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Zum Verhältnis von Kirche und Staat in Polen

Zum Verhältnis von Kirche und Staat in Polen

Wie verhalten sich Polens Bischöfe zur Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und zu ihrer Regierungspolitik? Wo zeigen sich Berührungspunkte? Wo lassen sich Übereinstimmungen ausmachen? Wo ein Dissens?

Diesen Fragen geht der Journalist Michał Wilgocki nach. Er erinnert daran, dass sich vor den Herbstwahlen 2015 die Bischöfe mit Wahlempfehlungen zurück hielten. Er zitiert den Posener Erzbischof Stanisław Gądecki „Es lässt sich schwerlich eine politische Option finden, die mit den Anforderungen des christlichen Glaubens vollständig in Einklang stehen würde. Die Behauptung, irgendeine Partei oder politische Gruppierung würden den Ansprüchen des Glaubens und des christlichen Lebens entsprechen, führt in die Irre.“ Diese Äußerung lässt sich als Ausdruck einer kirchlichen Distanz zu jeder Art politischer Formation, und damit auch zu PiS, interpretieren.

Doch für die Zeit nach den Parlamentswahlen registriert u. a. Wilgocki eine wahre „Euphorie“ über den Wahlsieg der Kaczyński-Partei. So äußerte sich der gleiche Gądecki im Januar 2016 in Hinblick auf die vom Staat unterstützte Jubiläumsfeier der „Taufe Polens“ vor 1050 Jahren: „In all den Jahrzehnten nach dem Krieg gab es keinen solchen Moment eines übereinstimmenden Denkens zwischen Staat und Kirche. Das ist ein Augenblick des Umbruchs.“ Und auf politischer Seite erklärte der Sejmmarschall auf ähnliche Weise: „Es gibt keinen guten Wandel ohne eine auf dem Christentum basierende Erneuerung der moralischen Ordnung.“

Wo sich allerdings PiS zum Anwalt religiöser Fragen mache, für die Polens Bischöfe die alleinige Zuständigkeit beanspruchen, würden sie ein solches Bemühen zurück weisen. So meldete sich Primas Wojciech Polak kritisch zu Wort, als der Sejm mit der absoluten Mehrheit von „Recht und Gerechtigkeit“ einen Beschluss zum feierlichen Gedenken der Muttergotteserscheinungen von Fatima vor 100 Jahren fasste. Dies sei nicht Sache des Staates. In Kreisen eines offenen Katholizismus wurde diese Aussage des Primas als hoffnungsvolles Zeichen einer gewissen Distanz zur PiS-Regierung gewertet.

Um mehr Klarheit in der Frage des Verhältnisses der Bischöfe zur gegenwärtigen Regierung zu gewinnen, untersucht Michał Wigocki die wechselseitigen Beziehungen anhand politischer und moralischer Problemfelder. So fragt er nach dem Verhältnis der Bischöfe zum Staat angesichts der die demokratische Ordnung gefährdenden Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien. Am Beispiel der faktischen Entmachtung des Verfassungsgerichts verdeutlicht er, dass Polens Bischöfe dies nicht nur schweigend zur Kenntnis nahmen, sondern sogar einzelne Hierarchen die getroffenen antidemokratischen, auf ein autoritäres System tendierenden Maßnahmen verteidigten. In diesem Zusammenhang zitiert er drei Bischöfe. Als sich in der Gesellschaft gegen die Entmachtung des Verfassungsgerichts Widerstand regte, sich das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) bildete und dieses Zigtausende zu öffentlichen Protesten bewegen konnte, habe Erzbischof Gądecki nicht die PiS-Regierung kritisiert, sondern die Protestbewegung: „Diese Schreihälse für Demokratie sind am wenigsten demokratisch.“ Bischof Henryk Hoser habe seinerseits diesen Verfassungsbruch von PiS unter Hinweis darauf gerechtfertigt, dass „weder die Verfassung noch Gesetze die Heilige Schrift sind.“ Und als der Präsident des Europaparlaments die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien anmahnte, habe sich Bischof Wiesław Mehring bemüßigt gesehen, Martin Schulz einen Brief zu schreiben: Das Europaparlament sei wohl unter seiner Leitung mit so wichtigen Sachen befasst wie „mit der Länge der Flamme von Kerzen und der Menge des Wassers in der Spülung.“ Er bedauert, dass Schulz nicht den Mund gehalten habe, fordert eine Entschuldigung, zu der aber Schulz nicht fähig sei. Am Ende des Briefes wünscht er Schulz alles Gute „zum ‚Winterfest‘ (Sie nennen doch so Weihnachten)“. Ihm fehle die Besonnenheit, die Weisheit und die Einbildungskraft. Und in Einschätzung der politischen Situation sagte Bischof Mehring an anderer Stelle: „Die gegenwärtige Regierungsmannschaft empfehle ich leichter und lieber dem Herrgott als die vorhergehende. Es fällt schwer, Gott um Segen zu bitten für die Forcierung von Schwangerschaft verhindernden Pillen und Antigewalt-Konvention oder für die Unterstützung der Abtreibung.“ Mit Blick auf die gegen PiS und die Regierung gerichteten Proteste erklärte er gegen deren wahren Verlauf: „Noch nie habe ich solche Erscheinungen von wildem Hass gesehen wie bei den letzten Demonstrationen von KOD.“

Was die moralischen Problemfelder betrifft, so wählt Wilgocki drei Berührungspunkt aus. Zunächst bezieht er sich auf die Auseinandersetzung um eine neue Abtreibungsgesetzgebung im Frühjahr 2016. Damals erklärte das Präsidium der Bischofskonferenz: „Der so genannte Abtreibungskompromiss hat sich erschöpft. Man muss ein Gesetz in Richtung auf einen vollständigen Lebensschutz verabschieden.“ Als zweites kommt er auf die staatlicherseits angeordnete Exhumierung der Opfer der Flugzeugkatastrophe von Smolenk zu sprechen, die dem Zweck diente, Beweise für ein Attentat zu finden. Damals hatten Angehörige der Opfer an die Kirche appelliert, ihren Einfluss geltend zu machen, um diese die Grabesruhe verletzende Maßnahme zu verhindern. Die Bischöfe schwiegen lange. Dann ließen sie durch ihren Pressesprecher verlauten, ihnen seien in dieser Frage die Hände gebunden. Am Ende bezog der Posener Erzbischof Gądecki Position, indem er erklärte: „Man muss mit den Gefühlen der Angehörigen rechnen, doch das allgemeine nationale Interesse steht über dem privaten.“ Drittens beruft sich Wilgocki auf die Flüchtlingsproblematik. Er verweist auf den an der Weigerung des Staates, auch nur einen einzigen syrischen Kriegsflüchtling aufzunehmen, gescheiterten kirchlichen Vorschlag eines „humanitären Korridors“ Das Hilfsprogramm der Caritas „Familien helfen Familien für im Nahen Osten lebende Flüchtlinge sei zwar lobenswert, doch in der Flüchtlingsfrage vermisst Wilgocki den kirchlichen Druck auf die Regierung, wie er bei der Abtreibungsfrage und vor allem bei dem gegen die Vorgängerregierung geführten Kulturkampf ausgeübt wurde.

Einen letzten Berührungspunkt sieht Wilgocki in der Einstellung zur Smolensker Flugzeugkatastrophe vom 10. April 2010. In dieser Frage zeigten sich Polens Bischöfe gespalten. Nicht alle würden in ihr ein Attentat sehen, in das der Kreml im Verein mit Donald Tusk, Polens damaligen Ministerpräsidenten, verwickelt gewesen sei. Anhänger der längst widerlegten Attentats-These, wodurch jene Tragödie in dem für das nationale Bewusstsein so wichtige Martyrium der Nation einen Platz erhalten würde, seien vor allem „Radio Maryja“ nahe stehende Bischöfe.

Quelle: Michał Wilgocki, Trzy kolizje rządu kościoła. Jak śilny jest sojusz biskupów i PiS? (Drei Berührungspunkte der Kirchenleitung. Wie stark ist das Bündnis der Bischöfe mit PiS?), Gazeta Wyborca vom 26. 04. 2017.

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