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Exhumierung der Opfer der Flugzeugkatastrophe von Smolensk

Am 10. April 2010 kamen beim Anflug auf den Flughafen von Smolensk 96 hochrangige polnische Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Armee, unter ihnen Präsident Lech Kaczyński, ums Leben. Sie waren nach Katyń unterwegs, um der zu Tausenden im Zweiten Weltkrieg von sowjetischen Sicherheitskräften ermordeten polnischen Offiziere zu gedenken.

Eine von der damaligen Regierung unter Führung von Donald Tusk und seiner Bürgerplattform (PO) bestellte Expertenkommission hatte akribisch die Umstände dieser Katastrophe untersucht. Ihr umfangreicher Bericht kommt zu dem Schluss, dass neben menschlichem Versagen (unzureichend ausgebildetes Flugpersonal, Einflussnahme auf die Piloten durch Insassen der Maschine, keine reibungslose Kommunikation mit dem Tower) die entscheidende Ursache für den Absturz der Maschine der im Grunde unerlaubte Versuch war, bei dichtem Nebel zu landen. Anhaltspunkte für ein Attentat wurden nicht gefunden.

Für die jetzige nationalkonservative Regierung „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit ihrem Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński, dem Zwillingsbruder des verunglückten Staatspräsidenten, handelt es sich dagegen nicht um einen Unfall. Ihr liegt daran, jene tragischen Unfall in den Rang einer durch fremde Macht (Russland) verschuldete nationale Katastrophe zu erheben und die Opfer den in Katyń Ermordeten gleichzustellen. Mehr noch: Der 10. April 2010 soll nach seinem Willen als Teil des Martyriums der Nation eine Art Gründungsmythos der von ihm angestrebten, sich gegenüber dem bisherigen postkommunistischen Zeitraum abhebenden IV. Republik bilden. Dazu soll der „Beweis“ erbracht werden, dass es sich bei dem Absturz der Präsidentenmaschine um ein Attentat gehandelt hat.

Dieser durch nichts begründete Verdacht veranlasste die Regierung dazu, gegen den Protest von Hinterbliebenen die Exhumierung der Toten anzuordnen. Durchgeführt wurde sie ausgerechnet mit Beginn des Novembers, jenes Monats also, in dem in Polen ein gleichsam heiliges Gebot gebietet, die Gräber der Verstorbenen aufzusuchen, um ihrer in Ehrfurcht zu gedenken. Dies wurde nun durch die Exhumierung den Angehörigen der Opfer jener Tragödie verwehrt.

Zu bedauern ist auch, dass Polens einflussreiche katholische Kirche, die ansonsten das Totengedenken fördert, zu diesem Vorgang schweigt, statt ihrer Pflicht nachzukommen, gegenüber der Regierung auf die Totenruhe zu bestehen und die Angehörigen in ihrem Protest gegen die Exhumierung zu unterstützen.

Es stellt sich am Ende die Frage, zu welchem Schluss die von der Regierung berufene Untersuchungskommission gelangen wird. Nachdem von der Regierung das Ergebnis bereits so eindeutig suggeriert wurde, bestehen gegenüber dem Wahrheitswert der zu erwartenden Expertise ernste Zweifel. Man kann gespannt sein, durch welche „Beweise“ die Annahme eines Attentats gestützt wird und ob die Regierung eine unabhängige Überprüfung zulässt.

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