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Offener Brief des Senats und Rektorats der Katholischen Universität Lemberg

Offener Brief des Senats und Rektorats der Katholischen Universität Lemberg vom 23. März 2022 an die christlichen Gemeinschaften in der Welt

Mit Beginn der neuen Phase des gegenwärtigen russisch-ukrainischen Krieges erkennen die Ukrainer ihre Geschichte als unauslöschlich in die Seiten der Heiligen Schrift, in die verwickelten Geschehnissen der biblischen Geschichten eingeschrieben. Für Putins Regime gilt: „Dämonengeister, die Wunderzeichen tun, schwärmten aus zu den Königen der ganzen Erde, um sie zusammenzuholen für den Krieg am großen Tag Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung“ (Offb. 16,14), und sie fanden ihre Hoffnung im Sieg Davids gegen Goliath (Offb. 17, 1-52).

Der durch Leiden und Tod hervorgerufene Schmerz, die Bitterkeit wegen der Gleichgültigkeit mancher Weltpolitiker, aber auch die Dankbarkeit denen gegenüber, die uns zu Hilfe eilten, das sind die Gefühle, die heute die ukrainische Nation durchlebt. Gleichzeitig ist sie überzeugt, dass aus diesem Opfer, das die ukrainischen Soldaten und die Zivilbevölkerung heute erbringen, eine neue Ukraine hervorgeht. Genau das kann man aus den Worten des Göttlichen Opferlamms folgern: „Seht, ich mache alles neu“ (Offb. 25,5).

Die biblische Dimension des gegenwärtigen russisch-ukrainischen Krieges verändert das Angesicht unseres Planeten. Heute zerbricht die nach dem II. Weltkrieg entstandene gesamte globale Sicherheitskonzeption. Dieser Riss geht durch das ganze Arsenal an internationalen Verständigungen, an Institutionen der Sicherheit und Mechanismen für die Aufrechterhaltung des Friedens. In einem einzigen Augenblick verlieren bestimmte Berufskarieren und weltanschauliche Orientierungen, an die wir uns gewöhnt haben, ihren Sinn. Jüngste Axiome büßen ihre zweifelsfreie Eindeutigkeit ein und werden zu Theoremen, die eines neuerlichen Beweises bedürfen. Alle diese den geopolitischen status quo treffenden Erschütterungen erlebt auch die ökumenische Christenheit. Als Folge des unverhüllten Heidentums der Äußerungen des Moskauer Patriarchen, der die brutalen Grausamkeiten der russischen Soldateska rechtfertigt, geriet der gesamte Korpus der zwischenkirchlichen Beziehungen ins Wanken.

All jene „berufsmäßigen“ Ökumeniker sind ohne jedes Schamgefühl, die auf einen Wink Moskaus hin selbst bei den geringsten Vorfällen den Ukrainern einen angeblichen Bruch der Religionsfreiheit jener Orthodoxen vorwerfen, die in der eucharistischen Gemeinschaft mit dem Patriarchen verblieben. Dabei rechtfertigte das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche selbst die Morde und Gewalttaten an eben diesen russisch sprechenden Orthodoxen, deren Seelen für viele Jahre Schaden nehmen.

Nun hören wir Stimmen von Kirchenführern aus der ganzen Welt, die dazu aufrufen, dem Blutvergießen Einhalt zu gebieten und menschliches Leben zu retten. Wir sind den Theologen verschiedener Bekenntnisse dankbar, die die Kriegstreiber und die von ihnen verübten Grausamkeiten verurteilen. Zugleich können wir jedoch andere Stellungnahmen nicht mit Schweigen übergehen, hinter denen sich allzu oft Angst vor einer Beschädigung des „ökumenischen Dialogs“ verbirgt – Angst, den Schuldigen beim Namen zu nennen. Verzweifelte Versuche, einen kleinen Rest des weltchristlichen status quo zu bewahren, wobei schöne Worte die bittere Wahrheit von der Ablehnung der Einheit und ihrer Zerstörung verschleiern.

Man wünscht sich eine möglichst schnelle Verständigung der „verfeindeten Brüder“ und die Rückkehr zu einem „Dialog um jeden Preis“, zu den hinter den Kulissen abgesprochenen Ritualen eines Austausches der Höflichkeiten, die uns schon zur Gewohnheit geworden sind, zur Rettung des eigenen hierarchischen Status und der Karieren sowie zur Beruhigung des eigenen Gewissen.

All dies ist menschlich verständlich, doch unter dem Aspekt der Vorsehung – unnütz. Der jetzige Augenblick verlangt von den Kirchen eine prophetische Stimme, frei von Angst und Ideologie. Wir wollen von ihren Lippen nichts von „tiefer Beunruhigung wegen des Krieges“ hören, denn das ist die Sprache der Diplomatie. Wir wollen die bedeutsamen Worte der Wahrheit hören, die Jesus heute gesagt hätte, der uns mit seiner Haltung lehrte, dass man sich in Gott betreffenden Fragen der Wahrheit nicht entziehen darf. Denn nur eine solche Sprache kann als Sprache des Glaubens gelten. „Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 10,39).

Im gleichen Widerspruch zum Evangelium steht die Gleichsetzung der Leiden, welche die ukrainischen und die russischen Krieger erfahren. Erstere verteidigen ihr Land, letztere plündern ein fremdes. Die russischen Kriegsverbrecher, die Geburtskliniken zerstören, auf Alte und Kinder schießen, Frauen vergewaltigen, zu Marodeuren werden und sich ihrer „Eroberungen“ rühmen, sind keine „Bedauerungswürdige“. Die Leiden der ukrainischen und russischen Soldaten gleichzusetzen, das mag zwar der Ideologie der political correctness entsprechen, nicht aber dem Evangelium, das immer auf Seiten der Opfer steht.

Eben darum sind wir überzeugt, dass für die Welt die Zeit gekommen ist, Stellung zu beziehen, und das sowohl auf der politischen wie auf der geistigen Ebene. Man kann nicht weiterhin über den satanischen Charakter des Kremlregimes hinwegsehen, das Hass säht, unverhohlen lügt und grausame Kriege führt. Das sind neue Ausgeburten jener Macht, vor der die Gottesmutter in Fatima warnte, und diese Macht muss die juristische und moralische Verantwortung tragen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine darf nicht damit enden, dass all jene, die diese Taten verübten, weiterhin als voll berechtigte Mitglieder der Weltgemeinschaft betrachtet werden.

Ebenfalls unzulässig ist es, dass die Führung des Moskauer Patriarchats die moralische Verantwortung verweigert und dazu noch die juristische, Putins Regime moralische Unterstützung gewährt und den von Putin entfesselten Krieg rühmt. Angesichts der schrecklichen Grausamkeiten der russischen Soldaten in der Ukraine sagte ausgerechnet der Moskauer Patriarch: „Es kann bezüglich unserer Krieger kein Zweifel bestehen, dass sie in ihrem Leben einen äußerst guten Weg wählten.“ Aufgabe der christlichen Ökumene ist es, ihm zu verdeutlichen, dass der Weg dieser Krieger wie sein persönlicher Weg ins Verderben führt.

Wenn die christliche Welt will, dass die russische Orthodoxie moralisch gesundet und sie die Welt an ihren reichen Schätzen wahren Glaubens samt seiner Tradition teilnehmen lässt, dann muss sie sich bewusst sein, dass es dazu nicht kommt, es sei denn, Hierarchie und Gläubige leisten Buße. Die Ökumeniker der Welt sollen erkennen, dass der Vergleich zwischen der Ideologie einer „russischen Welt“ und der nazistischen Ideologie vollauf berechtigt ist. Daher muss die zur „Reichskirche“ gewordene Russisch-Orthodoxe Kirche ebenfalls die Schande auf sich nehmen wie zu ihrer Zeit die deutsche evangelische Kirche. Denn der Friede Gottes ist die Frucht der Entsagung des Bösen und der göttlichen Versöhnung.

Daher rufen wir im Namen der gesamten Gemeinschaft der Ukrainischen Katholischen Universität die christlichen Führer zu einem bekennenden und prophetischen Wort auf; gebietet dem Bösen Einhalt! Wir können es nicht zulassen, dass das Dunkel der Finsternis und des Todes Generationen ukrainischer Jugend zu verschlingen beginnt, denen wir den Glauben an das Gute, die Wahrheit und die Barmherzigkeit vermittelt haben. Lassen wir es nicht zu, dass sie an diese Werte zweifeln und helfen wir ihnen, die Morgenröte zu erblicken: „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffe des Lichtes“ (Röm 13,12). Die gegenwärtigen Blutopfer der Ukraine müssen zu einem Augenblick des Kairos werden, von dem die Erneuerung der Erde ihren Anfang nimmt!

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