Polnisches Staatsfernsehen – ein Propagandaapparat der Regierung
- Theo Mechtenberg
- 12. Okt. 2017
- 3 Min. Lesezeit
Nach der mit absoluter Mehrheit gewonnenen Parlamentswahl im Herbst 2015 hat die Kaczyński-Partei bald nach ihrer Regierungsübernahme die totale Kontrolle über das Staatsfernsehen übernommen. Und dies mit der Konsequenz, dass die abendliche Nachrichtensendung „Wiadomości“ zu einem reinen Propagandainstrument verkommen ist. Welche Auswirkungen dies für die deutsch-polnischen Beziehungen hat zeigt eine im August vorgenommene Untersuchung. Danach wurden in diesem Zeitraum kaum weniger deutsche als polnische Themen behandelt, und die deutschen stets in einem negativen Licht: Wir präsentieren den Deutschen die Rechnung für ihre Verbrechen; die Deutschen wollen kein starkes Polen; die Deutschen wollen die polnische Kirche zerstören. Mit diesen und ähnlichen Schlagzeilen und entsprechenden Kommentaren schwamm das polnische Staatsfernsehen auf der im August 2017 hochschäumenden Welle an Deutschfeindlichkeit. Sie bildete die Tonlage im Gedenken an den Warschauer Aufstand vor über 70 Jahren sowie zu den zeitgleich von der Regierung erhobenen Reparationsforderungen gegenüber Deutschland.
Die Frage ist, wie sich dies auf die Einstellung der Polen gegenüber Deutschland und den Deutschen auswirkt. Die letzte Untersuchung stammt vom Frühjahr 2017. Danach steht jeder dritte Pole in Kontakt mit Deutschen. Und jene, die mit Deutschen Kontakte pflegen, schätzen ihre Beziehung als positiv ein. Ob und inwieweit sich dieses erfreuliche Bild durch die jüngste antideutsche Kampagne ins Negative verschiebt, bleibt abzuwarten. Zumindest dürfte selbst bei einer grundsätzlich deutschfreundlichen Einstellung angesichts der im kollektiven Bewusstsein abrufbaren schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs diese Agitation in manchen Polen das Opferbewusstsein sowie die damit verbundene Überzeugung verstärken, ihre von den Deutschen in der Vergangenheit erlittenen Leiden würden nicht genügend honoriert, wofür die strikte Ablehnung der Reparationsforderung den Beweis liefere. Doch bereits jetzt zeigt sich, dass – zumindest unter den Rechtsradikalen – die Saat einer erneuten Deutschfeindlichkeit auf fruchtbaren Boden fällt und aufgeht. So zogen im Gedenken an den ebenso heldenhaften wie tragischen Aufstand die Gruppen des rechtsradikalen Lagers durch Warschaus Straßen mit der aus jener Zeit stammenden Parole „Jedem Deutschen eine Kugel“. Und rechtsradikale Fans des Warschauer Clubs „Legia“ entfalteten im Stadion unbeanstandet ein riesiges Transparent mit dem Bild eines von deutschen Soldaten getöteten Kindes.
Bei den anderen Themen des staatlichen Fernsehens stehen die Erfolgsmeldungen der Regierung, speziell aus dem wirtschaftlichen Sektor, die es zugegebenermaßen gibt, im Vordergrund. Doch kritische Beiträge zu der von PiS verfolgten Politik des mit gravierenden Rechtsbrüchen verbundenen „guten Wandels“ sucht man vergebens.
Auch die Flüchtlingspolitik spielt in den Abendnachrichten eine Rolle. Bekanntlich weigert sich Polen entgegen der Brüsseler Entscheidung, auch nur einen einzigen Flüchtling aufzunehmen. Zur Rechtfertigung der eigenen Position ist man im Staatsfernsehen bemüht, den Zuschauern die angeblich „tragischen Folgen der Migrationspolitik der EU“ vor Augen zu führen. Breit ausgeschlachtet wurde in diesem Zusammenhang die Vergewaltigung einer Polin in Rimini. Tagelang bildete dieses Verbrechen das Topthema der „Wiadomości“, während man sich – zum Vergleich – bei einer im September verstorbenen Polin, die von drei Polen zehn Tage lang vergewaltigt und gequält worden war, mit einem einzigen Beitrag begnügte.
Doch vielen Polen gefällt diese Propaganda ihres Staatsfernsehens nicht. Die Zuschauerquote ging im Laufe eines Jahres um 21,58% zurück. Das sind über eine halbe Million weniger Polen, die – entgegen ihrer früheren Gewohnheit - abends die Nachrichtensendung nicht einschalten. Doch das spielt offenbar für PiS keine Rolle. Hauptsache ihr hartes Elektorat bleibt bei der Stange – die Alten und weniger Gebildeten aus den Dörfern und Kleinstädten, die Pater Rydzyk und seinem Medienimperium hörigen Polen.
Quelle: Kalina Błażejowska, Jak hartuje się elektorat (Wie härtet man die Wählerschaft); Prof. Michał Bilewiccz, Lekcje pogardy (Lektionen der Verachtung), Tygodnik Powszechny v. 17. September 2017.
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