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Die 15 Fragen des Duda-Referendums

Am 3. Mai, dem Gedenktag der polnischen Verfassung von 1791, der ersten dieser Art in Europa, kündigte Präsident Duda für den 11. November, den polnischen Unabhängigkeitstag, ein Referendum für eine neue Konstitution an. Am 12. Juni hat er auf der Sitzung des Nationalen Entwicklungsrates die Notwendigkeit einer neuen Verfassung damit begründet, dass die geltende nur „eine des Übergangs“ sei für die Zeit nach 1989, in der Polen erst zu seiner Gestalt finden musste. Seit Mai letzten Jahres sei ein bei der Präsidialkanzlei angesiedeltes Expertenteam mit der Vorbereitung des Referendums befasst. Nun wurde der 15 Fragen umfassende Vorschlag von stellvertretenen Minister der Präsidialkanzlei veröffentlich:

  1. Sind Sie für die Verabschiedung einer neuen Verfassung der Republik Polen beziehungsweise für Veränderungen in der geltenden Verfassung?

  2. Sind Sie dafür, in der Verfassung der Republik Polen die Verpflichtung eines landesweiten Referendums einzuführen, das die Verfassungsänderungen bestätigt?

  3. Sind Sie dafür, in die Verfassung die Verpflichtung zur Abhaltung eines landesweiten Referendums zu Fragen von nationaler Bedeutung für Staat und Nation einzuführen, wenn für diese Forderung mindestens eine Million Bürger eintritt?

  4. Sind sie dafür, sich in der Präambel der Verfassung der Republik Polen auf das über 1000jährige christliche Erbe Polens und Europas zu berufen als wichtige Quelle unserer Tradition, Kultur und nationalen Identität?

  5. Sind sie für eine verfassungsmäßige Garantie einer besonderen Unterstützung der Familien, die auf dem des Prinzips der Unantastbarkeit erworbener Rechte wie die der Sozialleistung 500plus basiert?

  6. Sind Sie dafür, in der Verfassung der Republik Polen den besonderen Rechtsschutz auf Renteneintritt für Frauen ab 60, für Männer ab 65 Jahren zu garantieren?

  7. Sind Sie für eine verfassungsmäßige Garantie der Mitgliedshaft Polens in der EU?

  8. Sind sie dafür, in der Verfassung der Republik Polen die Souveränität Polens in der EU zu verankern sowie das Prinzip des Vorrangs der Verfassung gegenüber internationalem und europäischem Recht?

  9. Sind Sie für eine verfassungsmäßige Garantie der Mitgliedschaft Polens in der NATO?

  10. Sind Sie dafür, in der Verfassung der Republik Polen den besonderen Schutz der polnischen Landwirtschaft und der Nahrungsmittelsicherheit Polens zu garantieren?

  11. Sind Sie für eine Stärkung der Position der Familie in der Verfassung der Republik Polen bezüglich des Schutzes von Mutterschaft und Vaterschaft?

  12. Sind Sie für den Arbeitsschutz als Fundament sozialer Marktwirtschaft?

  13. Sind Sie für eine Stärkung der Position des von der Nation gewählten Präsidenten im Bereich der Außenpolitik und des Oberbefehls über die Streitkräfte der Republik Polen?

  14. Sind Sie dafür, schwangeren Frauen, Kindern, geistig Behinderten und Personen fortgeschrittenen Alters einen besonderen Gesundheitsschutz zu garantieren?

  1. Sind Sie dafür, in der Verfassung der Republik Polen die Aufteilung der territorialen Selbstverwaltungseinheiten in Gemeinden, Kreise und Wojewodschaften zu garantieren?

Präsident Andrzej Duda hatte das von ihm geplante Referendum nicht mit Jarosław Kaczyński und seiner Partei abgesprochen. Entsprechend ist die Zurückhaltung innerhalb von PiS. Im Juli sollen die 15 Fragen im Senat beraten werden. Bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Senatoren und einer relativen Mehrheit gilt die Zustimmung als sicher.

In einem der Gazeta Wyborcza gewährten Interview hat sich der Warschauer Verfassungsrechtler Prof. Riszard Piotrowski zu der Initiative von Präsident Duda kritisch geäußert. Er hält das von ihm geplante Referendum für ein „Missverständnis“. Aufgabe des Präsidenten sei es, über die Eihaltung der Verfassung zu wachen und nicht, sie in Frage zu stellen. Im Übrigen verstoße er gegen Artikel 235 der Verfassung. Dieser sieht nicht die Möglichkeit vor, durch ein Referendum die Verfassung zu verändern, sondern verlangt die Vorlage eines Gesetzesprojekts und nicht die eines bloßen Fragenkatalogs. Ein vom Präsidenten veranlasstes Referendum ist nach Art. 235, Pkt. 6, bei sehr gewichtigen Verfassungsänderungen (Kapitel I, II und XII) zwar möglich, doch erst nach Verabschiedung der Änderungen durch den Sejm.

Der Fragenkatalog des Präsidenten enthält zudem z. T. unnötige Garantien, wie etwa für die Mitgliedschaft in EU und NATO, die verfassungsmäßig längst gesichert seien.

Probleme könne dagegen die Aussage in Frage 8 machen Sollte die neue Verfassung irgendwelche EU-kritische Bestimmungen enthalten oder solche, die sich als EU-kritisch auslegen lassen, dann seien ernsthafte Konflikte mit der Europäischen Union wahrscheinlich. Prof. Piotrowski sieht sogar die Möglichkeit eines Ausscheidens Polens aus der EU, falls sich Polen nicht bereitfinden sollte, in einem konkreten Fall die Verfassung entsprechend zu ändern oder es anderweitig nicht zu einer Übereinkunft komme.

Angesichts dieser Ungereimtheiten fragt man sich nach dem Sinn dieses Referendums. Gesetzliche Wirkung dürfte es kaum beanspruchen können. Nach Ansicht von Prof. Piotrowski dient es dem Präsidenten lediglich dazu, seine politische Position zu stärken und in der Bevölkerung seine Beliebtheitsgrade zu erhöhen. Gelingt ihm dies, dann wäre dies für ihn eine gute Voraussetzung seiner Wiederwahl.

Quelle: Paweł Kośminski, Duda ogłosił propozycję 15 pytań w referendum konstytucyjnym (Duda verkündete den Vorschlag eines 15 Fragen umfassenden Verfassungsreferendums), Gazeta Wyborcza v. 12. 06. 2018.

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