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Präsident Duda blockiert die Novellierung der Wahlordnung für die Europawahlen

Im Rahmen einer eigens einberufenen Pressekonferenz stoppte Präsident Andrzej Duda am 16. August mit seinem Veto die Novellierung des Gesetzes zur Wahlordnung der am 26. Mai 2019 stattfindenden Europawahlen. Der Sejm hatte das Gesetz Ende Juli im üblichen Eilverfahren gegen sämtliche Oppositionsparteien verabschiedet. Wenige Tage später wurde es vom Senat bestätigt. Die Novellierung sah landesweit nur mehr 13 Stimmbezirke vor mit jeweils drei bis fünf zu gewinnenden Mandaten. Bei Voraussetzung dieser zahlenmäßig wenigen, aber räumlich großen Stimmbezirke würden die insgesamt 52 zu vergebenden Sitze unter den beiden stärksten Parteien, Bürgerplattform und PiS, aufgeteilt. Die kleineren Parteien wären chancenlos und würden leer ausgehen, weil sie angesichts der Größe der Stimmbezirke bis zu 16% der Stimmen erhalten müssten, um ein Mandat zu gewinnen – angesichts ihres Wählerpotentials eine Unmöglichkeit.

Gegen diese Neuordnung hatten Vertreter der kleineren Parteien beim Präsidenten Protest eingelegt. In einer ihrer Stellungnahmen heißt es: „Wir glauben, dass Sie sich, Herr Präsident, in der Rolle eines Schiedsrichters im Parteienstreit und von der Notwendigkeit geleitet, den Polen eine möglichst proportionale Repräsentanz zu verleihen, für ein Veto gegen das vorgelegte Projekt der Veränderungen im Wahlkodex entscheiden werden..“ Und weiter: „Die bürgerlichen und politischen Milieus, die wir repräsentieren, teilt vieles. Es verbindet uns aber die Überzeugung, dass es für die polnische Demokratie schädlich ist, für die Wahlen eine reale Hindernishürde zu schaffen, die Wahlmöglichkeit der Polen faktisch auf zwei Listen zu beschränken sowie die politische Szene zu betonieren.“

Vertreter der kleineren Parteien wurden vom Präsidenten zu einem Gespräch eingeladen. Nach dem Treffen erklärten Paweł Kukiz und der Vertreter der Bauernpartei, der Präsident sei entschlossen, ihren Wünschen entsprechend das Gesetz mit seinem Veto zu stoppen.

Auch die Bischofskonferenz hatte sich durch ihren Sprecher kritisch geäußert: „Das Wahlrecht besitzt nicht nur einen technischen, sondern auch einen moralischen Charakter; es muss gerecht sein und die Möglichkeit einer guten Wahl zur Repräsentanz der öffentlichen Meinung garantieren. Auf keinen Fall darf es die Nutzung des aktiven und passiven Wahlrechts erschweren. Es soll der Gesellschaft dienen, den Aktivitäten zum Nutzen des Gemeinwohls und nicht nur den größten politischen Parteien. Parteien sollen einen dienenden Charakter besitzen. […] Insbesondere dürfen dominierende Parteien ihre Position nicht als ein vor den Bürgern zu schützendes Privileg betrachten.“

Präsident Duda nannte drei für die Verhängung seines Vetos ausschlaggebende Gründe:

  1. Das Gesetz entfernt sich zu weit vom Prinzip des Verhältniswahlrechts. Die Änderungen bewirken, dass die effektive Wahlhürde mindestens ein Duzend Prozentpunkte betragen wird, was konkret bedeutet, dass am Ende nur Kandidaten der beiden stärksten Parteien ein Europamandat gewinnen können. Damit wäre ein Großteil der Wähler im Europaparlament nicht vertreten.

  2. Das neue Gesetz würde das ohnehin geringe Interessean der Europawahl weiter schwächen, und viele Bürger würden meinen, ihre Wahlbeteiligung sei sinnlos.

  3. Das Argument, die neue Walordnung fördere die politische Verständigung und Koalitionsbildung, ist nur vordergründig richtig, denn eine solche Verständigung wäre immer das Diktat des Stärkeren. Eine derartige, letztlich auf Zwang basierendeLösung ist nicht akzeptabel.

Zu diesem Vorgang ist allerdings zu fragen, was PiS zu dieser Novellierung überhaupt bewogen hat. Und wie das Veto des Präsidenten zu bewerten ist.

Was PiS betrifft, so ist daran zu erinnern, dass die Kaczyński-Partei 2014 die Europawahl nach Stimmenanteil und gewonnenen Sitzen knapp gegen die Bürgerplattform (PO) verloren hat. Es ist daher das erklärte Ziel von Kaczyński, die im Mai 2019 stattfindende Neuwahl des Europaparlaments gegenüber dem ewigen Rivalen deutlich für sich zu entscheiden. Darauf ist die Novellierung ausgerichtet. Dass dabei die kleineren rechten und rechtsradikalen Parteien chancenlos bleiben, nimmt man bei PiS nicht nur in Kauf. Man hofft vielmehr, dieses Wählerpotenzial unter den gegebenen Umständen für sich ausschöpfen zu können.

Es fragt sich jedoch, wie wichtig PiS die Novellierung überhaupt nimmt. Dass man sich mit ihr Probleme einhandeln würde, und dies nicht nur mit den kleineren Parteien, lag schließlich auf der Hand. Auch die Europäische Kommission hätte Protest einlegen müssen, widerspricht doch das neue Gesetz den Regeln für die Europawahl. Überaus wichtig scheint PiS jedenfalls die Novellierung nicht zu nehmen, denn es spricht nichts dafür, dass Partei und Regierung in gleicher Weise um sie kämpfen werden wie um die Justizreform.

Sollte diese Vermutung zutreffen, dann verliert das Veto des Präsidenten an Bedeutung. Denn dann war es für Duda ein Leichtes, seine Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen, war doch ein ernstlicher Konflikt mit Kaczyński wenig wahrscheinlich. Zudem wird spekuliert, dass sich der Präsident mit seinem Veto vor allem Kukiz gegenüber dankbar erweisen wollte. Schließlich war er es, der seine Anhänger aufgerufen hatte, für ihn zu stimmen, was ausschlaggebend war, dass Duda sich beei der Präsidentschaftswahl gegen Komorowski durchsetzen konnte. Auch dürfte die Hoffnung eine Rolle gespielt haben, dass sich die Unterstützung durch Kukiz bei seiner erneuten Kandidatur wiederholen werde. Mehr noch aber verliert das Veto des Präsidenten für die kritische Öffentlichkeit an Wert, weil er bei weit wichtigeren, die Grundlagen der Demokratie betreffenden, die Gewaltenteilung aufhebenden Gesetzen von seinem Vetorecht keinen Gebrauch gemacht hat.

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