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Die Flüchtlingsfrage – Kriterium wahren Christseins

Dass Polen sich weigert, die von der Europäischen Union beschlossene Quotenregelung zu akzeptieren, nach der das Land 7000 Flüchtlinge aufnehmen soll, ist allgemein bekannt. Mehr noch: Die Regierung der Kaczyński-Partei, die sich mit dem Namen des biblischen Begriffspaars „Recht und Gerechtigkeit“ schmückt und deren führende Persönlichkeiten bei kirchlichen Feiern die ersten Plätze einnehmen, verkündet stolz, keinen einzigen Flüchtling aus dem arabischen Raum ins Land zu lassen, um auf diese Weise Polen vor einer drohenden Islamisierung zu bewahren. Zugleich brüstet man sich, „vor Ort“ zu helfen. 46 Millionen Zł habe man bislang aufgebracht, eine Summe, die der Erstellung eines Kilometers Autobahn entspricht. Dabei hat Polen allein 2016 aus dem Strukturfonds der EU 240 Millionen Zł erhalten.

Immerhin gibt es in der Flüchtlingsfrage zwischen Kirche und Staat einen Dissens. Die Polnische Bischofskonferenz hat sich für einen „humanitären Korridor“ ausgesprochen, um auf diesem Wege eine bestimmt Zahl an Kriegsflüchtlingen aufzunehmen. Doch die Regierung lehnt selbst diesen Plan ab. Auch einzelne, wenngleich nur wenige Bischöfe sehen in der Aufnahme von Flüchtlingen eine christliche Pflicht, der man sich nicht entziehen dürfe. So ist von Erzbischof Wojciech Polak, dem Polnischen Primas, das Wort überliefert: „wir sind berufen, in den Flüchtlingen das Antlitz Christi zu erkennen.“ Und der Warschauer Kardinal Kazimierz Nycz sagte: „Den Flüchtlingen zu helfen, das ist deine große Probe und ein Test unseres Glaubens.“

Bezeichnend ist auch folgender Vorgang: Der Posener Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz Gądecki nahm – zeitgleich mit dem Rosenkranzgebet an Polens Grenzen – an einer Gebetswache „Sterben in Hoffnung“ teil. Während an den Grenzen Hunderttausende um Frieden beteten, unter ihrem Friedensgebet aber zumeist die Abwehr einer drohenden Islamisierung verstanden, kamen zu der Gebetswache lediglich etwa 120 Gläubige zusammen, unter ihnen kaum ein Priester. Nachdem zahlreiche Namen der auf dem Weg nach Europa umgekommenen Flüchtlinge verlesen worden waren, nutze Erzbischof Gądecki die Gelegenheit, sich klar und deutlich für die Aufnahme von Flüchtlingen auszusprechen. Sie hätten das Recht auf menschenwürdige Lebensbedingungen. Der wichtigste Bezugspunkt in der Flüchtlingsfrage könne „weder das Interesse des Staates, noch die nationale Sicherheit sein, sondern einzig und allein der Mensch.“ Er betonte, dass die Kirche bereit sei, sich aktiv für die von Papst Franziskus vorgeschlagenen Initiativen zu engagieren, doch dazu bedürfe es der Unterstützung der politischen Gemeinschaft – ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich Partei du Regierung dem widersetzen.

Am deutlichsten äußerte sich der Dominikaner Ludwik Wiśniewski: „Es ist schon verwunderlich, dass die Herausforderung des Evangeliums, sich um Kranke, Hungernde und Obdachlose zu kümmern, viele am Rand der Kirche und außerhalb ihrer lebende Menschen verstehen, nicht aber viele Katholiken, Priester und Bischöfe. Im Namen der Sorge um das Wohl der Nation, um die Existenz der Kirche, um die Verteidigung unseres Glaubens vor einer Flut des Islam das polnische Haus vor den Flüchtlingen zu verschließen, das ist die Vernichtung der Wurzel des Katholizismus in Polen mit eigenen Händen.“

Besonders bedenklich ist die Einstellung zur Flüchtlingsfrage unter den Klerikern in den Priesterseminaren. Untersuchungen zeigen, dass sie mehrheitlich nicht die offizielle Auffassung der Bischofskonferenz teilen, sondern dem Einfluss der von der Kczyński-Partei vertretenen Devise unterliegen. Dies ist das Ergebnis einer Befragung in den Seminaren von Krakau, Kattowitz, Danzig und Peplin: „Nur 30% der Befragten stimmten der Bitte von Papst Franziskus zu, jede Pfarrei möge eine Familie aufnehmen. 72% meinten, dass Flüchtlinge eine Bedrohung der Sicherheit sind, und 50% sahen in ihnen eine Gefährdung der Gesundheit. 13% der Kleriker haben nichts gegen eine Beteiligung von Priestern an antiislamistischen Manifestationen, und 44% sind der Auffassung, man solle den Islam in Polen verbieten.“ Dieses erschreckende Ergebnis erklärt sich teilweise aus der Tatsache, dass nach dieser Befragung 83% der Seminaristen ihre Informationen aus rechtsnationalen Medien beziehen, die durch ihre Aggressivität und Unterstützung einer nationalistischen Politik bekannt sind.

Wenn man bedenkt, dass diese Kleriker in naher Zukunft in die Pfarreien entsandt werden, um dort ihren priesterlichen Dienst auszuüben, dann erhalten die Worte von Pater Wiśniewski eine zusätzliche Dramatik.

Quellen: Szymon Hołownia, Większość to nie „naród” (Die Mehrheit ist nicht die Nation) Tygodnik Powszechny v. 28. 05. 2017; Ludwik Wiśniewski, Polska, dom zamkięty (Polen, das verschlossene Haus), ebd¸ Alfred Marek Wierzbicki, Nacjonalistyczny smog nad Polską (Nationalistischer Smog über Polen) ebd. v. 03. 12. 2017.

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