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Polnisches Fernsehen im Dienst staatlicher Propaganda

  • Theo Mechtenberg
  • 8. Nov. 2017
  • 3 Min. Lesezeit

„Täglich um 19.30 sehen fast zwei Millionen Polen den Bericht aus der belagerten Festung; einer Festung, die eine starke Regierung verteidigt, die sich um das Wohl und die Sicherheit ihrer Bewohner bemüht. Die Regierung hat immer recht und nur Erfolge vorzuweisen. Sie wird unablässig von Feinden attackiert: Im Osten von Russland, im Westen von Deutschland (besonders erbittert), und jenseits des Ozeans ist es der Milliardär George Soros. Auch die Europäische Union bekommt regelmäßig die gewünschten Attacken von inneren Feinden geliefert: Von der „totalen Opposition“, von den Postkommunisten und von den regierungsunabhängigen Organisationen. Die Festung besteht bereits seit zwei Jahren, aber sie kapituliert nicht. Die Regierenden wie die Regierten sind ungebrochen wie die von ihnen verehrten Helden, und die Kraft zum Kampf verleiht ihnen ihr eifrig praktizierter Glaube.“

Mit diesen Sätzen beginnt ein Text, der sich mit dem von der nationalkonservativen polnischen Regierung kontrollierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen befasst, speziell mit der in den Abendnachrichten betriebenen Propaganda. Die Autorin Kalina Błażejowska listet im Einzelnen die Themen auf, die im Monat September behandelt wurden. An erster Stelle ging es um Deutschland und die Deutschen, und das immer in einem negativen Kontext. Einige Beispiele: „Wir präsentieren den Deutschen die Rechnung für ihre Verbrechen“; „Schockierende Beweise deutscher Brutalität“; „Die Deutschen finanzieren die gegen die Regierung gerichteten Proteste“. Es folgten Erfolgsmeldungen, die es vor allem aus der Wirtschaft in der Tat gibt. An dritter Stelle die EU: „Die polnische Regierung gibt den Brüsseler Erpressungen nicht nach“. Viertens eine gehörige Ausschlachtung der Vergewaltigung einer Polin am Strand von Rimini, kommentiert als unmittelbare Folge der unverantwortlichen Flüchtlingspolitik der EU. Fünftens Berichte über die von Polen in Syrien geleistete humanitäre Hilfe als Beispiel wirksamer Unterstützung vor Ort statt einer „Willkommenskultur“ für die in Massen nach Europa strömenden Flüchtlinge.

Die vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlte Propaganda beschränkt sich nicht auf die Abendnachrichten. Auch andere Sendungen wie etwa „Panorama“ stehen ganz unkritisch im Dienst der Regierungspolitik. Es mangelt auch nicht an Falschmeldungen So sah sich etwa der schwedische Botschafter genötigt, einen Bericht unter dem Titel „die schwedische Regierung unterstützt die polnische Regierung“ richtigzustellen.

Für den Umgang mit Konflikten im nationalkonservativen Lager lassen sich drei Strategien feststellen: Entweder man verschweigt diese gänzlich oder berichtet nur sehr knapp darüber oder man versucht durch Verdrehung der Tatsachen die Dinge anders darzustellen.

Eine besondere Rolle spielen sogenannte „Experten“, die mit ihrer angemaßten Autorität Objektivität und Glaubwürdigkeit vortäuschen. In speziellen Prorammen kommen auch die Fernsehzuschauer selbst zu Wort, und dies vornehmlich mit Aussagen über die „schreckliche Union“. Dazu drei Beispiele: „Ich möchte lieber außerhalb der Union leben als unter französischen und deutschen Stiefeln“; „Die Werte der Europäischen Union sind die Scharia, der Islam und maskierte Frauen in den Straßen“; „Flüchtlinge – ich bitte, sprechen wir von ihnen in Gänsefüßchen, denn das sind überhaupt keine Flüchtlinge. Wären sie es, dann hätten wir sie doch aufgenommen; 100 000 Tschetschenen nahmen wir auf. Die EU brauchen wir ökonomisch, denn wir haben gemeinsame Interessen. Doch die ganz politische Masche des Herrn Junckers, die brauchen wir nicht.“

Was Jarosław Kaczyński von diesem Fernsehen hält, das ist schon purer Zynismus. In einem der nationalkonservativen Zeitschrift „Do Rzeczy“ erteilten Interview sagte er: „In Polen kann man mit Hilfe des Fernsehens ein Bild malen , wie immer man es will, denn die Gesellschaft analysiert das nicht, was sie sieht, sondern nimmt das als Wahrheit.“

Doch um die gewünschte propagandistische Wirkung zu erzielen, braucht man natürlich willfährige Kader. Nicht jeder Mitarbeiter war bereit, unter den veränderten Bedingungen im Fernsehen weiter zu arbeiten. Es kam zu zahleichen Kündigungen. Rund 250 Personen wurden entlassen und die frei gewordenen Plätze durch zweifelhafte Talente aus anderen Fernsehstationen besetzt – aus den Sendern Trwam und Republika. „So entstand ein diszipliniertes Team, das sich aus zwei sich hervorragend ergänzenden Gruppen zusammensetzt. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um erfahrene Journalisten, die für viele Fernsehzuschauer bereits vor einiger Zeit ihre Glaubwürdigkeit verloren und daher nichts zu verlieren haben. Die zweite Gruppe umfasst junge Anfänger, deren Rückgrat noch ungeformt ist und das man daher nicht brechen muss.“

Doch das alles hat seinen Preis. Im Laufe eines Jahres schalteten 21,58% oder 514 000 Polen weniger die Abendnachrichten ein. Einen vergleichbaren Rückgang verzeichnen die politischen Sendungen von „Teleexpress“ und „Panorama“. Doch das stört Jarosław Kaczyński und seine PiS nicht. Ihnen geht es nicht um jene, die dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Rücken kehren, sondern um die, welche ihm die Treue halten. „Das ist der harte Kern der PiS-Wählerschaft: Alte Leute, solche mit geringer Bildung sowie Menschen aus Kleinstädten und Dörfern. Wenn sie das Fernsehen einschalten, dann heißt das, dass sie an das, was sie sehen, glauben. Und wenn sie glauben, dann stimmen sie bei den nächsten Wahlen für PiS. Ein unabhängiges Elektorat kann man immer noch gewinnen. Das eiserne darf man nicht verlieren.“

Kalina Błażejowska, Jak hartuje się elektorat (Wie man das Elektorat härtet) Tygodnik Powszechny v. 17.09.2017, S. 10-13.

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