Vermehrte Abmeldungen vom Religionsunterricht
Im November 2020 haben sich allein in Warschau weit über 2 000 Schülerinnen und Schüler vom Religionsunterricht abgemeldet. Dies ist Zeichen eines sich zunehmend beschleunigenden Säkularisierungsprozesses. Belegt wird diese Entwicklung auch durch andere Phänomene wie ein drastischer Rückgang der sonntäglichen Gottesdienstbesucher und der Priesterberufe sowie eine negative Einstellung zur Hierarchie bei den meisten Polen. Rechne man diese Entwicklung hoch, dann würden, wie Analysten schreiben, in acht Jahren die Kirchen ähnlich leer sein wie in den westlichen Ländern.
Als konkreten Grund für diesen Schub an Abmeldungen vom Religionsunterricht, der kein Pflichtfach ist, gilt das von der Kirche begrüßte, jüngst gefällte Urteil des Verfassungsgerichts, das die geltende Abtreibungsgesetzgebung für nicht verfassungskonform erklärt und den Schwangerschaftsabbruch einer geschädigten Leibesfrucht aus Gründen des Lebensschutzes untersagt. Polen erlebte daraufhin Proteste der Frauen, und nicht allein von ihnen, wie es sie in Polen nach 1989 nicht gegeben hat. Auch viele Jugendliche schlossen sich ihnen an.
Doch dies ist nicht der einzig Grund. Seit Jahren steht der schulische Religionsunterricht in der Kritik. Viele Katholiken wünschen sich statt seiner eine enge Bindung der Katechese an die Pfarreien. Kritik erfahren auch die Religionslehrer, ob Priester oder Nonnen, denen es häufig an der nötigen Qualifikation mangelt.
Trotz alledem wird Polens Kirche am schulischen Unterricht festhalten, und dies nicht zuletzt deswegen, weil die Priester dafür vom Staat bezahlt werden und sie selbst dadurch finanziell entlastet wird. Es gibt im Übrigen Bestrebungen, die Abmeldung vom Religionsunterricht zu erschweren. Statt der durch die Abmeldung gewonnenen Freistunden, sollen künftig die Schülerinnen und Schüler verpflichtet werden, am Ethikunterricht teilzunehmen. Doch auch hier mangelt es an qualifizierten Lehrkräften.
Comments