Ein Bischof redet Klartext
Ein Bischof redet Klartext
Polens Bischöfe sind nicht dafür bekannt, sich gegenüber der von der Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) geführten Regierung kritisch zu äußern. Nun aber hat sich der frühere Generalsekretär der Bischofskonferenz, der emeritierte Bischof Tadeusz Pieronek, zu Wort gemeldet. Er ist dafür bekannt, dass er sich sehr zum Ärger der mehrheitlich konservativen Bischöfe gelegentlich zu innerkirchlichen Vorgängen und politischen Maßnahmen kritisch äußert. Ihnen dürften auch seine neuerlichen Aussagen nicht gefallen.
In einem der „Rzeczpospolita“ erteilten Interview wurde er nach seiner Einstellung zur Aufnahme von Flüchtlingen, zu den monatlichen Manifestationen in Erinnerung an die Katastrophe von Smolensk sowie nach einer von der Regierungspartei angestrebten Verfassungsänderung befragt.
In der Flüchtlingsfrage operiere die allein regierende Kaczyński-Partei mit der Angst, indem man sagt, die Flüchtlinge „würden Krankheiten einschleppen, den Polen die Arbeit wegnehmen, uns umbringen und Polen zu einem bedrohten Land machen. Das sind auf Halbwahrheiten basierende Befürchtungen.“ Ohne Wenn und Aber spricht sich der Bischof für die Aufnahme von Flüchtlingen aus und sieht darin eine „moralische Pflicht“. Im Übrigen könnten die „Polen massenweise ins Ausland gehen, weil sie dort besser verdienen und es sich dort besser lebt. Und für andere gelte dies nicht?“
Befragt nach den nunmehr seit sieben Jahren an jedem 10. eines Monats von PiS inszenierten Manifestationen in Erinnerung an den Absturz der Präsidentenmaschine mit 96 Toten am 10. April 2010 reagierte Bischof Pieronek wie folgt: „Die Märsche und Aussagen vor dem Präsidentenpalast besitzen keinen religiösen Charakter. Diese monatlichen Veranstaltungen sind reine Politik. Es geht nicht um die Toten. Es geht um Politik. Was man dort während der Auftritte zu hören bekommt, das lässt einen die Haare zu Berge stehen.“
Pieroneks bischöflicher Amtsbruder Henryk Hoser meinte gleich nach der Regierungsübernahme durch PiS im Herbst 2015: „Weder die Verfassung noch Gesetze sind die Heilige Schrift. Wenn die Verfassung nicht gut formuliert ist, dann kann man sie ändern.“ Bischof Pieronek sieht dagegen keinerlei Grund für Verfassungsänderungen. Ganz im Gegenteil; er sieht darin eine Gefahr: „Die Regierenden möchten solche Bestimmungen in die Verfassung einfügen, die jeglichen Missbrauch sanktionieren würden, der mit der jetzigen Verfassung bereits betrieben wurde. Und da handelt es sich um vieles.“ Damit spielt der Bischof auf den von PiS konsequent betriebenen „guten Wandel“ an, durch den bereits das Verfassungsgericht lahm gelegt, die Justiz ihrer Unabhängigkeit beraubt, für den Kulturbereich eine Geschichtspolitik nationaler Überhöhung verordnet wurde und in den staatlichen Medien reine Propaganda betrieben wird. Im Übrigen – so Bischof Pieronek – habe „‚Unrecht und Ungerechtigkeit‘ noch viele Dinge vor.“
Quelle: Michał Wilgocki, Biskup Pieronek o miesięczniach smoleńskich: To czysta polityka (Bischof Pieronek über die wöchentlichen Smolensk-Veranstaltungen: Das ist reine Politik) Gazeta Wyborcza vom 18. 05. 2017.