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Zum 100. Geburtstag von Tadeusz Rózewicz


Im Gedenken an seinen 100. Geburtstag und siebten Todestag feiert die niederschlesische Metropole Breslau das ganze Jahr über ihren Ehrenbürger, den Schriftsteller Tadeusz Różewicz. Die Theater der Stadt bringen erneut seine zahlreichen Stücke auf die Bühne. Dazu gibt es Lesungen aus seinen rund 40 Gedichtbänden, darunter vom 2. auf dem 3. Oktober eine 24 Stunden währende poetisch-musikalische Darbietung. Jede halbe Stunde gibt es einen Wechsel der Sprecher, die Gedichte von Różewicz rezitieren, wobei die Pausen mit Improvisationen eines Ensembles musikalisch gefüllt werden. Und eine Ausstellung möchte den Besuchern mit ihren Exponaten den gelebten Alltag des Dichters möglichst nahe bringen.

Breslau feiert dieses ungewöhnliche Gedenken, obwohl Tadeusz Różewicz weder in der Stadt geboren wurde, noch in ihr sein Grab gefunden hat. Zur Welt kam er am 9. Oktober 1921 in Radomsko. Und er verstarb am 24. April 2014 zwar in Breslau, wo ihm der emeritierte Oppelner Erzbischof Alfons Nossol die Totenmesse hielt, doch beerdigt wurde er seinem Wunsch gemäß auf dem evangelischen Friedhof in Karpacz.

Die Zäsur durch Krieg und Okkupation

Różewicz wuchs in einer von Frömmigkeit und Patriotismus geprägten Welt auf, die mit dem 1. September 1939 ihr jähes Ende fand. Bereits am ersten Tag des Überfalls auf Polen legt ein deutsches Bombergeschwader den Stadtkern von Radomsko, Różewicz` Heimatstadt, in Schutt und Asche. Es folgen die Jahre der Okkupation. Achtzehnjährig erlebt er, wie seine jüdischen Mitbürger ins Getto gesperrt und bald darauf in die Vernichtungslager transportiert werden. Ihnen gelten die Verse aus seinem Gedicht „Die Lebenden starben“[1] „Die eingemauerten Lebenden starben / schwarze Fliegen legten ihre Eier / aufs Menschenfleisch / Von heute auf morgen / pflasterte man Straßen / mit aufgedunsenen Köpfen“.

Die Familie gerät ins Visier der Gestapo. Doch als die Häscher im Herbst 1942 vor der Wohnung der Eltern erscheinen, ist diese leer. „Vierundzwanzig bin ich / gerettet / auf dem weg zum schlachten“. Różewicz bringt mit diesen Versen das Lebensgefühl seiner Generation, soweit sie den Krieg überlebt hat, zum Ausdruck: Tugend und Verbrechen scheinen austauschbar geworden, die Sprache muss neu gefunden, Begriffe und Dinge müssen neu bestimmt werden. Und wie ist das eigene Entrinnen angesichts der Unzahl an Opfern zu rechtfertigen? Różewicz beantwortet diese Frage mit seiner Berufung zum Dichter. Sie schließt die Verpflichtung ein, von dem, was seine Generation erlebt hat, Zeugnis zu geben. „Wir entdeckten“ - äußert sich Różewicz in einem Interview - „dass der Homo sapiens ein unberechenbares Monster, ein Ungeheuer ist! Doch leider ist das noch nicht alles.“ Das eigentlich Erschütternde sei die Entdeckung, dass Auschwitz-Kommandant Höß bei all seiner Grausamkeit ein „Bewunderer klassischer Musik war, der seine Kinder, seine Hunde und den kleinen Garten rund um seinem Haus in Auschwitz liebte.“ In dieser Vereinbarkeit des Unvereinbaren zeige sich die „Agonie der Zivilisation.“

Angesichts solcher Einsicht wundert es nicht, dass Różewicz’ Denken immer wieder um Auschwitz kreist. Bis in sein Alterswerk hinein bleibt Auschwitz die bestimmende Konstante seiner Dichtung.

Debüt als literarischer Durchbruch

Bald nach Kriegsende sammelte sich Polens kulturelle Elite, darunter auch Różewicz, im von Kriegsverwüstungen verschonten Krakau. An der Universität studierte er Kunstgeschichte. 1947 erschien sein Gedichtband „Niepokój“. Die gängige Übersetzung mit „Unruhe“ vermag die Bedeutung dieses Titels nicht voll auszuschöpfen. „Niepokój“ beinhaltet die Negation von „Frieden“ und „Zimmer“. Unter „Unruhe“ ist somit der beklemmende Zustand eines Verlustes an Sicherheit, Harmonie und Geborgenheit zu verstehen, und mit eben diesem Zustand wird der Leser dieses Gedichtbandes konfrontiert. Die Texte sprechen von der Zerstörung überlieferter Werte. Nichts wird mehr sein wie es einmal war. Różewicz zieht die Zäsur des Krieges in aller Schärfe. In die Zeit davor gibt es kein Zurück. Jede Restauration verbietet sich. Was einmal galt, bietet keinen Halt mehr, taugt nicht für einen Neubeginn.

Różewicz` Poesieverständnis

Mit dem Titel „Unruhe“ hat Różewicz seinem gesamten Schaffen das Leitwort gegeben und mit diesem Leitwort zugleich einen Schlüssel zum Verständnis des an Schrecken reichen 20. Jahrhunderts. Różewicz setzt sich deutlich gegen eine dem Schönen dienende Poesie ab; „Grund und Antrieb für meine Dichtung ist auch der Haß gegen die Poesie. Ich rebellierte dagegen, dass sie das ‘Ende der Welt’ überlebt hat, als wäre nichts geschehen. Unerschütterlich in ihren Gesetzen, Gebrauchsanweisungen und Praktiken.“[2] In dieser Äußerung zeigt sich die poetologische Konsequenz, die Różewicz aus der Schärfe der Zäsur des Krieges zieht und die es ihm nicht erlaubt, neuen Wein in alte Schläuche zu gießen. Er wendet sich damit gegen eine Ästhetisierung, die selbst die schrecklichsten Inhalte durch die Form zu beschönigen weiß und die Lektüre eines Gedichts zu einem Kunstgenuss werden lässt.

Die Absage an das Schöne bildet denn auch den Verständnishorizont für Różewicz’ Gedichte. In „Poetik“[3], 1951 entstanden, verlangt Różewicz von einem Dichter: „Er meidet die friedhöfe / toter wörter und bilder / läßt schulen und requisiten beiseite / berührt die herzen und dinge / schreibt einfache verse“.

Różewicz „schreibt, obwohl er nur über abgenutzte und verbrauchte Worte verfügt, in sich zerfallene, zerschellte Worte. Der Dichter geht aus vom Wort, aus dem Wort und zum Wort hin, geht in das Wort ein. Er sagt Worte und gelangt zu einer Poesie zwischen den Worten, im Schweigen, im Weiß.“[4] Eben dies verleiht seinen Versen Authentizität. Różewicz’ Sprachaskese verhindert, dass ein Mangel an durchlebter Wirklichkeit kaschiert wird. Seine einfachen Verse bezeugen eigene Erfahrungen. Was sie auszeichnet, ist - wie es in den Schlusszeilen von „Poetik“ heißt - „die kraft des urteils / die kraft des wachstums / die kraft der zeugung“.

Abseits des Literaturbetriebs

Von der schleichenden kommunistischen Machtübernahme kaum berührt, waren die ersten Nachkriegsjahre in Polen eine Zeit geistiger Freiheit und kultureller Blüte. Doch damit war es 1949 mit dem Stettiner Schriftstellerkongress vorbei. Fortan standen die Schriftsteller unter kulturpolitischen Zwängen. Man verlangte von ihnen, ihr literarisches Schaffen entsprechend den Regeln des „sozialistischen Realismus“ in den Dienst des Systems zu stellen. Dem verweigerte sich Różewicz. Er zog sich vom Literaturbetrieb zurück, verließ Krakau mit seinen vielfältigen Möglichkeiten eines geistigen Austausches, wechselte nach Gleiwitz in die Provinz, ehe er 1968 nach Breslau umzog. In der Zeit des Stalinismus verdiente er seinen Lebensunterhalt als Reporter. Durch seine Distanz zum Literaturbetrieb wahrte Różewicz eine weitmöglichste Unabhängigkeit vom kommunistischen System. Aber diese Unabhängigkeit hatte ihren Preis: Ein Leben fernab von den literarischen Zentren, schwindende Publikationsmöglichkeiten, finanzielle Nachteile. Immer wieder erhielt er eingesandte Gedichte zurück. 1954 traf ihn dann der Bannstrahl öffentlicher Verurteilung. Sein literarisches Schaffen wurde mit den Schlagworten „barbarisch“ und „bürgerlich“ belegt und galt damit als „antisozialistisch“. Welche Spuren diese Zeit bei Różewicz“ hinterlassen hat, zeigt eine Notiz vom 30. Juni 1957. Darin beklagt er, dass man ihn in den Jahren des Stalinismus wie „Dreck“ behandelt habe, und das gezielt von seinen „Altersgenossen“. Jeder „Stümper“ habe sich gemüßigt gefühlt, ihn zu „belehren“ und ihm „die Ohren lang zu ziehen“. Und er habe „nicht einmal die Möglichkeit“ gehabt, dass seine „Richtigstellungen gedruckt wurden.“ Er fühlte sich „ausgegrenzt“.[5]

„Müll“ als Schlüsselwort der Zivilisations- und Kulturkritik

Zu den Auffälligkeiten im Werk von Różewicz zählt die häufige Verwendung des Wortes „Müll“, das man für gewöhnlich in Gedichten nicht vermutet. In Erinnerung an seinen Parisaufenthalt während der Studentenunruhen im Mai 1968 schreibt Różewicz: „In den Straßen wuchsen die Müllberge bis hoch zum ersten Stock.“[6] Seinen ersten Eindruck von Neapel fasst er in die Verse zusammen: „in der ausgestorbenen straße / tobte ein wind / trieb müll vor sich her.“[7] Und zur Verdeutlichung seines Poesieverständnisses formuliert er 1983: „Ein Dichter der Müllhaufen ist / der Wahrheit näher / als ein Wolkenpoet.“[8]

Mit Einführung des „Mülls“ in seine Dichtung wendet sich Różewicz gegen eine Ästhetisierung der Wirklichkeit. So gesehen erscheint „Müll“ als Gegenbegriff zum „Schönen“. Doch damit erschöpft sich das Wortverständnis noch nicht. „Müll“ fungiert zugleich – durchaus aktuell angesichts der Corona-Pandemie - als Schlüsselwort der Zivilisationskritik. Abfallberge sind ein Produkt des technischen Fortschritts, einschließlich ihrer Wiederverwertung, die - wie beispielsweise der Ausbruch des Rinderwahns gezeigt hat - keineswegs risikofrei ist. Różewicz hat dies in dem mit „Fleisch“ betitelten dritten Teil von „recycling“ eindrucksvoll thematisiert. Der Text schließt mit einem Kommentar, in dem es heißt: „Der III. Teil mit dem Titel Fleisch hat die Form eines Mülleimers (eines informellen Mülleimers), in dem es kein Zentrum und keine Mitte gibt. Beabsichtigte Schalheit und Ausweglosigkeit sind die Hauptbestandteile des Textes... Der Wahn des Menschen CJS kommt aus dem wahnsinnigen Hirn des Tieres. Das CJS kehrt sich gegen den Menschen. Die verbrecherische Amoral der Wissenschaft mischt sich mit Politik, Ökonomie und Börse. Der Kreis schließt sich.“ Der Passus endet mit der Frage „Unde malum?“ Różewicz’ Antwort lautet: „vom menschen / immer vom menschen / und nur vom menschen“.[9]

Różewicz und die Gottesfrage

In einem seiner frühen Briefe an den Lyriker Juliusz Przyboś schreibt Różewicz: „Für mich gäbe es in meinem Leben zwei gewaltige Niederlagen: Würde ich erneut an die Poesie oder an Gott glauben. Das wären zwei absolute Niederlagen. Erklären vermag ich das nicht.“ Różewicz` Absage an den Gottesglauben ist zugleich eine Absage an Christentum und Kirche. Auch für sie gilt die durch Auschwitz markierte Zäsur. Sie haben den Judenmord nicht verhindert. Sie können sich nicht aus der Unheilsgeschichte des 20. Jahrhunderts wegstehlen, stehen vor der Geschichte nicht mit reinen Händen da. Im Übrigen wird niemand leugnen wollen, dass sie als Teil der Zivilisation und Kultur auch an der ihr eigenen Barbarei Anteil haben. Die Blutspur ist lang, die Christentum und Kirche in der Geschichte hinterlassen haben. Zu viele ungesühnte Opfer, Heiden, Ketzer und Juden, säumen ihren Weg.

Kritik an der Kirche findet sich denn auch bei Różewicz. Unter Berufung auf amerikanische Fernsehsender verweist er auf die vom „Pressesprecher / des Apostolischen Stuhls“ unbestätigte Information, „der Vatikan halte verborgen / 200 Millionen schweizer franken / hauptsächlich in goldmünzen / von kroatischen faschisten geraubt / kroatische faschisten / die massenhaft mordeten / Serben Zigeuner und Juden.“[10]

Doch derlei Kirchenkritik ist bei Różewicz eher ein Randproblem. Seine Kritik ist radikaler. Różewicz fragt nach der Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Gottesglaubens nach Auschwitz. Er bringt diese Problematik in mehreren seiner Texte zur Sprache. Oft handelt es sich dabei um ein Zwiegespräch mit anderen, mit „toten Dichtern“, mit Philosophen und auch mit Malern. Wie Różewicz, so macht auch Francis Bacon dem „kultivierten“ Menschen seine verdrängte Barbarei bewusst. Ihm widmet Różewicz ein in den Jahren 1994/95 entstandenes Gedicht.[11] Darin erwähnt er Bacons Bilder der in Gitterkäfigen schreienden Päpste und die als besonders skandalös und blasphemisch empfundene Darstellung der Transformation eines Gekreuzigten in eine Masse leblosen Fleisches. 1971 notiert Różewicz als seine tiefgreifende Verlusterfahrung: „Ich spürte, dass etwas für mich und die Menschheit zu Ende war. Etwas, das weder die Religion, noch die Wissenschaft, noch die Kunst zu schützen vermochte. (...) Die metaphysischen Quellen, welche die Poesie von ihren Ursprüngen an genährt hatten, waren für mich versiegt. Und die ästhetischen Quellen ebenfalls.“[12] Die Literaturwissenschaftlerin Aneta Kula kommentiert: „Es geht darum, aus dem endgültigen Fortgang der Götter, aus dem Verfall der moralischen Ordnung, aus dem Verlust der Transzendenz die Konsequenz zu ziehen. Ein Dichter, der den Glauben an die Macht der Kunst verloren hat, wird nicht mehr schreiben. Die Poesie muss aus andern als den bisherigen Quellen sprudeln. Solange der Dichter diese nicht findet, muss oder soll er zumindest schweigen.“[13]

Neue Gotteserfahrung

Auch Różewicz hat in den 80ere Jahren zeitweilig geschwiegen. Doch die Gottesfrage und ihr enger Bezug zur Poesie haben ihn nicht losgelassen. In „ohne“[14], einem vom Autor mit „März 1988 - März 1989“ datierten Gedicht, lautet die Eingangsstrophe: „das größte ereignis / im menschenleben / sind die geburt und der tod / gottes“.

Das lyrische Ich beklagt eine doppelte Gottverlassenheit: „warum hast du.../ mich verlassen.../ spurlos und ohne zeichen / ohne ein wort“. Und: „warum habe ich / Dich / verlassen“. Die Gottverlassenheit bedingt die Aporie eines möglich-unmöglichen Lebens: Den Text beschließend heißt es: „ein leben ohne gott ist möglich / das leben ohne gott ist unmöglich“.[15]

Das gleichfalls aus der Spätphase stammende Gedicht „Dorn“[16] liest sich zunächst wie ein das Leben „von ufer zu ufer“ umfassendes und sich über fünf Strophen erstreckendes Bekenntnis zum Unglauben. Doch nach der fünften Strophe, die als letzten Grund des Nichtglaubens das „gold der verkündigung“ nennt, bricht der Text um: „ich lese seine gleichnisse / einfach wie weizenähre“. Eine neue, biblische Gotteserfahrung kündigt sich an.

Różewicz entdeckt im Alter Gott neu - nicht den Erhabenen, der fern vom Menschen über der Welt thront, sondern den, der sich im Menschen zu erkennen gibt, erniedrigt, leidend, den Opfern nahe. In „Ich sah IHN“[17] „fühlte“ das lyrische Ich beim Anblick eines auf einer Bank schlafenden Penners „das ist der Statthalter / Jesus auf erden / und vielleicht der Menschensohn selbst“.

Achtzigjährig hält Różewicz Zwiesprache mit dem in Breslau geborenen Dietrich Bonhoeffer, dem die heutigen polnischen Bewohner der Stadt ein Denkmal errichteten „ohne kopf ohne arme“.[18] Dort liest Różewicz Bonhoeffers in der Tegeler Haftzelle verfassten Gedichte und zitiert die eine oder andere Zeile. Einleitend vermerkt er, sich in den „letzten zwei jahren“ mit Bonhoeffer befasst zu haben. Er überdenkt sein eigenes bisheriges Schaffen, das, was er in einem „langen leben bei dichtern“, doch nicht nur bei ihnen, gelernt hat und lässt sich von Bonhoeffer sagen: „beginne von vorn / beginne noch einmal sprach er zu mir / lerne gehen / lerne schreiben lesen / denken“

Die folgenden Verse spiegeln Bonhoeffers Gedanken eines „religionslosen Christentums“: dass wir in der Welt leben müssen als wenn es Gott nicht gäbe. Doch das etsi Deus non daretur bedeutet nicht den Tod Gottes, sondern ein Leben in Gottverlassenheit, „würdig“ und ohne mit „strafe“ oder „lohn“ zu rechnen.

Angesichts von Hitlers Hinterlassenschaft, angesichts des verbreiteten „antisemitismus“, angesichts von „passion und holocaust“, aus denen noch „profit über profit“ geschlagen wird, fragt Różewicz den evangelischen Theologen und ermordeten Widerstandskämpfer: „ob Gott wohl erschrak / und die Erde verließ?“

Der Gefragte antwortet mit Schweigen, legt „den finger an die lippen“. Dreimal wiederholt sich dieser Vorgang. Doch mit dem Verweis auf das Schweigen ist die Zwiesprache noch nicht beendet. Dem Schweigen auf die dreimalige Frage folgt eine Antwort durch die Tat: „er stand auf und ging / er folgte Christus / folgte Christus nach“.

Diese drei Zeilen können als Kurzformel der Existenz Bonhoeffers verstanden werden, der in seiner 1937 erschienenen Schrift „Nachfolge“ den mit ihr verbundenen ethischen Anspruch in der Zeit des Nationalsozialismus erhoben und zugleich radikal gelebt hat.

Doch wie verbindet sich diese neue Erfahrung der Nachfolge mit Różewicz’ Poesieverständnis? Der Schluss des Gedichtes gibt die Antwort mit Bonhoeffers Aufforderung, das „Schöne“ zu tilgen. Durch die Begegnung mit Bonhoeffer korrigiert Różewicz seine poetologische Position, indem er ihre Vereinbarkeit mit der „Nachfolge“ erkennt, die gleichfalls die Negation des „Schönen“ und damit eine religionskritische Komponente beinhaltet.




[1] Henryk Bereska / Heinrich Olschowsky (Hrsg.), Polnische Lyrik aus fünf Jahrzehnten, Berlin (Ost) 1975, S. 277f. [2] Vgl. Walter Höllerer, Theorie der modernen Lyrik. Dokumente zur Poetik I, Reinbeck 1965, S. 417. Hier zitiert nach Heinrich Olschowsky, Lyrik in Polen. Strukturen und Traditionen im 20. Jahrhundert, Berlin (Ost) 1979, S. 126. [3] Karl Dedecius (Hrsg.), Różewicz Gedichte Stücke, a. a. O., S. 44f. [4] Janusz Drzewucki, Pomiędzy słowami, w milczeniu, w bieli (Zwischen den Worten, im Schweigen, im Weiß), Twórczość 9/2005, S. 114. [5] Tadeusz Różewicz, Matka odchodzi, Wrocław 1999, S. 97. [6] Zbigniew Majchrowski, Różewicz, Warszawa 2002, S. 153f. [7] Tadeusz Różewicz, Et in Arcadia ego, in: Poezje zebrane (Ausgewählte Gedichte), Wrocław / Warszawa 1971, S. 535. [8] Zbigniew Majchrowski, a. a. O., S. 154; 180. [9] Tadeusz Różewicz, zawsze fragment, Wrocław 1999. [10] Drslb, Recycling, Tei II „Gold“, Wrocław 1999. [11] Francis Bacon czyli Diego Velázquez na fotelu dentystycznym (Francis Bacon oder Diego Velázquez auf dem Zahnarztstuhl), T. R., zawsze fragment, a. a. O., S. 5-15. [12] Das Zitat entstammt dem Prosatext „Przygotowanie do wierczoru autorskiego (Vorbereitung auf einen Autorenabend) und wird hier zitiert nach Aneta Kula, Dlaczego Hölderlin (Warum Hölderlin), Twórczość 10/2003, S. 80. [13] Aneta Kula, Dlaczego Hölderlin (Warum Hölderlin), a. a. O., S. 84. [14] Karl Dedecius, Lyrisches Quintett, Frankfurt/M. 1992, S. 135f. [15] Die Übersetzung von K. Dedecius ist nicht zwingend: Die zweite Zeile sollte ebenso wie die erste mit „ein“ eingeleitet werden. [16] Tadeusz Różewicz,. R., Cierń, Matka odchodzi, a. a. O., S. 62f. [17] Drslb, Widziałem Go, zawsze fragment, a. a. O., S. 84-86. [18] Drslb, Nauka chodzenia, Tygodnik Powszechny 22/2004. Das Gedicht fand Aufnahme in dem 2004 in Wrocław erschienenen Gedichtband Wyjście (Ausgang).

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