Präsident Andrzej Duda zum Verhältnis Polens zur Europäischen Union
Während eines Wahlkampfauftritts äußerte sich Präsident Duda wie folgt: „Wir tun alles, um Sie zu überzeugen, dass wir bis zum Ende unserer Kadenz vieles geschafft und die Wahlverpflichtungen erfüllt haben, dass endlich jemand an die Bürger dachte und nicht nur an seine Angelegenheiten, oder an irgendeine imaginäre Gemeinschaft, die uns nicht viel gibt. Gemeinschaft brauchen wir hier in Polen. Unsere. Die eigene. Eine auf unsere Angelegenheiten bedachte, denn die sind für uns das wichtigste. Wenn die erledigt sind, werden wir uns um die europäischen Angelegenheiten kümmern. Doch vorerst sollen sie uns in Ruhe lassen und uns erlauben, Polen zu verbessern, denn das ist das allerwichtigste. Ich glaube, dass dies der Erwartung der Mehrheit der Bürger in Polen entspricht, einer entschiedenen Mehrheit.
Wir haben das Recht auf unsere Erwartungen Europa gegenüber, das uns 1945 den Russen zum Fraß gab. Doch vor allem haben wir das Recht, uns selbst zu regieren und darüber zu entscheiden, welches Polen wir wollen und auf welche Weise wir die morschen Institutionen der früheren, überwundenen Systeme in Polen wir verbessern. Davon gibt es auch nach 30 Jahren noch etliche.
Der Journalist Paweł Wroński zieht aus diesen Äußerungen den Schluss, Präsident Duda wünsche sich einen Austritt Polens aus der Europäischen Union. Wroński sieht in der auf die Europäische Union bezogene Aussage einer lediglich „imaginären Gemeinschaft“ nicht nur ein weiteres Beispiel für die von Duda häufig gezogene Parallele zu der über ein Jahrhundert währenden Phase der Aufteilung Polens unter die Monarchien Preußen, Österreich und Russland, er wagt vielmehr die These: „Andrzej Duda führt Polen seit geraumer Zeit mit voller Kraft aus der Europäischen Union hinaus. Er dürfte sich dabei im Klaren sein, dass er dafür die persönliche Verantwortung zu tragen hat, sollte es tatsächlich dazu kommen.“
Um seine These zu begründen, ruft Wroński weitere gegen die EU gerichtete Aussagen des Präsidenten in Erinnerung. So habe er anlässlich des ausgerechnet mit EU-Geldern geförderten Ausbaus der S 3 die Union mit den Teilungsmächten verglichen und betont, der polnische Staat brauche keine Mitgliedschaft in einem geeinten Europa.
Es bleibt die Frage, warum dies alles. Zu Beginn seiner Amtszeit gab sich Präsident Duda durchaus proeuropäisch und betonte demonstrativ seinen Willen zu einer freundschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland. War dies eine bloße Maskerade oder seine tatsächliche Überzeugung? Stimmt letzteres, dann ist wohl Frustration der Grund für diesen Wandel. Seine sämtlichen Initiativen gingen schließlich ins Leere, sein ehrgeiziges Projekt eines Verfassungsreferendums, das von PiS zu Fall gebracht wurde, ebenso wie sein vergebliches Veto, mit dem er bestimmte Beschlüsse im Rahmen der Justizreform stoppen wollte. Doch bei aller durch PiS erfahrenen Zurückweisung ist es das erklärte Ziel von Duda, 2020 als Präsident wiedergewählt zu werden. Dazu müsste PiS ihn als ihren Kandidaten benennen, was so sicher nicht ist. Daher pilgert Duda derzeit durch Polen und vertritt Ansichten, die noch radikaler sind als die von PiS.
Quelle: Newsweek.pl, Wyimagiowana współnota, z której dla Polaków nie wiele wynika (Imaginäre Gemeinschaft, die den Polen nicht viel gibt), 12. 09. 2018.