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Synode als Problemlösung?

  • Theo Mechtenberg
  • 26. Juni 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Am 3. Mai traf sich der Ständige Rat des polnischen Episkopats zu einer routinemäßigen Sitzung. Thema war die bevorstehende Seligsprechung von Primas Stefan Wyszyński, die Sprache in den öffentlichen Debatten, die Auftritte von Priestern in den Medien sowie – und dies vor allem – die Notwendigkeit der Rückkehr zur verpflichtenden Teilnahme an den sonn- und festtäglichen Gottesdiensten. Letzteres bekräftigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, unmittelbar nach der Sitzung: „Wir müssen alles tun, damit die Gläubigen wieder real an der Liturgie und den Sakramenten teilhaben, denn davon hängt das Heil ab und nicht vom Fernsehgucken. [...] Die Rückkehr der Gläubigen zur Kirche ist die allerwichtigste Aufgabe. Die erste und grundlegende Sache ist die, dass die Gläubigen mit ihrer Rückkehr Zugang zum Erlöser haben.“

Es verwundert nicht, dass als erster der als besonders nationalkonservativ geltende Krakauer Erzbischof Marek Jędraszewski in einem Hirtenbrief das Ende der Dispens bekannt gab und es nicht unterließ, die Gläubigen darauf hinzuweisen, sie würden eine schwere Sünde begehen, wenn sie der heiligen Messe an Sonn- und Feiertagen ohne triftigen Grund wie Krankheit oder Alter fernbleiben.

Scharfe Kritik und ein konstruktiver Vorschlag

Der in Polen durch seine öffentlichen Äußerungen weithin bekannte Dominikaner Adam Szustak zeigte sich empört und reagierte entsprechend. In einem zweistündigen Interview attackierte er den Vorsitzenden der Bischofskonferenz: „Es gab so ein Treffen des Episkopats, und man gab bekannt, was jetzt das allerwichtigste Erfordernis der Kirche ist. Als ersten Punkt gab Gądecki an, alles nur Erdenkliche zu tun, dass die Menschen wieder in die Kirche gehen. In diesem Moment stockte mir der Atem. Es ist zum Heulen. Diese Leute haben nur dies eine im Kopf. Was sie betrifft, habe ich schon keine Hoffnung mehr.“

Möglich dass Pater Szustak, wie in vergleichbaren Fällen oftmals geschehen, wegen Aufsässigkeit zurechtgewiesen oder gar von seinem Ordensoberen disziplinarisch bestraft worden wäre. Doch nichts Dergleichen geschah. Zu P. Szustaks Überraschung wurde er vielmehr von Erzbischof Gądecki zu einem Gespräch eigeladen. P. Szustak entschuldigte sich für seine Wortwahl, blieb aber in der Sache hart. Er machte deutlich, dass es weit wichtigere Dinge zu besprechen gibt als das, worüber die Bischöfe am 3. Mai beraten haben: Der Umgang mit den pädophilen Skandalen, die Behandlung der Opfer, die fortschreitende Abwendung von der Kirche, die Art und Weise, wie in der Kirche Macht ausgeübt wird.

Einig wurde man sich nicht in diesem Gespräch, was auch nicht zu erwarten war. P. Szustak fasste denn auch das Ergebnis mit den Worten zusammen: „Wir haben zwei sehr unterschiedliche Vorstellungen von dem, wie sich die Kirche in der aktuellen Situation verhalten soll und was möglich ist und was nicht.“ Und er machte den Vorschlag: „Wenn wir so gegensätzlicher Auffassung sind, dann wäre es super, die Bischofskonferenz würde eine Versammlung breit gestreuter Menschen der Kirche und nicht nur der Kirche anregen. […] Ein solches Gremium könnte konkrete Postulate erarbeiten – was ein Katholik in Polen von den Bischöfen erwartet, welchen Bischof man sich erträumt, wie Macht ausgeübt werden soll. Welche Kriterien für die bischöfliche Unterweisung zu gelten haben.“

Der Vorschlag des Dominikaners ist nicht weit von dem entfernt, was der Ständige Rat am 3. Mai beschlossen hat, was aber durch die Erklärung des 1. Vorsitzenden der Bischofskonferenz zur Aufhebung der Dispens in den Hintergrund trat. In dem offiziellen Kommuniqué heißt es nämlich: „Die Zeit nach der Pandemie wird nicht nur durch die Wiederbelebung alter Handlungsformen bestimmt sein, notwendig ist eine genaue Analyse der aktuellen Situation und die Wahrnehmung bereits heute möglicher Konsequenzen aus der Pandemie in den polnischen Diözesen.“ Mit anderen Worten: Auch den Bischöfen scheint klar zu sein, dass sich eine einfache Rückkehr ins Jahr 2019 verbietet. Dazu haben sich zu viele Probleme angestaut: Neben den Skandalen sexuellen Missbrauchs durch Priester und die Vertuschung solcher Verbrechen durch Bischöfe sowie in Einzelfällen ihre Verurteilung durch den Vatikan bedarf auch die offene Unterstützung der rechtskonservativen Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) samt ihrer Regierung einer kritischen Aufarbeitung.

Auch die Generaloberen männlicher Orden betonten am 12. Mai in einem Schreiben an ihre Gemeinschaften, dass es nicht genüge, nach der Pandemie einfach zu pastoralen Praktiken vor der Pandemie zurückzukehren.

Der Ruf nach einer Synode

Der Vorschlag von P. Szustak zielt letztlich auf die Einberufung einer Synode durch die Bischofskonferenz, bei der dem vor Monaten gegründeten Kongress der Katholikinnen und Katholiken eine besondere Rolle zukommen soll. Doch ihm steht ein Teil der Bischöfe höchst skeptisch gegenüber, ein anderer Teil übt sich in Zurückhaltung und nur wenige Bischöfe äußern ihre Sympathie. Sollten sich Polens Bischöfe in absehbarer Zeit für eine Synode entscheiden, dann werden sie allerdings schwerlich auf die Mitwirkung des Kongresses verzichten können, ohne ihren Erfolg gleich im Ansatz in Frage zu stellen.

Die Reaktion von P. Szustak auf die Sitzung des Ständigen Rates und sein Gespräch mit Erzbischof Gądecki haben jedenfalls dazu beigetragen, dass die Diskussion um eine Plenarsynode in Gang gekommen ist. Einen Anstoß dazu bietet auch die von Papst Franziskus für 2023 angekündigte Bischofssynode, die entsprechend ihrer jüngsten Reform vom Weltepiskopat vorzubereiten ist. Auf die Möglichkeit, eine polnische Plenarsynode mit diesen Vorbereitungen zu verbinden, verweist der Lodzer Erzbischof Grzegorz Ryś, der auch Mitglied der Vatikanischen Bischofskommission ist. Ähnlich äußerte sich Professor Fryderyk Zoll, der Initiator des Kongresses der Katholikinnen und Katholiken.

Doch was ist eine Synode? Dieser Frage widmet sich Piotr Sikora, der im „Tygodnik Powszechny“ für Glaubensfragen zuständige Redakteur. Ausgehend von der Wortbedeutung versteht er Synode als gemeinsamen Weg. Damit wird klar, dass eine Synode nicht die ausschließliche und alleinige Angelegenheit von Bischöfen sein kann, sondern dass sie der Teilhabe des Volkes Gottes bedarf: „Kirche ist eine Gemeinschaft von Menschen, die gemeinsam auf demselben Weg sind. […] Die gemeinsame Wanderschaft impliziert die Teilhabe beim Zustandekommen von Entscheidungen, in welche Richtung wir gehen und mit welchem Tempo. Daher verbindet sich auch die Frage nach der Synodalität der Kirche wesentlich mit der Struktur der Machtausübung und mit der Art und Weise, wie in der kirchlichen Gemeinschaft Entscheidungen zustande kommen.“

Dieses synodale Verständnis ist urkirchlich vorgegeben, wie die Apostelgeschichte zeigt. (Apg 6,1—6) Damals kritisierten die hellenistischen Christen, dass ihre Witwen gegenüber den Hebräerinnen bei der täglichen Versorgung benachteiligt würden. Gelöst wurde das Problem, indem auf Geheiß der Zwölf die Hellenisten sieben Männer auswählten, die fortan eine gerechte Verteilung sicherstellen sollten. Aus der geäußerten Unzufriedenheit entstand ein produktiver Prozess: Die Unzufriedenheit fand bei den für die Gemeinschaft letztlich Verantwortlichen Gehör, und diese fanden eine von allen akzeptierte Lösung in Form einer neuen Funktion.

Dass sich entgegen diesem urkirchlichen Modell im Laufe der Geschichte eine Machtkonzentration im Bischofsamt herausbildete, muss als Fehlentwicklung gewertet werden, die der Korrektur bedarf. „In vielen Ortskirchen wächst das Bewusstsein, dass das gegenwärtige Modell, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung wahrzunehmen einen Großteil der Gläubigen ihrer aktiven Rolle bei der Gestaltung der Gemeinschaft beraubt, was zu zahlreichen Pathologien führt.“

Sind aber durch eine Reform der Bischofssynode künftige Pathologien ausgeschlossen? Positiv ist jedenfalls der Versuch, breitere Kreise von Gläubigen einzubeziehen. Dazu versendet das Sekretariat der Synode ein Vorbereitungspapier sowie einen Fragebogen an alle Diözesen, Ordensgemeinschaften, theologische Fakultäten und international agierende religiöse Bewegungen. Das Verfahren ermöglicht eine breite Diskussion, die von den Bischofskonferenzen aufgegriffen und deren Ergebnis dem Sekretariat der Synode zugesandt wird. Die erstellt auf Grundlage dieser Materialien ein Arbeitspapier, das von den kontinentalen Bischofsgremien diskutiert sowie entsprechend überarbeitet zurückgesandt wird und das dem Sekretariat als Vorlage für das Beratungsdokument der Synode dient.

Dieser Ablauf setzt allerdings voraus, dass es in den Diözesen geeignete Kommunikationsstrukturen gibt, die eine Teilnahme der Gläubigen am synodalen Prozess ermöglichen. Das ist nicht immer gegeben. In manchen Fällen, so auch in Polen, mangelt es zudem an Vertrauen, weil das Verhältnis der Bischofskonferenz sowie das einzelner Bischöfe zu großen Teilen der Gläubigen aufgrund eines enormen Glaubwürdigkeitsverlustes zerrüttet ist.

Ein weiteres Problem ist die Schlüsselstellung, die den Bischöfen auch nach der synodalen Reform weiterhin zukommt. Sie sind es schließlich, von denen es letztlich abhängt, ob kritische und gegen ihre Amtsführung gerichtete Eingaben berücksichtigt oder herausgefiltert werden. Solange diese Alleinzuständigkeit der Bischöfe für die Auswertung des ihnen übermittelten Materials besteht, bleibt es fraglich, ob eine Synode wirklich zu Problemlösungen führt und den Durchbruch zu einer Erneuerung der Kirche bewirken kann. Die entscheidende Frage ist somit, wie garantiert werden kann, dass kritische Stimmen, die eine radikale Veränderung jetziger kirchlicher Strukturen fordern, tatsächlich Gehör finden.

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