Abschließende Politisierung des polnischen Justizwesens
Die letzte Sitzung vor der Sommerpause nutzte die regierende Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zu weiteren Beschlüssen zur Neufassung des Gesetzes zum Obersten Gericht. Um die volle Kontrolle über das Oberste Gericht sicherzustellen, werden in Zukunft die an ihm tätigen Richter nicht aus ihren Reihen, sondern vom bereits mit PiS-loyalen Richtern besetzen Landesjustizrat bestimmt. Und was die Berufung des Präsidenten bzw. der Präsidentin des Obersten Gerichts betrifft, wird die Zahl der für ihre Wahl erforderlichen Richterstimmen auf 80 beschränkt, wobei 44 durch Zwangsemeritierung frei gewordene Stellen durch PiS verbundene Juristen zu besetzten sind. Damit wurden die Weichen gestellt, dass eine Neuwahl entsprechend den Wünschen der Kaczyński-Partei ausfällt. Diese Maßnahmen sind aus der Sicht von PiS notwendig, nachdem die bisherige Präsidentin Prof. Małgorzata Gersdorf rechtswidrig zwangsemeritiert wurde. Die aber akzeptiert ihre Entlassung nicht und wurde ihrer „Aufsässigkeit“ wegen auf dieser letzten, im Übrigen von der Opposition boykottierten Sejmsitzung mit einer fünfzigprozentigen Kürzung ihrer Bezüge bestraft.
Damit die Neufassung des Gesetzes zum Obersten Gericht rechtskräftig wird, bedurfte es der Zustimmung durch den Senat. Der trat am 23. Juli zusammen. Vor dem Senatsgebäude versammelten sich zahlreiche Demonstranten. Sie nannten jeden einzelnen Senator mit Namen und forderten ihn auf, das Gesetz nicht zu bestätigen. Zudem warnten sie die Senatoren in Sprechchören, dass ihnen bei einem möglichen Machtwechsel eine Gefängnisstrafe drohen könnte, falls sie dem Gesetz zustimmen und sich damit des Verfassungsbruchs schuldig machen würden.
Doch der Protest der Demonstranten blieb ungehört. Gegen die Einwände der Opposition wurde das Gesetz mit der Mehrheit der Stimmen der PiS-Senatoren nachts um 2.00 Uhr verabschiedet. Stoppen kann es nur noch Präsident Duda mit einem Veto. Doch er wird es wohl erwartungsgemäß unterzeichnen.
Mit dem Gesetz verfolgt PiS das Ziel einer Politisierung des Obersten Gerichts, was faktisch die Politisierung des gesamten Justizwesens bedeutet. Dazu bedarf es der bereits im vollen Gange befindlichen Säuberung des Obersten Gerichts durch erzwungene Emeritierung. Die frei werdenden Stellen werden dann mit PiS hörigen Richtern besetzt.
Es gibt aus der Sicht von PiS drei Gründe für dieses Vorgehen:
Das Oberste Gericht ist für die Feststellung der Wahlen zum Sejm und Senat sowie der Referenden zuständig und hat Eingaben eventueller Wahlungenauigkeiten und Wahlfälschungen zu überprüfen.
Das Oberste Gericht verfügt mit der Schaffung einer Disziplinarkammer über ein politisch nutzbares Instrumentarium, um Richter und Staatsanwälte sowie Verteidiger Strafverfahren zu beeinflussen.
Das Oberste Gericht garantiert letztlich die bereits bestehende Kontrolle über staatliche Institutionen wie Polizei und Sicherheitsdienste, so dass deren Handeln kaum mehr durch unabhängige Gerichte hinterfragt werden kann.