in Anspruch genommen werden. Dies setzt voraus, dass die betroffenen Priester Verständnis finden und nicht als stigmatisiert gelten. Die gängige Praxis der Bischöfe, solchen Priestern gut zuzureden und sie lediglich zu versetzen, reicht jedenfalls nicht. Noch scheint Polens Kirche nicht bereit oder nicht in der Lage, die Suizide ihrer Priester in der Weise ernst zu nehmen, dass sie mit ihrer Tabuisierung bricht, für Transparenz sorgt und Möglichkeiten der Prävention und Heilung schafft.
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