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Stellungnahme von fast 1700 polnischen Wissenschaftlern

Vor Weihnachten hatten fünfzehn polnische Professoren in einem Schreiben an den stellvertretenden Vorsitzenden der EU-Kommission Frans Timmermans gegen die Einleitung eines Verfahrens gegen Polen nach Artikel 7 des EU-Vertrages protestiert. Daraufhin entschlossen sich 42 ihrer Kollegen zu einer Gegendarstellung, die bereits Anfang 2018 1684 Unterzeichner gefunden hat. Im Folgenden der Wortlaut dieser Stellungnahme:

Erklärung zu dem Brief der fünfzehn Wissenschaftler bezüglich der Reform des Justizwesens in Polen

Fünfzehn polnische Wissenschaftler veröffentlichten in den letzten Tagen einen an Frans Timmermans adressierten Brief, in dem sie das Verfahren nach Artikel 7 gegen die polnische Regierung kritisieren. Wir schätzen das Recht auf Meinungsäußerung. Wir schätzen gleichfalls die Unterzeichner des Briefes – viele von ihnen sind unsere Kollegen und Lehrer. Wir meinen allerdings, dass die Hauptthesen des Briefes unbegründet sind und dass die benutzte Sprache spaltet, ja sogar beleidigend ist. Das Ziel dieser Erklärung ist es zu zeigen, dass ein bedeutender Teil der polnischen akademischen Welt die in dem Brief enthaltenen Beschuldigungen und Unterstellungen sowie den feindseligen Ton zurückweist.

Die Hauptthese des Briefes besagt, dass die Europäische Union versucht, „unsere demokratisch gewählte Regierung zu stürzen“, um die starke polnische Demokratie zu vernichten, um die Polen und andere europäische Nationen mit Hilfe einer „totalen sozialen Maschinerie“ zu regieren sowie um weiterhin eine Armee „einheimischer und ausländischer Diebe“ zu unterstützen. Ein weiterer Grund soll die Weigerung der polnischen Regierung sein, Flüchtlinge aufzunehmen und, vor allem, die durch das dem Brief beigefügte Weihnachtslied „nachweisbare in Polen bestehende Überzeugungsfreiheit, die wahrscheinlich für die EU-Beamten eine Quelle ihres Hasses ist.“

Diese Beschuldigungen wurden ohne jede Begründung erhoben. Sie beruhen einzig auf Allgemeinplätze nach Art „unser gegenwärtiges Rechtssystem repräsentiert ausschließlich ein sich in seiner Existenz verteidigendes postkommunistisches System.“ Zugleich bitten die Autoren (im Brief an den stellvertretenden Vorsitzenden Timmermans) ihre „akademischen und nichtakademischen Freunde sich zu fragen, auf welcher Grundlage sie an das glauben, was wir in den Medien hören? Was, wenn diese lügen?“

In Wirklichkeit gibt es keinerlei Grund, an die Hauptthesen des Briefes zu glauben. Die Feststellung, die EU würde die polnische Bekenntnisfreiheit hassen und sich bemühen, sie zu vernichten, ist absurd. Die den Brief einleitende Kritik „schon das ist höchst seltsam, dass die führenden Politiker der EU ernannt und nicht gewählt wurden, und doch haben sie so viel Liebe zur Demokratie“, ist absichtlich ironisch, letztlich unsachlich und beleidigend. Die Autoren legen keinerlei juristische Argumente und Analysen vor mit Ausnahme einer unklaren Formulierung „die vorgesehenen Veränderungen unseres Rechtssystems sind gleich oder doch sehr ähnlich wie sie in anderen Ländern des Westens seit Jahrzehnten bestehen.“

Angesichts der internationalen politischen Situation und der geographischen Lage ist es für Polen eine Sache von höchstem Gewicht, einer der Schlüsselstaaten der EU zu bleiben. Aus diesem Grund muss der Standpunkt der EU-Behörden ernst genommen werden. Mit Bedauern stellen wir fest, dass sich unsere geschätzten Kollegen dazu entschieden haben, einen Brief von zweifelhafte Qualität zu unterzeichnen, der anstelle von Argumenten Slogans der üblichen Propaganda enthält und tendenziös und aggressiv verfasst wurde.

Wir wollen klar zum Ausdruck bringen, dass wir den Inhalt des Briefes, seinen feindseligen Ton und unsachlichen Stil nicht unterstützen. Erklärungen zu wichtigen politischen Themen sollen sich auf behutsame Weise auf gute Argumente stützen, unabhängig von politischen Ansichten. Unbegründete Vorwürfe zu erheben, ist für die Academica, für Polen, für Europa schädlich.

Quelle: „Zamiast argumentów propagandowe slogany.“ 350 naukowców odcina się od „listu 15 do Timmermansa“ (Anstelle von Argumenten Propagandaslogans.“ 350 Wissenschaftler distanzieren sich vom „Brief der 15 an Timmermans“), Gazeta Wyborcza v. 31. 12. 2017.

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