top of page

Die Absurdität des polnischen Nationalismus

Die Absurdität des polnischen Nationalismus

„Es fällt heute schwer, auf dem Markt sozial-politischer Projekte ein dümmeres Angebot als das des Nationalismus zu finden.“ Mit diesem Satz beginnt der Publizist Szymon Hołownia seine ironische Auseinandersetzung mit dem polnischen Nationalismus. Dazu angeregt wurde er durch die jüngste Wallfahrt des nationalistischen, antisemitischen Lagers ORN zum Thronsitz der Schwarzen Madonna, einer „Jüdin aus Nazareth (wir haben keine Veranlassung anzunehmen, dass die in den Himmel aufgenommene Maria ihrer jüdischen Identität beraubt wurde; und wäre dies der Fall, dann bestünde erst recht ein Problem – es könnte sich dann nämlich zeigen, dass es im Himmel auch keine ethnischen Polen gibt).“

Hołownia zitiert in seinem Feuilleton einige von Reportern während der Wallfahrt aufgeschnappte Aussagen: „Jeder Katholik soll den Faschisten dafür danken, dass sie den Papst aus der Hand der Kommunisten gerettet haben“; oder die These zweier Priester der Diözesen Bydgoszcz und Gdańsk: „Der Nationalismus ist eine Anleitung zum Evangelium.“ Angesichts solcher ebenso schockierender wir absurder Behauptungen unterzog sich Hołownia der Mühe, die im Internet zugängliche neuste ORN-Deklaration zu studieren. Dabei stieß er auf äußerst bedenkliche Aussagen: Die Demokratie solle durch eine Regierung aus Persönlichkeiten von „hohem moralischem Niveau ersetzt werden“; die Ostgebiete müsse man zurück gewinnen, was – wie Hołownia in Klammern vermerkt – „nur durch einen Krieg mit Litauen, Weißrussland und Ukraine möglich ist“. Gefordert wird zudem ein „national-katholischer Totalitarismus in der Kultur“; schließlich die Verschleierung des dem Nationalismus immanenten Rassismus, wozu es in der Deklaration heißt: „Während wir den biologischen Rassismus verurteilen, fordern wir die Wahrung des homogenen ethnischen Status, der die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens und der Stabilität des Staates begünstigt.“ Wenngleich es sich bei dieser nationalen Bewegung, wie Hołownia betont, um ein Randphänomen handle, so sei doch die mediale Wirksamkeit dieser nationalistischen Strömung beachtlich.

Der fundamentale Denkfehler der Nationalisten – so Hołownia – bestehe darin, dass sie wirklich davon überzeugt seien, Gott habe eine Welt nur für Polen geschaffen, die niemanden und nichts brauchen, die absolut autark sind […].“ Diese Autarkie vor allem sei es, auf die die ORN-Deklaration abziele: „Halten wir Kurs auf die großmöglichste wirtschaftliche Selbständigkeit durch Anregung und Umstellung der Produktion zur Befriedigung der Bedürfnisse der Nation, und begnügen wir uns nicht mit der uns zugedachten Rolle in der internationalen Arbeitsteilung.“ Darauf geht Hołownia näher ein. Autarke Programme seien antiquiert. Wenn überhaupt, dann hätten derlei Rezepre vielleicht in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg Anwendung finden können. „Danach gibt es schon nicht mehr die Welt, auf die sich dieser Therapieplan bezieht. Die Globalisierung wirtschaftlicher Prozesse ist so weit fortgeschritten, dass unsere Nationalisten, selbst wenn sie hoch und heilig behaupten, nur Waren aus polnischen Geschäften zu kaufen, doch wissen müssen, dass die von ihnen erworbenen Güter gar nicht aus diesen Geschäften stammen.“ Und sei es für die Nationalisten nicht schmerzlich, wenn sie auf ihrer Fahrt zur Jasna Góra „Benzin arabischer Scheichs verbrennen“ und auf ihren in Asien produzierten Smartphones ihre Wallfahrtserlebnisse speichern?

Gegen Ende seine Feuilletons kommt Hołownia auf die Rolle der Bischöfe in ihrer Auseinandersetzung mit dem Nationalismus zu sprechen: „Die Bischöfe können Dokumente veröffentlichen und Interviews geben, aus denen klar hervorgeht, dass sich der Patriotismus zum Nationalismus verhält wie ein normaler Stuhl zu einem elektrischen, dass er sein Krebsgeschwür ist.“ Doch die Nationalisten zeigen sich davon unbeeindruckt. Sie halten sich weiterhin für „die Arche, die die Kirche vor dem satanischen Liberalismus rettet.“ Dabei sei die von ihnen vertretene Ideologie „in Wahrheit die Negierung des Evangeliums. […] Und dennoch finden sich weiterhin Priester, die (o Graus – in den Messen) den Nationalisten nach dem Mund reden.“

Hołownia erwartet von den Bischöfen mehr Entschiedenheit: „Unsere Bischöfe bekämpfen linke Abweichungen mit aller Härte, doch in ihrem Verhalten zu den Nationalisten beschränken sie sich auf verbale, häufig lakonische Erklärungen und nehmen eines nicht wahr: dass es kein großes Problem ist, wenn irgendein Katholik Nationalist ist (am Ende landet er bei einem normalen Beichtvater, und der wäscht ihm schon den Kopf). Ein Problem ist die Tolerierung des Eindrucks, man sei mit der These einverstanden, Katholik ist gleich polnischer Nationalist. Die Tolerierung einer zum Himmel schreienden Häresie.“

Quelle: Szymon Hołownia, Obierzmy kierunek (Halten wir Kurs), Tygodnik Powszechny v. 29. 04. 2018, S. 64.

Follow Us
  • Twitter Basic Black
  • Facebook Basic Black
  • Black Google+ Icon
Recent Posts
bottom of page