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Die Unabhängigkeit der Medien in Gefahr

Nachdem die Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) nach der Verabschiedung der – wenngleich durch das Veto des Präsidenten vorerst gestoppten – Gesetze zur Judikative das Gerichtwesen unter ihre Kontrolle gebracht hat, ist nun eine Regulierung der Medienlandschaft zu erwarten, die unter dem Anschein einer „Dekonzentration“ letztlich dem Ziel dient, eine die Politik von PiS kritisierende Berichterstattung weitestgehend einzuschränken oder gar gänzlich unmöglich zu machen. Die bereits vollzogene Übernahme staatlicher Medien, speziell des Fernsehens, durch entsprechende Neubesetzungen mit PiS gegenüber loyalen Redakteuren ist angesichts der weiterhin bestehenden unabhängigen Medien für die Regierungspartei lediglich ein Teilerfolg im Kampf um die politische Deutungshoheit und Propaganda.

Unter der Devise „Die Nationalität des Kapitals ist von Bedeutung“ werden die neuen Mediengesetze öffentlichkeitswirksam vorbereitet. Ausgangspunkt ist ein Brief, den der Österreicher Mark Dekan, Präses des deutsch-schweizerischen Konsortiums „Ringier Axel Springer Medien AG“, an die polnischen Mitarbeiter gerichtet hat. Darin hatte er auf den gescheiterten Versuch von Ministerpräsidentin Beata Szydło Bezug genommen, die Wiederwahl von Donald Tusk zum EU-Ratspräsidenten zu verhindern, und u. a. geschrieben: „Gemeinsam mit Tusk siegten die Polen – all jene, die auf die Zugehörigkeit zur Europäischen Union stolz sind. […] Zu den Verlieren in dieser Auseinandersetzung zählten neben Jarosław Kaczyński die gute Reputation Polens als sachgerechter Partner.“ Und im Bild von der Autobahn mit ihren schnellen Fahrspuren und Parkplätzen riet er dazu, den Lesern der zum Konzern gehörenden Zeitschriften „Newsweek“, „Fakt“ und „Forbes“ zu sagen, „was zu tun ist, um auf der schnellen Fahrspur zu bleiben und nicht auf den Parkplatz zu enden.“

Der Brief löste eine Welle der Empörung aus. Er wurde in den Fernsehnachrichten als beispiellose Einmischung in innerpolnische Angelegenheiten kommentiert. Außenminister Witold Waszczykowski zeigte sich beunruhigt, und die Kulturkommission des Sejm befasste sich mit dem Schreiben. Elżbieta Kruk, PiS-Abgeordnete und Vorsitzende der Kulturkommission, brachte den Brief in Zusammenhang mit der absurden Behauptung eines angeblichen „Treffens von Vertretern der Merkel-Regierung mit Vertretern deutscher Medien, die instruiert wurden, wie über die polnische Regierung und über Polen zu schreiben sei. Das zeigt, dass Deutsche die Medien als Instrument zur Verwirklichung ihrer Politik nutzen.“

Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Man müsse dafür sorgen, die im ausländischen Besitz befindlichen Medien in polnische Hände zu geben. Angesichts der Tatsache, dass fast 80% der Kapitaleigner Ausländer, zumeist Deutsche, sind, keine leichte Aufgabe. Um dieses Ziel dennoch zu erreichen, verfolgt die polnische Regierung einen Zwei-Stufen-Plan: Als erster Schritt soll durch Zerschlagung der ausländischen Konzerne eine „Dekonzentration“ des Medienmarkts erfolgen. Dazu müsste es einen Wechsel der Kapitaleigner geben. Aber sind die ausländischen Kapitaleigner bereit, ihre Aktien zu verkaufen? Wie kann man sie dazu zwingen? Wie lassen sich etwaige „feindliche Übernahmen“ bewerkstelligen? Und wer verfügt überhaupt in Polen über das nötige Kapital, ausländische Medien aufzukaufen? Man weiß in der PiS-Regierung sehr wohl, dass dies die Möglichkeiten des Privatsektors übersteigen würde. Also plant man als Realisierung des ersten Schritts die Übernahme der ausländischen Medien aus Mitteln des Staatshaushalts, also praktisch auf dem Weg einer Nationalisierung. Aber dies soll nur eine Zwischenlösung sein, gleichsam als Vorbereitung des zweiten Schritts. Dieser soll darin bestehen, auf der Basis einer „Dekonzentration“ die Medienlandschaft nach Zerschlagung der Konzerne durch eine Vielzahl polnischer Investoren zu pluralisieren.

Die Frage ist, ob dieser Plan aufgeht. Konflikte sind jedenfalls vorprogrammiert. Und nicht nur Konflikte mit den ausländischen Kapitaleignern. Es dürfte auch zu einem grundsätzlichen Konflikt um die Unabhängigkeit der Medien kommen. Denn mit einer Nationalisierung der Medien übernimmt die Regierung faktisch die Kontrolle über die Medienlandschaft. Die Kontrolle bleibt auch bei einer Übernahme einzelner Medien durch polnische Privatinvestoren bestehen, liegt doch die Entscheidung, an wen Medien übergeben werden, bei der Regierung. Angesichts ihrer bisherigen Politik dürfte kaum ein Zweifel bestehen, dass die Medien in PiS loyale Hände geraten.

Von diesem Zwei-Stufen-Plan sind jene unabhängigen Medien nicht betroffen, die sich, wie die führende PiS-kritische Tageszeitung Gazeta Wyborzca, in polnischem Besitz befinden. Hier gab es bereits einen allerdings gescheiterten Versuch, durch Übernahme der Aktien von Agora, dem Hauptfinanzier der Gazeta Wyborzca, diese regierungskritische Zeitung zu einem Kurswechsel zu zwingen. Eine weitere bereits praktizierte Möglichkeit besteht darin, die Reklameeinnahmen dadurch zu reduzieren, dass Firmen, die derlei Anzeigen in Auftrag geben, keine staatlichen Aufträge mehr erhalten und sich daher aus diesem Geschäft zurückziehen. Auch dürfte die PiS-Regierung ihre Kontrolle über die Gerichte gezielt dazu einsetzen, um unabhängige Medien durch Finanzkontrollen und ähnliche Nadelstiche zu domestizieren.

Eigentlich sollten die neuen Mediengesetzt, ähnlich wie die zu den Gerichten, noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Dass dieser Zeitplan nicht einzuhalten war, zeigt, wie schwierig dieses Vorhaben offenbar umzusetzen ist.

Quelle: Piotr Godek, Bunt tubylców (Aufstand der Eingeborenen), Do Rzeczy v. 27. 03./02. 04. 2017, S. 32-34. Der Titel bezieht sich auf ein Antwortschreiben an Marek Dekan, aus dem der Satz zitiert wird: „Sie behandeln die Polen wie eine Bande dienstbeflissener Eingeborener einer exotischen Kolonie.“

Narodowość kapitalu ma znaczenie (Die Nationalität des Kapitals ist von Bedeutung). Interview mit Elżbieta Kruk, Vorsitzende der Kulturkommission des Sejm. Ebd., S. 36f.

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