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Im Gedenken an Bischof Tutu


Geboren wurde der spätere Friedensnobelpreisträger am 7. Oktober 1931 als Sohn eines Lehrers in der nahe bei Johannesburg gelegenen Kleinstadt Klerksdorp. Die Taufe empfing er in der methodistischen Gemeinde. 1943 verzog die Familie nach Johannesburg. Im gleichen Jahr trat sie der Anglikanischen Kirche bei.

Tutus Weg zum Priestertum

Desmond Tutu gelangte auf Umwegen zum Priestertum. Eigentlich wollte er Arzt werden, doch für ein Medizinstudium fehlte das Geld. So folgte er den Spuren seines Vaters und wurde Lehrer. Den Beruf übte er jedoch nur kurze Zeit aus, und dies aus Enttäuschung und Empörung darüber, dass auf Geheiß der Regierung die Schwarzen eine schlechtere Bildung als die Weißen erfahren sollten.

Als Missionsschüler hatte er den aus Großbritannien stammenden anglikanischen Theologen Trevor Huddelstone kennen gelernt. Der hatte sich fürsorglich um den jungen Tutu gekümmert, als dieser aufgrund einer Lungenentzündung fast 2 Jahre im Krankenhaus verbringen musste. Unter dem Einfluss von Huddelstone, in dem Tutu seinen Mentor sah, entwickelte er eine besondere Sensibilität für die diskriminierende und menschenverachtende Apartheit, und auch der Wunsch, Priester zu werden, dürfte von ihm beeinflusst worden sein.

Von Huddelstone sagte Nelson Mandela, kein Weißer habe so viel für Südafrika getan wie er. Mit seinen Predigten und Schriften erwies er sich als ein entschiedener Gegner der Apartheit, die er als Sünde und als mit dem christlichen Glauben unvereinbar erklärte.

1958, mit 27 Jahren, begann Tutu seine theologische Ausbildung und wurde drei Jahre später zum Priester geweiht. Es war die Zeit blutiger Unruhen, in der allein in der Kleinstadt Sharpeville über 60 Schwarze von der Polizei erschossen wurden. Die Regierung verhängte den Ausnahmezustand. Tausende Schwarze wurden verhaftet.

Zu diesem Zeitpunkt trat Tutu noch nicht als Kämpfer gegen die Apartheit in Erscheinung. Er ging viel mehr nach London, um seine theologischen Studien zu vertiefen. Dort erlebte er eine Gesellschaft ohne Rassenschranken. Er genoss es, neben Weißen auf der Tribüne eines Fußballstadions zu sitzen und von Polizisten mit „Sir“ angeredet zu werden. Ihm wurde klar, dass in Südafrika die gleichen Verhältnisse herrschen müssen und er selbst dazu einen Beitrag zu leisten hatte.

Nach seiner Rückkehr wurde Tutu als erster Schwarzer Dekan an der anglikanischen Kathedrale in Johannesburg. Wenig später wurde er zum Bischof geweiht und 1978 als erster Schwarzer zum Generalsekretär des Rates Südafrikanischer Kirchen berufen.

Kämpfer gegen die Apartheit

Die gesellschaftliche Situation, der sich Tutu als Generalsekretär gegenüber sah, erschien trostlos. Der Afrikanische Nationalkongress, die Vertretung der schwarzen Bevölkerung, war verboten worden, Nelson Mandela dazu verurteilt, sein Leben bis zu seinem Tod hinter Gittern zu verbringen. Seine Weggefährten waren größtenteils emigriert, die schwarze Protestbewegung damit führerlos. Lediglich Mandelas Ehefrau führte einsam und von der Polizei drangsaliert einen Rachefeldzug, in dem Kollaborateure ermordet und gegen die weißen Herren Anschläge verübt wurden.

Tutu lehnte Rache und Gewalt im Kampf gegen die Apartheit ab. Als Ankläger eines menschenverachtenden Systems wollte er dieses mit friedlichen Mitteln überwinden. Ihm gelang es, den Südafrikanischen Rat der Kirchen als machtvolle Kraft für diese Art des Kampfes zu gewinnen.

Es war ein langer, am Ende erfolgreicher Weg, den Tutu wählte. Anfangs galt er bei den Weißen als Phantast, bei den radikalen Schwarzen als ein nützlicher Idiot, der glaubt, man könne die Weißen dazu bringen, die Apartheit abzuschaffen und damit ihre Macht aus den Händen zu geben.

Tutu setzte sich nicht nur mit Worten, sondern mit seiner ganzen Person der Gewalt entgegen. Bezeichnend ist ein Vorgang aus dem Jahr 1985. Nach der Beerdigung eines schwarzen Gewaltopfers stellte er sich schützend vor einen enttarnten Kollaborateur, den die wütende Menge bei lebendigem Leib verbrennen wollte. Er drohte, das Land verlassen zu wollen, wenn auf solche Weise die Freiheit erstritten werden sollte.

Tutu warb auf seinen zahlreichen Auslandsreisen für ein Ende der Apartheit. Er sprach auf dem Forum der Vereinten Nationen und rief Präsidenten und Premiers dazu auf, den Kontakt zu dem von weißen Rassisten regierten Südafrika abzubrechen. Er scheute sich nicht, Ronald Reagan und Margaret Thatcher Rassisten zu nennen, weil diese die Verhängung von Sanktionen ablehnten.

Für sein Engagement im Kampf gegen die Apartheit erhielt Bischof Tutu 1984 den Friedensnobelpreis. In seiner Rede verdeutlichte er, dass Tyrannei, Gewalt und Diskriminierung nicht nur das Opfer sondern auch den Täter entmenschlichen, dass ein menschenwürdiges Leben nur in Gemeinschaft und Solidarität möglich ist, dass wir Menschen um der Menschlichkeit willen einander brauchen, und dies in dem Bewusstsein, dass ich bin, weil du bist.

Zwei Jahre nach Entgegennahme des Friedensnobelpreises wurde Tutu Erzbischof von Kapstadt. Als Frederik de Klerk 1989 zum südafrikanischen Präsidenten gewählt wurde, schrieb Tutu ihm, die Schwarzen würden den Weißen ihre an ihnen verübten Verbrechen verzeihen, wenn Mandela frei komme und die Bestimmungen der Apartheit aufgehoben würden. Sein Schreiben hatte Erfolg. De Klerk war sich bewusst, dass die Apartheit keine Zukunft hatte. Anfang 1990 wurde Mandela aus der Haft entlassen, vier Jahre später ging er aus den ersten freien Wahlen als Sieger hervor und wurde als erster schwarzer Präsident vereidigt.

Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission

Nach dem Ende der Apartheit wollte sich Tutu ganz auf seine bischöflichen Aufgaben konzentrieren. Doch Mandela bat ihn, den Vorsitz der Wahrheits- und Versöhnungskommission zu übernehmen. Ihre Einsetzung war eine der ersten Entscheidungen, die Mandela nach seiner Amtsübernahme traf. Sie sollte die während der Apartheit von Weißen wie von Schwarzen begangenen Verbrechen ans Licht bringen, die Täter bestrafen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen. Doch wichtiger als die Verhängung von Strafen sollte die gesellschaftliche Versöhnung sein. Ihre Voraussetzung war das Eingeständnis persönlicher Schuld und die Bereitschaft zur Wiedergutmachung.

Bischof Tutu verstarb am 2. Weihnachtstag 2021. Seinem Wunsch gemäß wurde er in einem Armensarg bestattet. Doch sein Leichnam wurde weder traditionell dem Erdreich übergeben, noch den Flammen des Krematoriums. Tutu wählte für sich eine chemische Zersetzung seiner Gebeine, weil er dies für ein die natürliche Umwelt schonendes Verfahren hielt. Beigesetzt wurde die Urne mit den sterblichen Überresten in der Krypta seiner Kathedrale.

Quelle: Wojciech Jagielski, Dobry biskup Tutu (Guter Bischof Tutu), Tygodnik Powszechny v. 16. 01. 2022, S. 34-37.




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