Neonazis in Polen
Der unabhängige Fernsehsender TVN24 überraschte am 20. Januar 2018 die Öffentlichkeit mit einer Reportage über Neonazis in Polen. Zu sehen war, wie die geheim agierende Gruppe am 20. April 2017 in einem abgelegenen Waldstück Hitlers Geburtstag feierte. Die um ein flammendes Hakenkreuz versammelten Teilnehmer trugen Uniformen der Wehrmacht und der SS. Ein weiterer Teil der Reportage war dem Musikfestival „Adlerhorst“ gewidmet, das im Juli 2017 in einem Dorf stattfand. Mit versteckter Kamera wurden Teilnehmer in Hemden mit Nazisymbolen gefilmt. Und das in Polen, in einem Land, das unter der Hitlerherrschaft Furchtbares erlebt hat.
Es gibt offenbar zwischen den Neonazis und den Rechtsextremisten eine Schnittmenge. Der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes „Stolz und Moderne“, dem Neonazis angehören, steht in engem Kontakt mit der im Sejm vertretenen „Nationalen Bewegung“. Die hatte – wie in der Reportage gleichfalls berichtet wurde – im November 2017 in Kattowitz eine Demonstration organisiert, bei der Galgen mit Porträts polnischer Europaabgeordneter mitgeführt wurden.
Premier Morawiecki sah sich aufgrund dieser Reportage zu der Erklärung veranlasst, dass „ein Propagieren des Faschismus nicht nur mit dem polnischen Recht unvereinbar ist, sondern auch eine Verunglimpfung des Gedächtnisses unserer Vorfahren und ihrer heldenhaften Anstrengung um ein gerechtes und von Hass freies Polen darstellt. Diese Art Verhalten und die Symbole darf es nicht geben.“
Inzwischen gab es Verhaftungen von Neonazis, die durch diese Recherche erst ermöglicht wurde. Dennoch warf der von PiS dominierte Journalistenverband TVN24 vor, die Tätigkeit der Neonazis zu lange verheimlicht und dadurch vor einer Strafverfolgung geschützt zu haben. Dabei übersieht er, dass die Recherchen bis in den November 2017 reichten, und die Aufarbeitung des Materials nicht von heute auf morgen erfolgen konnte. Und während sich Premier Morawiecki bei einer Pressekonferenz über die Reportage dankbar gezeigt hat, verlangt der Journalistenverband von der Redaktion des Senders eine detaillierte Darlegung der Recherche einschließlich einer Auflistung ihre Etappen und ihrer Ziele, sowie der Namen der an ihr beteiligten Personen samt des Nachweises ihrer Qualifikation sowie Auskunft, wer über dieses Projekt die Oberaufsicht hatte – unzumutbare Forderungen, denen TVN24 kaum nachkommen dürfte.
Quelle: Maiej Orłowski, Stowarzenie Dzennikarzy Polskich krytykuje dziennikarzy TVN2 po materiale o neonazistach (Der Verband Polnischer Journalisten kritisiert die Journalisten von TVN24 wegen des Materials über Neonazis) Gazeta Wyborcza v. 25. 01. 2018.