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Politisierung der polnischen Kulturinstitute

Der „gute Wandel“, den die Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) dem Wahlvolk verspochen hat und den sie seit über einem Jahr unter Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien konsequent umsetzt, hat nun auch die im Ausland tätigen 24 Kulturinstitute erreicht. Bislang sahen diese ihre vorrangige Aufgabe darin, den Menschen ihres Gastlandes die reiche Kultur ihrer Heimat nahe zu bringen – Literatur, Theater, Musik, Kunst. Das soll sich nun ändern. Seit geraumer Zeit erhalten sie, nicht anders als die Sejmabgeordneten von PiS, Tag für Tag Anweisungen für ihre Arbeit, damit im Ausland „mit einer Stimme“, natürlich mit der von PiS, geredet wird.

Die Kaczyński-Partei verfolgt offensichtlich die Absicht, die Kulturinstitute zu politisieren, die in der Vergangenheit stets um eine deutliche Distanz zu den rein politischen Vorgängen in Polen bemüht waren. Dass sie dabei nicht vor tendenziösen und unwahren Darstellungen politischer Ereignisse zurückschreckt, zeigen die Anweisungen zu den von Jarosław Kaczyński als „Putsch“ bezeichneten Protesten Ende Dezember 2016. Ausgelöst wurden sie durch die faktische Ausschaltung der Opposition bei der Debatte und Verabschiedung des Haushaltes 20017, durch das Gesetzesvorhaben, das Journalisten die freie Berichterstattung über die Arbeit des Parlaments erschwert, wenn nicht unmöglich machen würde, sowie durch das mit einschneidenden Einschränkungen verbundene neue Versammlungsgesetz. All diese undemokratischen Maßnahmen brachten gleichsam das Fass zum Überlaufen.

Die sehr detaillierten Anweisungen, die zu all diesen Vorgängen an die Kulturinstitute ergingen, verschleiern den wahren Sachverhalt und würden die Kulturinstitute, sollten sie ihnen in ihrer Auslandsarbeit Beachtung schenken, zu bloßen Propagandazentren degradieren.

Um von diesen Anweisungen einen Eindruck zu gewinnen, seien diese im Folgenden aufgelistet.

  1. Es habe bislang keine eindeutigen Regelungen für den Zugang von Journalisten zum Sejm gegeben. Dadurch seien „zufällige und chaotische Kommunikationen entstanden“, die der Würde des Hauses nicht gerecht werden. Die vorgegebenen Regelungen würden „den Komfort, die Sicherheit und die Professionalität der journalistischen Arbeit erhöhen.“- Über die Beschränkung der Berichterstattung kein Wort!

  2. Die Blockade des Plenarsaals durch Politiker der Opposition sei „ein Verstoß gegen Recht und Sicherheit des Sejm.“ – Warum es während der Debatte um den Haushalt 2017 zu der Blockade kam, bleibt unerwähnt!

  3. Die Abstimmung über den Haushalt, die wegen der Besetzung des Plenarsaals durch die Opposition in einem Nebenraum stattfand, sei verfassungsgemäß. – Weil die Opposition die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens anzweifelt, müsste – abgesehen davon, dass sich ein Untersuchungsausschuss mit dem Vorgang zu befassen hätte - das Verfassungsgericht diese feststellen; sie kann nicht einfach von der Regierungspartei behauptet werden. Nachdem aber inzwischen das Verfassungsgericht selbst verfassungswidrig von PiS-hörigen Richtern besetzt wurde, bestehen ernste Zweifel an seiner Unabhängigkeit.

  4. Die Protestaktionen der Opposition hätten zu „einer Destabilisierung des politischen Systems führen können.“ – Wahr ist vielmehr, dass sich diese wie auch vorangegangene Proteste gegen die Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien durch die PiS-Regierung richteten. Sie sind daher als Engagement der Bürgergesellschaft für den Erhalt der Demokratie zu werten. Was in Wahrheit das politische System destabilisiert, ist der von PiS betriebene „gute Wandel“.

  5. Die Proteste seien unter Berufung auf eine Erklärung von Ministerpräsidentin Beata Szydło „Ausdruck der Ratlosigkeit und Frustration derer, welche die Macht verloren haben.“ – Diese Aussage verdient keine Kommentierung!

Die Anweisungen an die Kulturinstitute sind nur Teil einer umfassenden Maßnahme des polnischen Außenministeriums. Derartige Anweisungen ergehen nämlich in polnischer und englischer Sprache an sämtliche im Ausland tätige Diplomaten. An diese sollen sie sich „in ihren Kontakten mit den Medien halten.“ Es gehe um „die Verbreitung des Erbes polnischen Denkens und um den Kampf gegen eine ‚Pädagogik der Scham‘.“ Im Klartext heißt dies, dass die polnischen Auslanddiplomaten auf das Geschichtsverständnis von PiS festgelegt werden, das durch Heroismus und ein Martyrium der Nation bestimmt ist und für die Anerkennung und Aufarbeitung der Schattenseiten polnischer Geschichte keinen Raum lässt. Unter solchen Umständen dürfte beispielsweise künftig kaum noch ein polnisch-jüdischer Dialog möglich sein.

Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang Notizen von Andrzej Przyłębski, dem polnischen Botschafter in Berlin, die er dem polnischen Außenministerium zukommen ließ. Darin spricht er sich „gegen eine besondere Hervorhebung des polnisch-jüdischen Dialogs als vorbildliches Beispiel eines interkulturellen Dialogs aus“, auch um in diesem Kontext eine etwaige deutsche Vermittlerrolle auszuschließen. Zudem empfiehlt er – und zwar in einem positiven Sinn -, sich mit der AfD und selbst mit PEGIDA zu befassen, die „einen erheblichen Anteil deutscher Bevölkerung repräsentieren würden“ – eine Anmerkung, die wegen der Übereinstimmung in der Flüchtlingsfrage allerdings nicht sonderlich überrascht.

Quelle: Milena Rachiel Chehab, „Przekazy dnia“ płyną za granicę… („Tagesanweisungen“ gehen ins Ausland…), Gazeta Wyborcza vom 30. 12. 2016.

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